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Berichte und Kommentare
Anthropos 99.2004
als junge Frau zu sehen. Ein Kupferstich eines
Entwurfs dieses Gemäldes hat eine viel größere
Verbreitung als das Original gefunden. Da dieser
aber seitenverkehrt ist, nimmt eine andere, relativ
große Tasmanierin die Position von Trucanini ein
und wird fälschlicherweise als diese identifiziert
(Ellis 1981: 168).
Obgleich Cooks Tafel die neuseeländischen
Ethnographika seitenverkehrt wiedergibt, wird sie
in wissenschaftlichen Abhandlungen viel häufi
ger als ein Kupferstich Georg Försters gezeigt,
in dem die gleichen Objekte seitenrichtig abge
bildet werden. Den großen Bekanntheitsgrad von
Cooks Kupferstich bezeugt auch der Umstand, daß
niemand geringerer als der berühmte französische
Schriftsteller Jules Verne für die Illustration seiner
Werke auf diese Tafel zurückgreift. Der Gebrauch
dieses und anderer Faksimiles ist im Lichte von
Jules Vernes oftmals bekundetem Anliegen zu se
hen, seine Romane als Vehikel für die Vermittlung
von wissenschaftlichen Kenntnissen instrumentali
sieren zu wollen, um die Allgemeinbildung der Le
serschaft zu heben (Schifko 2002: 27). 7 Man darf
ihn zurecht als einen der prominentesten Vertre
ter der Literaturgattung des Wissenschaftsromans
bezeichnen (Evans 1988: 14; Schifko 2004a). 8 Da
von zeugen auch mehrere populärwissenschaftli
che Bücher zur Entdeckungsgeschichte der Erde,
die von ihm verfaßt wurden. 9 In einem dieser
Werke (“Die großen Seefahrer des 18. Jahrhun
derts”) und im Roman “Die Gebrüder Kip” ist ein
Faksimile (Abb. 4) eingefügt worden, das “Geräthe
und Waffen der Neuseeländer” (Verne 1881: 177)
zeigt. 10 Jedoch wird bei einem Vergleich mit dem
Originalkupferstich deutlich, daß in Vernes Illu
stration nicht nur Artefakte aus Neuseeland ge
zeigt werden, sondern auch zwei Objekte (die ver
größerte Speerspitze und die Panflöte) aufschei
nen, die einem anderen Kupferstich aus Cooks
Reisebericht entnommen wurden und in Wirklich
keit von den Freundschaftsinseln (Tonga-Archipel)
stammen. 11 Wenn man in Rechnung stellt, daß die
7 Jules Vernes dahingehende Äußerungen werden z. B. in
Dehs (2000: 53, 97) wiedergegeben.
8 Verne sprach von einem “roman de la Science” (Evans
1988: 18).
9 Allerdings wurde der Stoff für diese Fachbücher vom
Bibliothekar Marcel Gabriel zusammengetragen und von
Verne in ansprechender Form präsentiert (Dehs 2000: 96 f.)
10 In “Die Gebrüder Kip” steht “Waffen und Musikinstrumen
te der Neuseeländer” (Verne 1903: 80) als Bildunterschrift.
11 In Vernes längstem Roman, “Die Kinder des Kapitäns
Grant” (1977a), wird in einer Abbildung der fiktive Mao
ri-Häuptling Kai-Kumu gezeigt. Auch hier liegt, wie bei
Vemes Faksimile, ein “Kompositbild” vor. Es sind nämlich
zwei Abbildungen von Maoris, die in Ferdinand von Hoch-
Verwendung von Faksimiles in Vemes populärwis
senschaftlichen Sachbüchern insofern als sinnvoll
und berechtigt erachtet wurde, weil sie “Zitatcha
rakter” (Ries 1992: 254) hätten, so darf man sich
nicht scheuen von einer Dokumentenfälschung zu
sprechen.
Dieser kurze Beitrag macht auch deutlich, wie
sich bei Abbildungen Fehler sukzessive akkumu
lieren können. Die Tafel in James Cooks Reisebe
richt zeigt die Objekte seitenverkehrt und vermit
telt dadurch (ungewollt) den Eindruck, als hätten
die Maori aus einem seltenen “Schneckenkönig”
ein Signalinstrument hergestellt. Jules Verne über
nimmt in einer Abbildung nicht nur diese linksge
wundene Schneckenschale, sondern fügt in seinem
Faksimile auch noch Artefakte hinzu, die aus einer
ganz anderen Region Polynesiens stammen. Ange
sichts solcher Fehler wird besonders deutlich, wie
vorsichtig man bei der Auswertung von abgeleite
ten Quellen sein muß.
Ich möchte mich bei Prof. Luitfried v. Salvini-Plawen
(Inst. f. Zoologie, Wien), Prof. Hermann Mückler (Inst,
f. Ethnologie, Wien) und Dr. Ruth Kutalek für die
Durchsicht und Diskussion des Manuskripts bedanken.
Gleichfalls möchte ich mich bei Mag. Veronika Knoll,
Heinz Gratzer und Frank Suppan für ihre Unterstützung
beim Verfassen der Arbeit bedanken.
Zitierte Literatur
Agthe, Johanna
1969 Die Abbildungen in Reiseberichten aus Ozeanien als
Quellen für die Völkerkunde (16.-18. Jahrhundert).
München: Klaus Renner Verlag.
Dehs, Volker
2000 Jules Veme. Reinbek: Rowohlt.
Ellis, Vivienne R.
1981 Trucanini, Queen, or Traitor? Canberra: Australian In
stitute of Aboriginal Studies.
Evans, Arthur B.
1988 Jules Veme Rediscovered. Didacticism and the Scien
tific Novel. New York: Greenwood Press.
Gathercole, Peter
1976 A Maori Shell Trumpet at Cambridge. In: G. de G. Sie-
veking, I. H. Longworth, and K. E. Wilson (eds.), Prob
lems in Economic and Social Archaeology; pp. 187—
199. London: Duckworth.
stetters Buch “Neu-Seeland” (Hochstetter 1863: Fronti
spiz und 64) ebenso wie in einer französischsprachige 11
Zusammenfassung (Hochstetter 1865:280, 308) des Wer
kes gezeigt werden, zu einer einzigen Abbildung (Verne
1977a: 331) zusammengefügt worden (Schifko 2004b).