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Buchbesprechungen
komplexen Sachverhalt plastisch zu erläutern
und darüber hinaus einen Beitrag zu liefern,
der die Übergangsphase von „Wildbeutern“
zu „Bodenbauern“ zeigt. In sachlicher Weise
diskutiert der Verfasser Einwände von Kol
legen zu dieser wichtigen Frage. Man wäre
froh, wenn diese sachliche Sprache auch von
anderen Kollegen, z. B. Jaques Lizot, ein
gehalten würde.
Mit dem sich anschließenden Kapitel V
„Zauberarzt und Krankenheilung“ (S. 305—
348), von Zerries geschrieben, zeigt der Ver
fasser seine umfangreichen Kenntnisse auf die
sem Gebiet. Hier wird die Stellung des Scha
manen im Gesamtkontext der Kultur ange
sprochen, die Ausbildung des Schamanen be
schrieben und die Beziehung zum Kosmos auf
gezeigt. Beeindruckend ist die Analyse der
Kultgesänge hekula.
Das Kapitel VI, „Die Sachgüter“ (S. 349—
427), von Schuster verfaßt, rundet die Dorf
monographie ab. Eine vom Thema her nicht
sehr ergreifende Problematik wird in anschau
licher Weise gut beschrieben und ausgezeichnet
von Ute Silz-Riebrandt zeichnerisch repro
duziert.
Die vorliegende Dorfmonographie zeigt die
ernsthafte Auseinandersetzung der Verfasser
mit der Problematik südamerikanischer Wald
landindianer und stellt ein wichtiges Doku
ment für unsere Wissenschaft dar. Man erhält
einen Gesamtüberblick über die Kultur eines
Indianerstammes des südamerikanischen Tief
landes. Der Rezensent, der die Schwierigkeiten
der Abfassung einer Monographie kennt, be
trachtet das vorliegende Werk von Schuster/
Zerries als Beispiel einer gut gelungenen Ar
beit. Das reiche Material — das dem Leser
eine Fülle neuer Kenntnisse vermittelt —
wurde systematisch und übersichtlich angeord
net, ohne dabei in trockenen Wissenschaftsstil
zu verfallen. Die Verfasser bemühten sich
vielmehr erfolgreich, auch den nicht fachkom
petenten Leser anzusprechen und sein Interesse
zu wecken, ein Bemühen, das von vielen neue
ren Veröffentlichungen nur allzusehr vernach
lässigt wird, aber gerade für unser Fach, in
dem es um das Verständnis anderer Menschen
und ihrer Kultur geht, meines Erachtens von
besonderer Bedeutung ist. Jürgen Riester
Meinhard Schuster:
Dekuana — Beiträge zur Ethnologie der
Makiritare. Ergebnisse der Frobenius-Expe-
dition 1954/1955 nach Südost-Venezuela.
Bd. 111. Hrsg. v. Otto Zerries. München:
Renner. 1976. 181 S., 86 Abb. auf 63 Bild-
taf., 86 Zeichn. i. T., 1 Karte.
Auf ihrer Expedition zu den Yanomamö
verbrachten die beiden Forscher O. Zerries
und M. Schuster auch über einen Monat bei
Makiritare-Gruppen, vorwiegend in dem Dorf
Yudinyamanya und dessen Umgebung. Statt
des Ausdrucks Makiritare setzt sich heute mehr
und mehr die Eigenbezeichnung Yekuana als
Stammesname durch, der bei der Südgruppe,
nach Schuster, Dekuana ausgesprochen wird.
Das Manuskript dieses Buches wurde 1968
abgeschlossen und stellt die Habilitationsschrift
des Verfassers dar. Man darf dem Herausgeber
danken, daß sie jetzt gedruckt vorliegt. Ein
größerer Teil des hier vorgelegten ethnogra
phischen Materials wurde nicht durch eigene
Feldforschung gewonnen, sondern stammt aus
dem Literaturstudium. In der „Einleitung“
behandelt Schuster u. a. die Forschungssitua
tion bis 1968. Danach bringt er unter der
Überschrift „Land und Volk“ geographische
Angaben und beschreibt die äußere Erschei
nung (Physis sowie Kleidung und Schmuck)
und das allgemeine Verhalten (Spiele, Verhal
ten gegenüber europäischen Besuchern und un
tereinander) der Dekuana. Anschließend be
spricht er die Beziehungen zwischen den Maki
ritare und den Schiriana sowie die kultur
geographische Orientierung dieses Karib-Stam-
mes und sein Verhältnis zu Venezuela, wobei
er insbesondere darlegt, auf welchen Wegen
und in welchem Umfang Zivilisationsgüter bis
1955 zu den Dekuana gelangten.
In dem Kapitel über die „Wirtschaft“ stellt
Schuster fest, daß „bei einem Flußvolk wie
den Makiritare natürlich der Fischfang eine
außerordentliche Rolle“ spiele (S. 41), überdies
bringt er Daten über die Pflanzung, die
Maniokverarbeitung, die Haustiere sowie Jagd
und Waffen. Auch geht er auf Jagdritual und
Speisevorschriften ein, wobei er u. a. betont:
„. . . überhaupt scheinen sich die Sphäre des
Tieres und die Sphäre des Weibes [d. h. der
Frau], die sich bei Jägervölkern oft so feindlich
gegenüberstehen, bei den Makiritare nicht ab
zustoßen . . .“ (S. 43).
Die beiden nächsten Kapitel über „Hand
werk und Gerät“ und den „Hausbau“ werden
durch die Abbildungen und die Bildtafeln her
vorragend ergänzt. Durch Vergleich mit den
Häusern anderer Stämme und den Angaben
älterer Forschungsreisender will der Verfasser
einen früheren Haustyp erschließen: „Schält
man also hypothetisch die Familienwohnungen
zunächst einmal aus dem Innengürtel heraus,
sc bleibt der Hauspfostenring übrig, durch