Buchbesprechungen Amerika
Gramly, Richard Michael:
The Richey Clovis Cache: Earliest Ameri-
cans Along the Columbia River. Buffalo,
New York: Persimmon Press. 1993. 69 Sei
ten, SW-Fotos, Zeichnungen
Mit »Cache« wird in der amerikanischen Urgeschichts
forschung ein Versteck- und Vorratsdepot bezeichnet.
Sofern diese Caches Clovis-Artefakte enthalten, reichen
sie bis in die (archäologisch gesicherte) früheste Besiede
lung des amerikanischen Kontinents zurück, das heißt
12-13 000 Jahre. Vieles spricht dafür, daß diese Phase
nicht der Beginn der Ersten Amerikaner gewesen sein
kann. Caches sind deshalb für die amerikanische Archäo
logie so bedeutsam, weil sie - sofern ungestört - oft ver
schiedenartiges Steinwerkzeug in intentionell geschütz
ter Lage enthalten, das Aufschlüsse über kulturelle
Zusammenhänge der paläoindianischen Gruppierungen
und Einwanderungsrouten in den jungfräulichen Konti
nent geben kann.
Das Richey Clovis Cache (Depot) und damit die gesamte
East Wenatchee Clovis-Station (Staat Washington) wurde
1987 von Obstgartenarbeitern entdeckt. Seit 1988 wird
auf dem Areal gegraben. Wie der Name des Fundplatzes
bereits sagt, wird er der Clovis-Periode zugerechnet. Bis
jetzt ist die gesamte Ausdehnung besagter Station noch
nicht bekannt. Die Ausgrabungskampagne soll bis zum
Jahr 2007 dauern. Gramly versteht denn auch seine Publi
kation als Teil eines Vorberichtes über die Fundstelle.
Zum Inhalt des Buches: Nach Danksagung und Vorwort
folgt eine gut vierseitige Beschreibung des Richey Clovis
Caches, in die der Autor die Entdeckungsgeschichte des
Depots ebenso einschließt wie die mit neuesten wissen
schaftlichen Methoden erarbeiteten archäologischen
Funde und Befunde. Erstere werden auf 11200 v. h.
datiert. Sie bestehen aus Knochen- und Steinartefakten.
Insgesamt enthielt das Cache, das gleichbedeutend mit
der erstentdeckten Fundstelle des Areals ist und von
Archäologen auf einer Grundfläche von 1,1 x 1,5 m aus
gegraben wurde, 57 großformatige Steinartefakte, viele
davon in der Tradition gekehlter Clovis-Spitzen herge
stellt. Neben diesen besteht das Ensemble aus Zweisei
tern in Form von Messern, Klingen, kleinen Beilen sowie
gekehlten Rohformen für Spitzen und Werkzeuge. Dar
über hinaus lieferte das Cache mehrere hundert kleine
Steinabschläge und Knochenfragmente. Eine weitere
Grabung einige Meter östlich der ersten Fundstelle
brachte einen großen Schaber und eine Klinge sowie etli
che Abschläge ans Tageslicht. Menschliche Skelettreste
wurden nicht gefunden. Die teilweise Größe der Steinob
jekte hat rituellen Gebrauch vermuten lassen, was aller
dings angezweifelt wird, denn Gebrauchsspuren und
Blutreste weisen - laut Verfasser - auf rein profane
Benutzung der Artefakte hin, wie Jagd und das an-
chließende Schlachten der Beute. Die erwähnten Spuren
von Blut an etlichen Objekten zeigen Bison, Karibu und
andere Cerviden, Hase und Kaninchen als Jagdtiere an.
Auch Menschenblut wurde entdeckt.
Außer Steinartefakten enthielt das Richey Clovis Cache
14 Schälte aus Mastodon- und Mammutknochen mit
einer durchschnittlichen Länge von 25 cm. Zwei dieser
Stücke weisen Ritzungen auf, die allerdings kaum als
Kunst gedeutet werden können. Dennoch sind sie von
einiger Bedeutung, denn Verzierungen auf Clovis-Objek-
ten sind äußerst selten.
Der fortlaufende Text endet mit Literaturangaben sowie
einer Lagekarte des Fundplatzes. Es folgen mehrere
Fotos zur Ausgrabungstätigkeit, dem topographischen
Umfeld der Station, einigen Funden in situ sowie ausge
zeichnete Zeichnungen der herausragendsten Stücke von
Seite 27 bis 57. Ein Sach- und Namensregister beschließt
den Band, der vor allem durch sein Bildmaterial einen
guten Einblick in diese bedeutende Fundstelle aus der
frühen Besiedelungsperiode Amerikas bietet.
Axel Schulze-Thulin
Hoffmann, Klaus / Wagner, Rene;
Karl-May-Museum. Kurzführer durch die
Ausstellungen - Indianer Nordamerikas,
Karl May - Leben und Werk. Hg.: Karl-May-
Stiftung Radebeul. München: Karl M. Lipp,
1992. 60 Seiten, viele Färb- und SW-Fotos.
Vor mir liegt eine Broschüre, wie sie sich der Museums
besucher wünscht. Handlich, um sie in die Jackentasche
zu stecken. Verständlich und flüssig geschrieben, um
darin bereits während der Kaffeepause im Museum mit
Interesse zu schmökern. Mit Färb- und Schwarzweiß-
Fotos ausgestattet, um den Führer als Erinnerung an
einen anregenden Museumsbesuch aufzubewahren. Zum
gelungenen Äußeren kommt eine gelungene Gliederung
des Inhalts: Neben das kurz erklärte Umfeld der Ausstel
lungsstücke tritt viel Hintergrundwissen über den
berühmten Autor spannender Abenteuerliteratur, die Mil
lionen begeisterter Leser einst verschlungen haben und
noch verschlingen.
Nicht nur Karl-May-Fans werden, wenn sie nach Dresden
oder überhaupt nach Sachsen kommen, gerne einen
Abstecher nach Radebeul machen, um sich die über Jahr
zehnte gesammelten Gegenstände einstiger Indianer
pracht in der Villa Bärenfett anzusehen oder sich über
Leben und Werk des großen Erzählers in der Villa Shat-
terhand zu informieren. Der Museumsführer wird ihnen
dann ein guter Begleiter und eine liebenswerte Erinne
rung an den unsterblichen Sachsen sein.
Axel Schulze-Thulin
Müller-Wille, Ludger (Hrsg.):
Franz Boas. Bei den Inuit in Baffinland
1883-1884. Tagebücher und Briefe. Bearbei
tung, Einleitung und Kommentare von Lud
ger Müller-Wille. Berlin: Reinhold Schletzer
Verlag, 1994. 294 Seiten, 32 Abbildungen, 3
Karten, Listen, Glossar, Ortsregister. Preis:
DM 128,-
Der 50. Todestag von Franz Boas (1858-1942) war für
mehrere Autoren Anlaß, sich um ein besseres Verständnis
seiner Persönlichkeit und seines Werkes zu bemühen
(z.B. Dürr, Kasten & Renner 1992; Rodekamp 1994). In
der hier vorgestellten Publikation spricht dagegen der
25jährige Boas selbst: es handelt sich um unpublizierte
Manuskripte (bis auf kurze Auszüge, Müller-Wille 1992),
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