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Buchbesprechungen
Reise in diplomatischem Auftrag nach Westen
mit Ziel Afghanistan werden so unprätentiös
geschildert, daß die aufrichtige Tonart un
mittelbar für den Autor einnimmt, weil er
damit seinem Bericht zugleich Lebendigkeit
und Vertrauenswürdigkeit verleiht. Ohne ihn
im nachhinein zum Abcnteuerhelden heroisie
ren zu wollen, darf man angesichts der extrem
harten Umweltbedingungen und der völlig un
vorhersehbaren Begegnungen und Ereignisse,
in deren Erwartung die Reise unternommen
wurde, ungeschmälert von einer Bravourlei
stung sprechen.
Gerade weil er zeigt, was der einzelne im
Verlaß auf seine eigene Kraft und seine Fähig
keiten — die Kenntnis mehrerer Regional
sprachen oder auch nur von ein paar Redewen
dungen half in mancher kritischen Lage — auch
ohne obrigkeitlichen Geleitschutz oder kom
plette technische Hilfsmittel durchzustehen ver
mag, liest sich der eindrucksvolle Erlebnis
bericht zugleich als persönlicher Rapport von
der Selbstverwirklichung eines wdlensstarken
Menschen.
Dabei steht nicht der Berichterstatter selbst
im Blickpunkt; er ist vielmehr ein erlebend
mitbeteiligter Beobachter: als vorübergehend
untergetauchter Kriegsgefangener etwa unter
russischen Siedlern in Novosibirsk, oder ein an
dermal als unfreiwilliger Kumpan eines zwei
felhaften Räuberhauptmanns „weit hinten in
der Mandschurei“, vor allem aber als getreuer
Chronist von Vorfällen, Schicksalen und Le
bensgewohnheiten unter Menschen vielerlei
ethnischer Zugehörigkeit. Dabei entsteht ein
buntschillerndes Kaleidoskop von Szenen und
Gestalten, wie sie die Geschichte dieses be
wegten Raumes über die Jahrhunderte in ähn
licher Weise erfüllt haben müssen, ohne doch
in ihrer Gesamtheit mehr als nur eine Hinter
grundfolie in den Lehrbüchern zur asiatischen
Weltgeschichte abgegeben zu haben. Dafür,
ihnen in den Seiten seines Buches zu anschau
licherem Dasein verhelfen zu haben, werden
Ethnographen wie Historiker dem Reisenden
und Autor Waurick Dank wissen, aber auch
mancher jugendliche Leser, dem in unserem
Zeitalter des perfektionierten Reisekomforts
für einen geistigen Aufbruch in die unbe
kannte Ferne nur der Griff nach den Reise
berichten der Pioniere bleibt.
Magdalene von Dewall
SÜD- UND SÜDOSTASIEN
Hartmut Walravens (Hrsg.):
Kleinere Schriften von Berthold Läufer.
Teil 1: Publikationen aus der Zeit von 1894
bis 1910. Sinologica Coloniensia, Bd. 2.
Wiesbaden: Steiner. 1976. CXLVI + 1443
S. (i. 2 Bänden), 13 Fotos u. weitere Abb.
Der Wert dieser Sammlung ist bedeutend,
da Berthold Läufer zu den profiliertesten
Tibctologen gehört. Sein unerschöpfliches, na
hezu hellsichtiges Wissen auf dem Gebiet der
Philologie, Ethnologie und Folkloristik auch
Vorder-, Nord- und Ostasiens (besonders des
Amurgebietes) blieb uns in 490 Veröffentlichun
gen überlassen. Der Herausgeber hat der von
ihm getroffenen Auswahl nicht nur biogra
phische Angaben, sondern auch solche über
die von Läufer angelegte Materialsammlung
(Briefe und wissenschaftliche Notizen) voraus-
geschickt. Hilfreich ist dabei das Sachregister
zum Schriftenverzeichnis. Allein schon diese
Einführung verdient Anerkennung.
Zu Band 1: Läufer war vor allem auf dem
Gebiet der tibetischen Philologie ein Pionier,
dessen Erkenntnisse weithin ihre Gültigkeit be
halten und für die weitere Forschung oftmals
wegweisend sind, wenn er etwa in seiner Arbeit
„Über das va zur“ (S. 61—122) vermerkt,
daß diesem Zeichen von jeher eine Lautbedeu
tung zukommt, die sich in Zeiten zurückver
folgen lasse, da der monosyllabische Zustand
des Tibetischen noch nicht erreicht war. Das
folgende „Klu ’Bum Bsdus Pai Snin Po“ (S.
123—262) enthält ein reiches Glossar mit wert
vollen ethnographischen Angaben, z. B. zur
Irrigationstechnik in Tibet, und wird noch
lange Zeit neben unseren Wörterbüchern zu
Rate gezogen werden müssen. Das gilt auch
von der lexikographischen Ausbeute in den
„Studien zur Sprachwissenschaft der Tibeter.
Zamatok“ (S. 280—355), d. h. zu einem ortho
graphisch-grammatischen Werk des Zhva-lu-lo-
tsa-ba (16. Jh.). Erstaunlich ist in dem bei
gefügten Anhang die Erkenntnis Läufers von
der Realität der damals noch völlig unbe
kannten Sprache von Zhang-zhung. Heute
können wir aufgrund der inzwischen bekannt
gewordenen Bilinguen Begriffe wie mu-phya,
’od-dum oder mu-sang tatsächlich übersetzen.
Wiederum lexikographisch, insbesondere aber
phonetisch interessant ist schließlich „Ein Sühn
gedicht der Bonpo“ (S. 507—566), dessen Be-