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Die Stellung der Lawa in der Kulturgeschichte Hinterindiens 145
Eine erste Zusammenfassung der Ergebnisse der jüngsten Untersuchungen unter
den verschiedenen Lawa-Restgruppen ergibt folgende Ergebnisse:
1. Die bei den verschiedenen Gruppen aufgenommenen Wortlisten ergeben eindeutig
den Schluß, daß es sich bei den Lawa um ein austro-asiatisches Volkstum handelt.
Es finden sich viele Anklänge an die Sprache der Kha-Muk der Kha-Gruppe im
Grenzgebiet von Nord-Siam und dem heutigen Königreich Laos.
2. Auf Grund der verschiedenen, hier noch nicht behandelten Ursprungsmythen der
heutigen Lawa und der alten Chroniken von Nord-Siam (West-Laos) ist heute mit
einiger Sicherheit anzunehmen, daß es sich bei den Lawa um die Altbevölkerung
dieses Gebietes handelt, während alle die übrigen rezenten Bergstämme wie die
Miao, Yao, Lissu und Musso erst in neuerer Zeit eingewandert sind.
3. Das Geistesleben der Umpai-Lawa, das wir als repräsentativ für die Religiosität
aller einstigen Lawa ansehen dürfen, steht unter dem zentralen Gedanken des
Einflusses der Pi auf alles Geschehen in der Welt. Der Kult ist gekennzeichnet
durch die Blutopfer, während die zahllosen, heute gebräuchlichen hölzernen Opfer
pfähle als Überbleibsel einst üblich gewesener Megalithen zu betrachten sind.
4. Es hat sich bis in die Gegenwart ein bisher noch von keinem der früheren Bericht
erstatter erwähntes Zweiklassensystem erhalten.
5. Die thaiisierten Lawa üben heute vornehmlich den Reisbau auf Überschwem
mungsfeldern aus, während diese Wirtschaftsform bei den Umpai-Lawa erst in
jüngster Zeit Eingang gefunden hat.
6. Ein erster, oberflächlicher Vergleich der Wortlisten der Lawa-Sprache mit denen
anderer hinterindischer Sprachen hat teilweise eine große Ähnlichkeit, zum Teil so
gar Gleichheit mit entsprechenden Begriffen aus der Sprache der kopfjägerischen
Wa in den birmesischen Shan-Staaten ergeben. Überlieferungen der Lawa von
Wieng Papao scheinen diese Beziehungen zu bestätigen.
7. Das Bild der heutigen Kultur der letzten Lawa der Umpai-Gruppe läßt den
Schluß zu, daß es sich hier um eine abgesunkene Kultur handelt. Allein im Verlaufe
der letzten Jahrzehnte ging die Lähigkeit verloren, Tonwaren auf der Töpfer
scheibe und Roheisen selbst zu erzeugen. Dabei ist ausdrücklich zu erwähnen, daß
es sich hierbei nicht etwa um Akkulturationserscheinungen handelt in dem Sinne,
daß die Eigenproduktion wegen des Kontaktes mit den höher zivilisierten Thai des
Tieflandes als überflüssig erscheint. Die Beschaffung des erforderlichen Ersatzes
für die ausgefallenen Produktionsgüter bereitet vielmehr größte Schwierigkeiten,
ja, sie ist in Einzelfällen sogar unmöglich.
Literaturhinweise
Chronique de Suvanna Khamdeng. Annales du Siam, Première Partie. Traduction de
M. G. Notton. Paris 1926.
Coedès, G., Documents sur l’histoire politique et religieuse du Laos occidental. Bul
letin de l’Ecole Française de l’Extrême Orient. Hanoi 1925.
Graham, W. A., Siam. 2 vols., Vol. I, p. 131 fg.