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Buchbesprechungen Allgemein
Das freilich ist eine Theorie, die historisch nicht zu ver
allgemeinern ist, denkt man z. B. an die präkapitalistische
fast bruchlose bäuerliche Arbeitsgerätekultur oder an die
der Handwerker bis zum Zeitpunkt der Gewerbefreiheit.
Die Bevorzugung US-Amerikas in neuer und neuester
Zeit hat solche Fragen so gut wie ausgeschlossen. Die
Einbeziehung Europas in den ganzen Problemkreis, den
P. darlegt, müßte dann freilich eine erweiterte theoreti
sche Basis haben, wenngleich das amerikanische Beispiel
brauchbare und wesentliche Einblicke in eine ausschließ
lich von kapitalistischen Prämissen bestimmte Erfor
schung materieller Kultur vermittelt.
Wolfgang Jacobeit
Raabe, Eva Ch. (Hrsg.):
Mythos Maske - Ideen, Menschen, Weltbil
der. Roter Faden zur Ausstellung, Bd. 19.
Frankfurt/M.; Museum für Völkerkunde,
1992. 293 Seiten mit Fotos
Eva Ch. Raabe, Kustodin der Ozeanien-Abteilung des
Museums für Völkerkunde Frankfurt am Main, veröf
fentlicht im vorliegenden Band einen gelungenen
Überblick über die komplexe Welt der Maske. Masken
finden wir rund um den Erdball in vielfältigen Erschei
nungsformen. Sie zeugen von den frühesten Kulturäuße
rungen der Menschheit, wie zahlreiche archäologische
Funde belegen.
Betrachten wir die Maske in ihrem Verwendungszusam
menhang, so stoßen wir auf derart unterschiedliche
Zweckbestimmungen, daß uns die Einordnung fast
unmöglich wird.
Masken in ihrer nicht überschaubaren Funktionsfülle
»sollen abschrecken, beschützen, helfen, Recht sprechen,
Krankheiten heilen, geistige Kräfte von Toten bewahren,
Fruchtbarkeit garantieren, Initiationen vollziehen, magi
sche Beeinflussung von Naturkräften ermöglichen
u.a. m.« (Ebeling, 1987). Daher ist es völlig unmöglich,
etwa eine Theorie der Maske zu begründen. So gesehen,
muß anerkennend gesagt werden, daß Eva Ch. Raabe und
den Co-Autoren ein akzeptables Werk gelungen ist. Und
das nicht zuletzt deshalb, weil sie sich in akribischer
Weise mit den Herstellern und Trägern von Masken, also
mit den betroffenen Menschen auseinandersetzten. In
jedem Aufsatz des Bandes wird deutlich, aus welchen
Gründen von dieser oder jener Menschengruppe Masken
gefertigt und getragen bzw. getanzt werden.
Von besonderer Bedeutung erscheint es mir, daß in fast
jedem Aufsatz zwei Themen behandelt werden, die man
in diesem Zusammenhang nicht unbedingt erwartet; 1.
die Krisenbewältigung mit Hilfe von Masken und 2. das
Aufeinanderprallen von Menschen verschiedener Wirt
schaftsformen, Kulturen, Sprachen usw., was in den mei
sten Fällen bei Alteingesessenen zu Krisen führt.
So werden in diesem Buch dankenswerter Weise nicht
nur die üblichen Kultmasken indigener Völker beschrie
ben und gedeutet, sondern auch die Arbeits- und Tanz
masken der modernen Zivilisationsgesellschaft: Ärzte -
Schweißer - Taucher, Fasching - Fastnacht - Karneval.
Aber auch bei Naturvölkern erfuhren die Masken einen
Wandel von der Verkörperung transzendenter Wesen zur
Identitätsstiftung, z. B. bei den Irokesen.
Gerade durch den modernen Bezug ist dieser Band für
den Laien interessant und lesenswert.
Weiterführende Literatur:
Seiler-Baldinger, Annemarie:
Wer immer sich mit fremden, gar unbekannten Textilien
befaßt, kommt ohne zwei Standardwerke nicht aus: Irene
Emery’s The Primary Structures of Fabrics (Washington
1966, 2. Auflage 1980) und Annemarie Seiler-Baldingers
Systematik der Textilen Techniken (Basel 1973, Neuauf
lage 1991). Daß ein dringender Bedarf an solchen umfas
senden, systematischen Abhandlungen über Textilien be
steht, zeigt die im Vorwort des letztgenannten Werks
erwähnte Tatsache, daß das Buch mehrmals nachgedruckt
werden mußte, bevor sich die Autorin kürzlich zu einer
völligen Überarbeitung entschloß.
Die beiden Systematiken gehen, wie schon die Titel zei
gen, von unterschiedlichen Ansatzpunkten aus: Emery
nimmt die Struktur des fertigen Gewebes als Grundlage
und erlaubt auf diese Weise eine Verständigung über
jeden beliebigen, auch gänzlich unbekannten Stoff. Sei
ler-Baldinger ihrerseits geht vom Prozeß der Entstehung
des Gewebes aus; Bindungsformen und ihre Herstellung
bilden die Grundlage, wobei die Systematik vom Einfa
chen zum immer Komplexeren fortschreitet. Die Techni
ken der Fadenbildung - als Grundlage für die Gewebe -
und der Stoffverzierung und -Verarbeitung - sind in diese
Systematik integriert, während sie bei Emery zwar
behandelt werden, aber nicht wirklich Bestandteil ihrer
Systematik sind.
Seiler-Baldinger hat den eigentlich ethnologischen
Ansatz, denn ihrer Arbeit liegt ursprünglich die Notwen
digkeit zugrunde, die vielen, durch Feldforschungen
bekannt gewordenen textilen Techniken in eine befriedi
gende Ordnung zu bringen. Sie konnte dabei aul die von
Alfred Bühler und Kristin Bühler-Oppenheim gelegten
»Grundlagen zur Systematik der gesamten textilen Tech
niken« (Die Textilsammlung Fritz Ikle-Huber, Zürich
1948) aufbauen.
Grundsätzlich hat sich an der Systematik der textilen
Techniken in der Neuauflage nichts geändert: Sie beginnt
wie in der ersten Auflage mit den Techniken der Faden
bildung und führt dann weiter über Stoffbildung mit nur
einem Faden (wie Verschlingen, Verknoten, Stricken,
Häkeln) zur Stoffbildung mit Fadensystemen (wie Flech
ten und Weben) und den Techniken der Stoffverzierung
Ebeling, I.:
1987 Masken und Maskierung. Kult, Kunst und Kos
metik. Köln
Levi-Strauss, C.:
1977 Der Weg der Masken. Frankfurt am Main
Lommel, A.:
1981 Masken - Gesichter der Menschheit. Stuttgart
Martin. H. E. R.:
1984 Masken. München
Willy Schroeter
Systematik der Textilen Techniken. Basler
Beiträge zur Ethnologie, Bd. 32. Basel; Wepf
+ Co., 1991. 290 Seiten