TRIBUS 43, 1994
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Fachwissenschaftlichen Wert erwirbt sich das Buch
durch die Niederschrift oraler Traditionen einer Kultur,
die keine Schrift hatte. Weiterhin zeichnet es sich durch
die Transkription der Texte in äthiopischen Schriftzei
chen aus, die - anders als in vielen anderen Sammlungen
mündlicher Literatur - nicht nur im Anhang als Quellen
material fungiert, sondern vielmehr dem Kapitel der fran
zösischen Übersetzungen vorangestellt ist. Das Verdienst
des Werkes für die Gamo liegt darin, daß auch ihrer
mündlichen Literatur durch deren Aufzeichnung und
Hinterlegung der Originale der Niederschriften im Insti
tut für äthiopische Studien in Addis-Abeba Bedeutung
zugesprochen und ihre Kultur dadurch aufgewertet
wurde. Durch seinen Inhalt und seine Vorgehensweise -
Erzählungen fremder Kulturen, denen ethnologische
Erläuterungen vorausgehen - ist dem Werk breitere
Öffentlichkeit zu wünschen.
Karin Guggeis
Röschenthaler, Ute:
Die Kunst der Frauen: zur Komplementarität
von Nacktheit und Maskierung bei den Ejag-
ham im Südwesten Kameruns. Berlin: Verlag
für Wissenschaft und Bildung. 1993. 287
Seiten, 43 Abbildungen und ein Schema im
Text, 29 Abbildungen auf Tafeln, 1 Tabelle
und 2 Karten
Die Autorin weilte 1987 und 1988 neun Monate bei den
Ejagham im Cross-River-Gebiet beiderseits der Grenze
Nigeria-Kamerun und besuchte die Unterethnien Obang,
Keaka/Ngunaya, Ekwe/Njemaya und Qua. Das dabei
gesammelte reiche Faktenmaterial wird außerdem
ergänzt durch die Auswertung umfangreicher Literatur,
von Materialien der Archive der Basler Mission und der
Staatsarchive in Yaounde und Buea sowie von Völker
kundemuseen in Berlin, Leipzig, London und Oxford.
Erarbeitet wurde kein herkömmliches Buch über Kunst,
auch kein tendenziell feministisches, denn nach einem
sehr konstruierten Einleitungsbeginn zum Thema Frau
und Kunst in Afrika und zur Zuordnung von abstraktem,
geometrischem und figürlichem Stil zur Frauen- bzw.
Männerwelt wird alles relativiert und thematisch konkret,
indem mit der Kunst der Ejagham-Frauen gezeigt wird,
»auf welche vielschichtige Weise die Bereiche der Frauen
und Männer und ihre Kunst miteinander verwoben sind«
(S. 12) und daß es sinnvoller erscheint, »die Kunst von
Männern und Frauen stärker in ihren Kontext einzubezie
hen und auch mit anderen Bereichen zu kontrastieren«
(S.257). Die Autorin legt eine kunstsoziologisch und
kunstethnologisch orientierte Arbeit vor, deren großer
Wert sicherlich auch in ihrer Zeitbezogenheit und damit
historischen Aussagefähigkeit gerade für die 2. Hälfte der
80er Jahre liegt. Dazu ist die Untersuchung und Darle
gung des Bundwesens der Ejagham unabdingbar gewe
sen. Welche Dynamik in diesem bisher bei weitem noch
nicht gut erforschten Komplex besteht, wird durch die
Arbeit ersichtlich. Gleichzeitig wird aber auch erkennbar,
wie dieses Gebiet theoretisch innerhalb der Ethnologie
vernachlässigt wurde, da die Autorin völlig berechtigt
den veralteten Begriffsapparat teilweise beiseite legt,
aber auch nur mit Übergangslösungen wie beispielsweise
»kaufbare Bünde« (S. 14) Abhilfe schaffen kann.
Das Bundwesen wird sicherlich auch das Thema sein,
weswegen mancher die Arbeit zur Hand nehmen wird.
Sehr viele Museen besitzen Sammlungen im Zusammen
hang mit diesem und in den wenigsten Fällen dazu aus
führliche Angaben. Diese interessante Region bietet
heute noch eine Fülle von Problemen, so daß das Ergeb
nis jeder Reise in dieses klimatisch auch sehr anstren
gende Gebiet fast ungeduldig erwartet wird.
Zur Forschungspraxis schildert die Autorin selbst: »Es
bereitete den Ejagham, mit denen ich gesprochen habe,
manchmal Schwierigkeiten, den Zweck meines Aufent
haltes bei ihnen zu verstehen: Unternahm ich diese müh
same Reise nur, um zu erfahren, was ohnehin jeder wis
sen kann? Ich würde sicher geheimes Wissen
herausfinden wollen, um es in Europa teuer zu verkau
fen« (S. 9). Die Autorin respektiert diese Sorge der Ejag
ham. Aber dem Rezensenten erscheinen manche Antwor
ten von Informanten innerhalb dieses Rahmens eines
scheinbar ganz allgemeinen Wissens. Aber auch das kann
der Wandel in den letzten fünfzig und mehr Jahren
bewirkt haben.
Die Arbeit ist mit detaillierten Angaben in der Ejagham-
sprache (ohne Tonzeichen) und einem entsprechenden
Register versehen. Die Autorin bietet ebenso ausführli
che und wichtige semantische Auslotungen der für die
Untersuchung wichtigen Begriffe Arbeit, Handwerk und
Kunst in verschiedenen Beziehungen.
Wenn der Rezensent bedauert, daß in der ein geschlosse
nes Ganzes mit wertvollen Ergebnissen bildenden Arbeit
die Ästhetik der Kunst der Ejagham leider trotz reicher
Illustration nur wenig anklingt, so sei ihm der aus
blickende Wunsch gestattet, daß die Autorin ihr sicher
lich dazu zur Verfügung stehendes Material auch darbie
ten, überhaupt, daß sie ihre Arbeit weiterhin diesen
Ethnien und dieser Region widmen möge.
Eine technische Bemerkung; Der umfangreiche Fußno
tenapparat dient mit reichem Faktenmaterial mehr als
dem Quellennachweis. Leider ist es dabei zu fehlenden
Literaturangaben im Verzeichnis (Bouchaud, Hackett,
Murray) und einer divergierenden Zeitangabe (Ebot)
gekommen.
Peter Göbel
Tafla, Bairu:
Ethiopia and Austria. A History of their
Relations. Äthiopische Forschungen Band
35. Wiesbaden: Harrassowitz, 1994. 426 Sei
ten.
Die Geschichte Äthiopiens in bezug auf seine
internationalen Beziehungen war bisher unvollständig
beschrieben worden, so auch insbesondere die Relation
zu Österreich. Bairu Tafla hat diese Lücke mit seinem
Werk geschlossen und ausführlich die Beziehungen zwi
schen Äthiopien und Österreich von ihren Anfängen bis
zur Gegenwart dargelegt. Er behandelt alle Aspekte der
Verbindungen beider Länder von 1852 an, dem Jahr der
offiziellen Kontaktaufnahme, bis 1988, dem Redaktions
schluß.
Seine Auswertungen stützen sich auf Quellenmaterial aus
offiziellen Archiven in Österreich und Deutschland sowie