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Etta Becker-Donner
Indianer finden sich erst wieder am Rio Säo Miguel und am Rio Manuel Correa
(auch Rio San Francisco genannt). Hier existiert ein Dorf (Tucano) der Abitana-
Huanyam, das ich besuchte. In Limoeiro, wo ganze Scherbenfelder 1 ) von den ehemali
gen Bewohnern erzählen, ist nur ein Mann übriggeblieben. Am Oberlauf des Säo
Miguel lebt noch eine kleine, Cabexis genannte Gruppe, die linguistisch zu den
Huanyam gehört und gleich diesen — ebenso wie auch die More — einen Chapacura-
Dialekt spricht.
Am Oberlauf des Manuel Correa leben die letzten Reste (2 Familien) der Puru
borä, die auch ein wenig Kautschuk und Gummi sammelten und bereits stark ent-
naturalisiert waren. Sie standen eben in erbittertem Kampf um ihren alten, ange
stammten Wohnplatz, den ihnen ein Gummihäadler streitig machen wollte. Sie sind
wohl längst aus ihrem alten Tal vertrieben worden.
Eine mit den Puruborä aufgenommene Wörterliste erwies ihre nahe Verwandt
schaft mit Macurape und Aruä. Mein Macurape-Waldläufer Oliveira konnte sich mit
den Puruborä verständigen. Auch dieser Stamm kannte eine Claneinteilung wie die
Macurape sie besitzen; die Puruborä waren die „Jaguar-Leute“, die — bereits aus
gestorbenen — Cokowi-bora die „Harpyen-Leute“.
Am Guapore fand ich 1954 in Santa Fe bei Costa Marques die letzte Palmella-
Familie. Es waren ältere Palmella-Geschwister, von denen der Mann mit einer India
nerin vom Rio Colorado verheiratet war, drei Kinder und ein alter Onkel. Nur letzte
rer erinnerte sich mühsam an etwa 20 Wörter seiner Spache; diese ist allem Anschein
nach karibisch oder mindestens karibisch vermischt. Sie lebten ursprünglich um Pedras
Negras, Maloca und Umgebung.
Vereinzelt wohnen am Rio Branco und am Colorado noch ein paar längst aus
jedem Stammesverband gerissene Macurape, Aruä, Wayoro, Jaboti und die Reste der
von einer Masernepidemie übriggebliebenen Tupari, die zum Glück vor dieser Kata
strophe noch von Franz Caspar gründlich untersucht werden konnten.
Nicht viel besser sieht es am Rio Mequens aus, wo ebenso entnaturalisierte Reste
der vorgenannten Stämme sowie der Koaratira für Gummisammler und Händler
arbeiten. Die Koaratira dürften mit den von Snethlage beschriebenen Amniapee und
Guarategaja verwandt oder identisch sein.
Am Rio Corumbiara ist die Situation noch tragischer. In diesem Gebiet besitzt
heute in zweiter Generation Giacomo Casara die Gummi-Konzession (Anmerkung:
der Boden wird hier bis zu 100 km gegen die Landesgrenze nicht verkauft, sondern
nur in Konzession vergeben). Vater Casaro war italienischer Abstammung und mit
einer Bolivianerin verheiratet. Er legte eine Picada bis Cascata. Er soll mit den
Indianern auf gutem Fuß gelebt haben und stand im Tauschverkehr mit ihnen.
Giacomo schätzte die Zahl der damals in jenen Wäldern lebenden Indianer auf
etwa 1000.
1940 eröffnete daraufhin der Indianerschutzdienst einen Posten in Cascata, sam
melte die bis dahin noch frei in ihren Siedlungen lebenden Indios in seiner Station
und versuchte sie zum Arbeiten zu bringen. Es waren dies vor allem die Gruppen der
Massaka (Huari oder Aikanä). Offenbar hatte jede Horde einen eigenen Namen oder
*) Siehe auch Haseman 1912 und Nordenskiöld 1924.