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Full Text: Tribus, 20.1971 N.F.

Buchbesprechungen 
23 7 
Es müßten also in fast allen Stämmen Melane 
siens sehr ähnliche Bewegungen aufgetreten 
sein, was bekanntlich nicht der Fall ist. Eine 
vage Vermutung wie die auf p. 161 über die 
Nichtteilnahme der Bewohner von Orokolo an 
der Vailala Madness reicht kaum aus. Im 
Grunde wären Untersuchungen über Gebiete, 
in denen keine „Cargo“-Bewegungen aufge 
treten sind, die einzige Möglichkeit, die „Big 
Mcn“-Theorie zu testen. Der Umgang mit 
allen gegenteiligen Ansichten und Belegen 
scheint mir In diesem Buch etwas von leichter 
Hand. Das gilt etwa für die Bemerkungen 
p. 154 über „cargo“ und p. 164 über anders 
lautende Aussagen von Kultteilnehmern. 
Zweifellos Ist mit der Einbeziehung des 
Problems einer „Status-Deprivation“ in die 
Reihe der Erklärungsversuche für das Auftre 
ten von Cargo-Bewegungen ein wichtiger Ge 
sichtspunkt nachgeholt worden, der bisher ver 
nachlässigt wurde. Die „big men“ scheinen mir 
dabei nur ein Sonderfall zu sein. Da aber Sta 
tus-Deprivation geradezu definierend für jede 
koloniale Situation zu sein scheint, ist damit 
nur ein Faktor gefunden, wo ganz offenbar 
viele die Voraussetzung für das Auftreten von 
„Cargo-Bewegungen“ sind. 
H. Fischer 
RAYMOND FIRTH and HONOR MAUDE: 
Tikopia String Figures. (— Royal Anthro 
pological Institute Occasional Papers No. 
29.) London: Royal Anthropological Insti 
tute of Great Britain and Ireland. 1970. 
64 S., 54 Abbildungen. 
Diese kurze Arbeit zeigt einige sehr Inter 
essante Aspekte. Allerdings vielleicht mehr 
Aspekte zur Wissenschaft als zu den hier vor 
gelegten Fadenspielen von Tikopia. In seinem 
„Preface“ stellt Firth zunächst fest, daß er die 
Fadenspiele bei seiner ersten Reise 1928/29 ge 
sammelt hat. Sein Interesse scheint damals groß 
gewesen zu sein, denn er hat nicht nur die fer 
tigen Figuren aufgenommen, sondern jedes 
Spiel gelernt. Daß er sie heute wieder ver 
lernt hat, wird man ihm kaum vorwerfen kön 
nen. Dagegen dürften seine Aufzeichnungen zu 
den Fadenspielen nicht sehr gut organisiert 
gewesen sein, denn das meiste, was er unter 
„String Figures in Tikopia Social Life“ schreibt 
(und das ist der erste interessante Aspekt), sind 
Vermutungen über seine eigenen Arbeiten und 
Aufzeichnungen. Ein Forscher also, der seine 
eigene Schublade als Archäologe untersucht. 
So schreibt er schließlich etwas hilflos (p. 4), 
„I cannot unravel completely this tangle of 
traditional ideas about gods and goddesses, 
night, sleep and blindness in reference to 
string figures on the information I have 
available, and I could get no further data 
from Tikopia“. Immerhin, Fadenspiele haben 
in Tikopia irgend etwas mit Religion zu tun. 
Vielleicht wichtiger ist die Feststellung, daß sie 
eine Möglichkeit für persönliche, individuelle 
Kreativität sind. Der Beitrag von Honor 
Maude besteht im wesentlichen aus einigen 
oberflächlichen Vergleichen der Tikopia-Figu- 
ren mit solchen aus anderen Gebieten Ozea 
niens. Dabei kommt kaum etwas heraus, in 
welcher Hinsicht auch immer. Brauchbar sind 
die (von Firth selbst gesammelten) Angaben 
über die Herstellung der Spiele mit der Ter 
minologie von Tikopia. Daß — wie üblich in 
englischen Arbeiten — eine Anzahl wichtiger 
deutschsprachiger Beiträge zum Thema fehlt, 
ist kaum mehr verwunderlich. Erstaunlich ist 
eigentlich immer wieder, daß wir mit der 
Untersuchung bzw. der Auswertung von Fa 
denspielen noch keinen Schritt weitergekom 
men sind. Die Arbeit zeigt, daß ein halbes 
Jahrhundert ohne sichtbaren Fortschritt vor 
beigegangen ist. 
H. Fischer 
DAVID PITT: 
Tradition and Economic Progress in Samoa. 
A case study of the role of traditional social 
institutions in economic development. Ox 
ford: Clarendon Press. 1970. XI + 295 S., 
29 Tab. u. Diagr., 2 Ktn. 
Die Arbeit von David Pitt gehört in eine 
Reihe neuerer Abhandlungen, die der Theorie 
entgegentreten, die wirtschaftliche Entwick 
lung in unterentwickelten Ländern sei allein 
eine Resultante der ausländischen Investitio 
nen und der Überwindung der — ausschließ 
lich als entwicklungshemmend angesehenen — 
traditionellen sozio-ökonomischen Strukturen. 
In der polemischen Intention stimmt Pitts Buch 
mit seinem im selben Jahr erschienenen Gegen 
stück aus Ozeanien überein: R. F. Salisbury: 
Vunamami. Berkeley and Los Angeles 1970. 
(Vgl. die Einleitungen beider unabhängig von 
einander entstandenen Werke.) Pitt destruiert 
am Fall W-Samoas jene Theorie, indem er die 
Haltlosigkeit der Vorurteile, deren Verdich
	        
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