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Berichte und Kommentar 6
Abb. 1: Der Comte/ de Morangies mit einer aufgemalten Maori-
Gesichtstätowierung (Standbildaufnahme aus Die Bestie der al
ten Berge [2003]; Le Sabre-RTBF-K2).
das sich der Comte de Morangies immer dann auf
malt, wenn er seinem triebhaften Drang zum Tö
ten nachgibt. Somit greift ein perverser Sadist, der
“barbarische Morde begeht, die jedem Sittengesetz
spotten” (Die Bestie der alten Berge 2003), aus
gerechnet bei der Durchführung seiner schändli
chen Taten auf eine für die Indigenen Neuseelands
sehr bedeutungsvolle kulturelle Manifestation zu
rück. Die Tätowierungen, welche man sogar schon
als das “most characteristic race-emblem of old
Maoridom” (Cowan 1921: 245) bezeichnet hat und
deren Anbringung ein tabuisierter Akt war, sind
von den Maori nämlich mit Prestige und Würde
in Verbindung gebracht worden. Männer deren Ge
sicht kein moko aufwies, wurden in früheren Zeiten
als “nackt” angesehen (Cowan 1910: 189f.). Ein
weiterer Hinweis auf die immense Bedeutung, die
diesen Tätowierungen in den Augen der Maori zu
kam, liegt ebenso in Form einer alten Prophezeiung
vor, die zumeist als Hinweis für den zukünftigen
Niedergang ihrer eigenen Kultur gedeutet wurde:
“Behind the tattooed face, a stranger Stands. He will
inherit this world - he is white” (Te Rangi 1962:
537). 4 Hierin wird deutlich, welch hohen Stellen-
4 Er bietet auch eine weitere, weniger düstere Auslegung des
ursprünglichen Maori-Textes an (Te Rangi 1962: 537).
wert die Gesichtstätowierung eingenommen haben
muss, wenn sie als pars pro toto in der besagte 11
Weissagung für die gesamte Maori-Kultur stehe#
kann.
Entgegen dieser pessimistischen Prophezeiung
hat die Maori-Kultur bis heute überdauert und # r '
lebt zur Zeit sogar eine bemerkenswerte RenafS'
sance, die sich insbesondere im Wiederaufleben
Tätowierungen manifestiert. Zwar werden die of'
namentalen Muster nicht mehr mit traditionell# 11
Instrumenten, sondern mit westlichen Tätowiert##'
schinen angebracht, doch gelten sie noch imtn# f
als sichtbares Symbol einer Maori-Identität (Gath'
ercole 1988: 171) und das moko wird von den In^ 1 '
genen Neuseelands geradezu als Verkörperung
rer Kultur wahrgenommen (Gathercole 1988: l^k
Von einer besonderen Wertschätzung zeugen au#
Aussagen heutiger Maori wie z. B.: “Mein mo
steht für Mut, Tapferkeit und Schlauheit” oder “F llf
viele von uns bedeutet die Wiedergeburt von mok 0,
daß wir unsere rangatiratanga (Souveränität)
wahrnehmen” und “Ich bin stolz darauf und hon ’
mehr Maori mit moko zu sehen” (Neleman 19“' 1
127-129). Manche von ihnen bringen dieser k#
turellen Manifestation eine derart große Ehrfut#
und Achtung entgegen, dass sie sich sogar g#S ß
das Anbringen eines Gesichts-mo&o aussprech# 11 ’
da das Tragen eines solchen immer noch tapd ( ta
bu) sei (Neleman 1999: 127). Aus ähnlichen Grü^
den wehrt sich auch die bekannte Maori-Säng# 1 ^
Moana Maniapoto in einem ihrer Lieder 5 g#£
die, aus ihrer Sicht, nivellierende und trivialisi# re
de Gleichsetzung des moko mit einem westli# 11
Tattoo. . ^
Es wäre daher nicht sonderlich verwundern ’
wenn sich die Maori bei Kenntnis der Filrnhnn^
lung darüber empört zeigen würden, dass in ei# .
europäischen Spielfilm das moko ausschli#' 5 1 ^
in Verbindung mit einem Mörder gebracht
der “Verbrechen begeht, die eine Schande fhf
Menschheit” (Die Bestie der alten Berge 2003) ^
stellen. Bezeichnenderweise haben manche
ne Neuseelands z. B. auch schon ihren Unmut
über geäußert, dass ausgerechnet der wegen V#
waltigung verurteilte Boxweltmeister Mike
sich auf das Gesicht eine Tätowierung hat an
gen lassen, deren Gestaltung unverkennbar arl ^
ditionelle Maori-Muster angelehnt ist (Anoity
2Ö03). ^
Im Spielfilm kommt es durch das Tragen ^
Gesichts-mo&o des sadistisch veranlagten Com 1 g
Morangies zu einer unglücklichen Gleichs#;
von psychopathischem Verhalten mit einem 1
5 Lied “Moko” aus dem Album “Moana” (2003).
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Anthropos