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Buchbesprechungen Afrika
Eigenheiten zu erfassen und ihren Stellenwert im Sozial
system der Ethnien, bei denen die Institution anzutreffen
ist, herauszuarbeiten.
Ein interethnischer Vergleich am Ende der Arbeit, in
dem die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Gynae-
gamie bei den verschiedenen Ethnien zusammenfassend
aufgezeigt werden, läßt zudem eine Einteilung der
Gynaegamie in eine levirale Form (die Frau heiratet und
zahlt den Brautpreis im Namen eines männlichen Ver
wandten) und eine autonome Form (die Frau heiratet
und zahlt den Brautpreis im eigenen Namen) gerechtfer
tigt erscheinen.
Das letzte Wort über die Gynaegamie ist damit noch
nicht gesprochen. Vielmehr fordert die vorliegende Ar
beit weitere Untersuchungen zum Thema geradezu her
aus. Dem Forscher vor Ort, der in diesem Fall gefragt ist,
wird Tietmeyers Abhandlung sicherlich von Nutzen sein,
nicht zuletzt durch die Liste offener Fragen, die in jedem
Kapitel angeführt sind, und die im Anhang wiedergege
bene Übersicht über die Primär- (mit Aufenthaltsanga
ben) und Sekundärliteratur, die zur Gynaegamie bei den
einzelnen Ethnien bisher zur Verfügung steht.
Iris Hahner-Herzog
Thiel, F. J., Agthe, Johanna,
Strauss, Karin,; Wembah-Raschid,
J. und Olouch, Joseph H.:
Ehe die Gewehre kamen. Traditionelle Waf
fen in Afrika. Frankfurt a.M.: Museum für
Völkerkunde, 1985 (Roter Faden zur Aus
stellung, Nr. 8), 312 Seiten und zahlreiche
Abbildungen und Zeichnungen.
Agthe, Johanna und Strauss, Karin:
Waffen aus Zentral-Afrika. Frankfurt a.M.:
Museum für Völkerkunde, 1985 (Afrika
Sammlung, Nr. 2), 388 Seiten mit zahlrei
chen Schwarzweiß-Abbildungen und Zeich
nungen.
In den letzten Jahren scheint das Interesse an traditionel
len afrikanischen Eisengegenständen (wie Werkzeuge,
Musikinstrumente und zumal Waffen) ständig zu wach
sen. In den USA und Europa wurden zu diesem Thema
schon mehrere Ausstellungen organisiert. Ohne Zweifel
verdienen diese Eisenprodukte, sehr oft erstaunliche Lei
stungen der »primitiven« afrikanischen Schmiede, diese
erneute Aufmerksamkeit völlig.
Die zwei neuen Veröffentlichungen des Frankfurter Mu
seums für Völkerkunde unterstreichen das nochmals in
überzeugender Weise. 1985 wurde eine Ausstellung über
die zentralafrikanischen Waffen des Museums eingerich
tet. Der erste Band, Ehe die Gewehre kamen, mit einem
Vorwort von Dr. J. F. Thiel, ist ein sehr lesenswertes
Buch mit drei Kapiteln über die traditionelle Rolle der
Waffen (bei der Jagd, im Kampf und im Sozialleben) bei
einigen Völkern: den Kanem-Bornu und Baghirmi in der
Nähe des Tschad-Sees, den Azande und den Maasai.
(Ein kurzes viertes Kapitel, von Joseph H. Oluoch, Arzt
in Nairobi, beschreibt die Behandlung von Kampfwun
den bei den Samburu in Kenia. Er zeigt hier unter
anderem, wie wichtig die Kenntnisse über Kräuter und
Pflanzen sind.) Ohne daß es sich in den drei ersten
Kapiteln um primär wissenschaftliche Beiträge handelt,
die unsere Kenntnisse über oder unseren Begriff von der
Rolle der Waffen bedeutend vermehren, kann man diese
Essays lesen als sehr interessante und einleuchtende Ver
suche, um die Waffen nicht nur als ästhetisch oft sehr
befriedigende Artefakte, sondern auch als wichtige, im
sozial-kulturellen Leben der Völker unentbehrliche
Hilfsmittel zur Existenzsicherung (kriegerisch und wirt
schaftlich) zu sehen. Das wird zumal deutlich in Johanna
Agthes Kapitel über die Waffen der Azande (»Für Jagd
und Heirat: die Waffen der Azande«, pp. 133-237). Bei
den Azande z. B. wurde der Brautpreis jeweils in Spee-
ren bezahlt, und man konnte sie auch als Kompensation
für Vergehen benutzen. Karin Strauß, in ihrem Beitrag
über »Waffen in Kanem-Bornu und Baghirmi« (pp.
39-131), hat sich mehr darauf beschränkt, gegen den
historischen Hintergrund, die Anwendung der Waffen in
Krieg, bei Verteidigung und bei der Sklavenjagd zu
beschreiben. Beide Kapitel sind ausgezeichnet in der
Beschreibung der Waffen, und außerdem sind beide
reichlich mit Fotos und Illustrationen versehen. Allein
schon auf Grund dieser hervorragenden Auswahl des
Bildmaterials wäre dieses Werk sehr wertvoll. Beide
Autoren zeigen aber auch auf gute Weise, wenn auch
ziemlich fragmentarisch, wie die Waffen in Kanem-Bor
nu und Baghirmi (beide entwickelte, vom Sklavenjagd
und -verkauf abhängige Reiche) und bei den Azande (ein
Königreich, das viele Randvölker eroberte und teilweise
aufnahm) innerhalb der Gesellschaft gebraucht wurden.
Agthe beschreibt dabei auch noch die Waffen der Mang-
betu, Mamvu, Boa und Aka, im Regenwalde lebende
Völker in der Nähe der Azande.
Nützlich und teilweise sich stützend auf neue Daten ist
das Kapitel von J. Wembah-Rashid vom Nationalen Mu
seum Tansania über die Maasai. Der Autor gibt (nach
einer Einleitung über Identität, Gesellschaft und natürli
che Umgebung) eine der ersten, wenn auch ziemlich
kurzen, mehr systematischen Übersichte der Maasai-
Waffen (Speere, Schilder, Keule, Pfeile und Bogen,
Messer).
Das zweite Buch, Waffen aus Zentral-Afrika, ist der
begleitende Katalog der Ausstellung und zeigt haupt
sächlich die mehr als 300 Objekte in guten Schwarzweiß-
Fotos und Zeichnungen (insgesamt besitzt das Museum
etwa 1000 dieser Objekte). Dabei werden auch der Name
der Ethnie und die Abmessung der Waffen angegeben,
während später (p. 274f.) eine mehr ausführliche Be
schreibung, Herkunftsangabe und Literaturhinweise zu
finden sind.
Als Übersichtskatalog und daher als Quelle ist es ohne
Zweifel ein ausgezeichnetes Werk. Am Beginn dieses
Teils wird eine Typologie der Jagd- und Kriegswaffen
und der Verteidigungsmittel gegeben, welche dann nach
her in der Einführung von Johanna Agthe und Karin
Strauß (pp. 15-38) ausgearbeitet wird. Hier wird eine
elementare aber detaillierte Beschreibung der verschie
denen Waffentypen und der technischen Aspekte von
Anfertigung und Gebrauch präsentiert.
Veröffentlichungen wie diese bringen natürlich immer
auf peinliche Weise in Erinnerung, daß es keine Möglich-