Buchbesprechungen Allgemein
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BAUMANN, MAX PETER (ED.):
Music, Language and Literature of the Roma
and Sinti. Berlin: VWB - Verlag für Wissen
schaft und Bildung, 2000. 528 Seiten, SW-
Fotos.
ISBN 3-86135-642-2
Die europaweit größte Minorität ohne territoriale Zu
ordnung sind ohne Frage die ca. acht Millionen Roma,
Sinti und Gitanos, häufig auch etwas abwertend als
Zigeuner bezeichnet. Ihre extrem wechselvolle Geschich
te seit ihrem Erscheinen in Mitteleuropa im 15. Jahrhun
dert ist dadurch geprägt, dass sie in ihren Aufnahme
ländern, von kurzen Perioden der Duldung abgesehen,
meist vertrieben und verfolgt wurden und so zu einem
Wanderleben genötigt wurden. Ihren Höhepunkt erreich
ten die Verfolgungen der Roma und Sinti während des
Nationalsozialismus in Deutschland. Während all dieser
Jahrhunderte war man in Europa nicht in der Lage, sich
einer auch nur relativ vorurteilsfreien Auseinander
setzung mit dieser Minorität zu stellen. Daran änderten
auch romantisierende Klischees wie die Zigeunermusik
des 19. Jahrhunderts nichts.
Die hier vorliegende Sammlung von 25 Artikeln - 16 in
deutscher, 9 in englischer Sprache, mit englischer Zu
sammenfassung der deutschen Artikel im Anhang - will
in interdisziplinärem Rahmen einen Überblick geben
über den kulturellen Reichtum der Roma und Sinti, eben
so wie über die Verschiedenheiten einzelner Gruppen.
Die Artikel sind ausgearbeitet Vorträge, die auf der
Tagung Music, Language and Literature of the Roma and
Sinti im Rahmen der „UNESCO World Decade for
Cultural Development, 1988 - 1997“ organisiert vom da
mals noch existierenden „International Institute for Tra-
dilional Music, Berlin“ im Jahr 1994 in Kooperation mit
dem „Romani P.E.N. Zentrum“ organisiert wurde.
Die Beiträge dieser Publikation stellen den Stand der
Forschung in den Bereichen Musikwissenschaft, Linguis
tik und Literatur zum Thema Roma und Sinti dar.
Ferner werden neue Forschungsergebnisse vorgestellt
und diskutiert, um schließlich eine Einschätzung der kul
turpolitischen Situation dieser europäischen Minderheit
vornehmen zu können.
Die verschiedenen Aspekte des Wertesystems der Roma
und Sinti werden ebenso behandelt wie ihre Konzepte
von Musik und Literatur und natürlich die überregiona
len Prozesse der Identifikation.
Es werden in den Aufsätzen Themen zur Geschichte der
Roma und Sinti und ihrer gegenwärtigen politischen Situ
ation genauso besprochen, wie Theaterarbeit, Literatur
geschichte, Musik und Tanz bis hin zu Fallbeispielen der
Musik einzelner regionaler Gruppen, etwa der „Yiftoi“ in
Griechenland, der „Gitanos“ Spaniens oder der verschie
denen Gruppen Ungarns. Insgesamt nehmen jedoch die
Themen zur Musik erwartungsgemäß den größeren
Raum ein, was wohl auch dem Forschungsstand und dem
allgemeinen Interesse entspricht. Um so erfreulicher ist
dann aber, dass es nicht bei diesem Themen bleibt, son
dern auch andere Aspekte der Roma- und Sinti-Kultur
zur Sprache kommen, die nicht weniger interessant und
bedeutend sind.
Die Fülle des hier gebotenen Materials macht es schwer,
in einer kurzen Rezension Einzelaspekte herauszugrei
fen, selbst die Auflistung aller angesprochenen Themen
würde sicher den Rahmen sprengen, so sei zusammenfas
send gesagt, dass hier ein sehr guter, vor allem aktueller
Überblick über Musik, Sprache und Literatur der Sinti
und Roma vorliegt.
Eine umfangreiche Bibliographie zur Musik schließt die
se gelungene und empfehlenswerte Veröffentlichung ab.
LARS-CHRISTIAN KOCH
BERNBECK, REINHARD;
Theorien in der Archäologie. Tübingen / Basel:
A. Francke, 1997.404 Seiten, mehrere Tabellen
und Grafiken.
ISBN 3-8252-1964-X
Obwohl bei Erscheinen des vorliegenden Buches erst
knapp vierzig Jahre alt, hatte der Autor zu diesem Zeit
punkt schon eine durchaus beachtenswerte wissenschaft
liche Laufbahn hinter sich, wobei im Hinblick auf seine
Arbeit rund um die Theoriengebäude im Allgemeinen
und denen der Archäologie im Besonderen seine Aufent
halte in den USA ins Gewicht fallen. Nach eigenem Be
kunden (9) wollte Bernbeck eine „Systematik der theore
tischen Aspekte in der Archäologie“ vorlegen. Die drei
Hauptabschnitte, in die das Werk unterteilt ist, folgen al
lerdings nicht den drei Zielen, die er mit einer solchen
Systematik verbindet. Diese sind: (1) Eine Erleichterung
der „Auseinandersetzung mit bereits vorliegenden ge
schichtlich orientierten Arbeiten und deren Annahmen“;
(2) eine Erleichterung der „Erstellung neuer Inter
pretationen“; (3) die Notwendigkeit „dauernder Ausein
andersetzung über die Angemessenheit“ (ebenda) von
ausdrücklich formulierten Annahmen wissenschaftlicher
Aussagen. Weiterhin nennt der Verfasser Ziel seiner
Arbeit, „Studentinnen, Studenten und andere Interes
sierte in die Probleme archäologischer Theorien einzu
führen“ (10). Sicherlich wird das Buch den genannten
Zielsetzungen, insbesondere der auf den Ausbildungs
auftrag gerichteten, gerecht. Ich muss allerdings Bern
beck widersprechen, wenn er in diesem Zusammenhang
schreibt, dass „in den U.S.A. .Archäologie’ ... in einem
Fachbereich .Kulturanthropologie’ zusammengefasst“ sei
(11). Das mag in der einen oder anderen universitären
Einrichtung solchermaßen organisatorisch institutionali
siert sein, ergibt aber - so ausgedrückt - ein falsches Bild.
Cultural anthropology ist kein wissenschaftlicher Über
bereich. unter den mehrere Disziplinen fallen, sondern
entspricht dem deutschen Fach Ethnologie, was nicht aus
schließt, dass bei US-Völkerkundlern archäologische Er
gebnisse in ihre Forschungen einfließen (und vice versa).
Die Publikation ist, wie schon kurz angeführt, in drei
Hauptabschnitte mit vierzehn Kapiteln gegliedert. Das
erste Kapitel mit einem geschichtlichen Überblick über
die verschiedenen Sektoren der historischen Wissenschaf
ten ist vor den ersten großen Abschnitt und nach einer
Einleitung geschaltet. Prinzipien. Verfahrens-, Er-
klärungs- und Vorgehensweisen sowie verschiedene theo