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Full Text: Anthropos, 102.2007

tendierte Machtallianzen 
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Bies rührt auch daher, dass Lévi-Strauss selbst, 
j^ le °ben gesehen, “künstliche” Verwandtschafts- 
rnten der Patenschaft oder Blutsbruderschaft als 
lanzbeziehungen theoretisch nicht weiterver- 
ied^ ^ nt § e § en seiner Intention legt Lévi-Strauss 
§ 0c h mit seiner begrifflichen Gleichsetzung von 
Wa gerschaft und Gevatterschaft, die er 1949 
Ur ^ r § lss t” zu erklären, nahe, es handele sich hier 
rat ^ c h wert ige Formen der Allianzbildung; Hei- 
u Un d Patenschaft. Lévi-Strauss ist sich nicht 
sei USSt ~ womöglich anders als die Akteure in 
s Piel 
oben erwähnten brasilianischen Fallbei- 
dass der von ihm verwendete französische 
griff “alliance” nicht nur Ehe und Verschwä- 
c ^ )? n §, sondern auch Patenschaft bzw. “unnatürli- 
^ ^ erwan ötschaft bedeutet. 32 
be t Un Verwun dert es nicht, in ethnologischen Ar- 
§le e [! ^ ^HnatürliGhe’’ Verwandtschaftsformen ver- 
Sin hSWeise selten unter dem Allianzaspekt im 
n 0 j e Levi-Strauss’ gedeutet zu sehen. Die Eth- 
Pat°^ nnen ’ etwa die bestdokumentierte Form 
pnsehaftfoher Beziehungen zumindest ansatz- 
d er ^ e . a |s Allianz interpretieren, bilden eine Min- 
' Bezeichnenderweise erfolgt diese In- 
4 Vl 6tation zumeist ohne expliziten Bezug auf 
~ l ' s trau SS ’ Allianztheorie, ein Umstand, den ich 
ther» nUr dadurch erklären kann, dass der kultur 
ell etls che Inhalt des Allianzbegriffes, die Idee 
Se s lnte ndierten verwandtschaftlichen Bündnis- 
U^genüber anderen, mittlerweile entleert ist 
v er d dgemein im Sinne eines Heiratsbündnisses 
re bs k ' en wird- Die inkonsequente allianztheo- 
v er e Berücksichtigung rituell und mimetisch 
he^^dtschaftlicher Beziehungen hat sich bis 
te tilg ' Um verändert, weshalb sich hier, wo ih- 
b este 0re tische Berücksichtigung eigentlich am 
Me ^ raöglich sein sollte, ein ähnliches Bild 
bi et ^ er allgemeinen Verwandtschaftsethnologie 
Wa n ^ Plädiere dafür, jedwede Form von Ver- 
v 0n Sc ^ a B als Allianz zu verstehen, den Begriff 
lnern begrenzten semantischen Inhalt der 
fr anz ance weist nach Sachs-Villatte, “Enzyklopädisches 
bu C h,? SlSc h-de u ts c h es und deutsch-französisches Wörter- 
tej- 3 .(Berlin 1963: 28), sechs Bedeutungen auf, wobei un- 
ru^g), P are nté” neben “Verwandtschaft” und “Verschwäge- 
Ve rvv aUc * 1 di 6 figurative Verwendung “spirituelle geistige 
fr^ n „ a , n ^ tSc haft” aufgeführt wird. S. a. “Trésor de la langue 
( 1789 1S f' ^'efionnaire de langue du XIX e et du XX e siècle 
ce” ün ;l%0)” (Paris 1973/2: 564). Dort wird unter “allian- 
^ n § a be einer Quelle von 1882 auch die “Alliance 
'e Y er 6 ’ durch Taufpatenschaft entstehende spiritu- 
ell, 
uT Ver wandtschaft angeführt. 1074- vgl. 
1 968; Esleva ,970; Chock 1974, Coy 19/4. s 
Var ado 2006; 141-168. 
H 
r °Po s 
(02.2007 
Heirat und Verschwägerung auf Formen sozia 
len Verhaltens auszuweiten, die sich funktional 
und beziehungsbegrifflich an emisch als “ver 
wandtschaftlich” verstandenen Praktiken orien 
tieren. Rituelle und mimetische Verwandtschafts 
praktiken gelten den Beteiligten gemäß ihres 
emischen Verständnisses verwandtschaftlicher Be 
ziehungen in ihrer Handlungs- und Denkpraxis als 
“wirkliche” (Alvarado 2006). Die Untersuchung 
der scheinbar “unnatürlichsten” Allianzbande wie 
z. B. die der Patenschaft zeigt sozusagen vom 
Rand aus die allgemeine Bedeutung verwandt 
schaftlicher Praxis insgesamt auf. Schon weil sich 
die sogenannte künstliche Verwandtschaft termino 
logisch an die “natürlicheren” Allianzformen kon- 
sanguinaler/affinaler Verwandtschaft anlehnt, ver 
weist sie auf deren soziale Wirkmacht. Zugleich 
verhindert ihre Interpretation als gleichwertige Al 
lianzen, die graduell verschiedenen Formen zu 
hierarchisieren. 
Insofern gilt es auch die “natürliche” Ver 
wandtschaft als konsanguinale Allianz zu verste 
hen. Ihre Differenz zu den weiteren liegt dar 
in, dass die möglichen Verbündeten prinzipiell 
vorgegeben sind, sie kommen einem “Pool” an 
potentiellen Verbündeten gleich. Hier entschei 
det sich erst in der Praxis, ob sie ihr Bündnis 
in die Handlungstat umsetzen oder ob es sozial 
wirkungslos bleibt, wodurch sich die “natürli 
che” Beziehung entfremdet. 34 Da auch blutsver 
wandtschaftliche Bande, um aktualisiert zu wer 
den, auf konvergierten Machtinteressen beruhen, 
stellen sie eine intendierte Allianz insoweit dar, 
als sie zwar nicht freiwillig etabliert, aber frei 
willig aufrechterhalten werden, indem ihnen an 
dauernd Bedeutung gegeben oder entzogen wird. 
Sozial entscheidend ist das anhaltend konvergie 
rende Machtinteresse von Individuen, das Alli 
anzfunktionen erzeugen kann. “Natürliche” Ver 
wandtschaft bedeutet nicht viel, wenn die gesell 
schaftlich als “verwandt” definierten Individuen 
in ihren Machtinteressen divergieren. Die poten 
tielle Allianzfunktion verwandtschaftlich gestalte 
ter Beziehungen gilt es immer wieder zu aktua- 
34 So haben etwa Lomnitz und Perez-Lizaur zeigen können, 
wie Blutsverwandte trotz der virulent geforderten Solida 
rität unter Verwandten ihren emisch anerkannten Verwandt 
schaftsstatus verlieren, sie aktiv aus “der” Familie aus 
geschlossen werden, wenn sich ihre Machtinteressen von 
denen der Familienpatrone unterscheiden. Ihr sozialer Aus 
schluss geschieht z. B., indem sie nicht mehr zu Familien 
feiern eingeladen werden, “with the result that such indi 
viduals disappear from the kinship map of younger family 
members” (Lomnitz and Perez-Lizaur 1987: 144; s. a. 87, 
143 ff., 190).
	        
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