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TRIBUS 50, 2001
die Herausgeber doch auf eine beispielhafte Auswahl von
Jäger/Sammler-Gruppen auf vier Kontinenten beschrän
ken. Es ist jedoch ein sehr gutes Nachschlagewerk, das ex
emplarisch die Welt der Jäger und Sammler in Ver
gangenheit und Gegenwart vorstellt. Dabei unterstreicht
ein umfassendes Bild- und Kartenmaterial das geschrie
bene Wort. Kurz gesagt - es ist ein Werk, das in die
Bibliothek sowohl jedes Angehörigen als auch jeder
Institution der Wissenschaften vom Menschen gehört.
AXEL SCHULZE-THULIN
MENSEN, BERNHARD, SVD (HRSG.):
Die Weltreligionen zur Zukunft - Tendenzen
und Entwürfe. Akademie Völker und Kul
turen. Vortragsreihe 1999/2000, Bd. 23. Nette
tal: Steyler Verlag, 2000. 116 Seiten.
ISBN 3-8050-0449-4, ISSN 0930-9209
Gesichter von Religionen in der gegenwärtigen Zeit zei
gen strukturelle Unterschiede, anthropologische Ge
meinsamkeiten und Spuren der Globalisierung. Sie alle
weisen in eine „Zukunftsrichtung“, welche eine Ausein
andersetzung mit dem Fremden unumgänglich macht.
Aus christlich-theologischer und kulturwissenschaftlicher
Sicht widmet sich der neu erschienene Sammelband „Die
Weltreligionen zur Zukunft - Tendenzen und Entwürfe“
von Bernhard Mensen SVD fremden und eigenen
Religionssystemen, die von Kernkategorien der „Zu
kunft“ , bzw. „Zeit“ aus analysiert werden. Der Band bie
tet einen Beitrag zum christlich interreligiösen Dialog,
wobei die einzelnen Aufsätze eine Spannbreite von philo
sophischer Anthropologie (Joerg Splett), Religions
wissenschaft (Hans Waldenfels), Theologie (Ulrich Ruh),
Missionstheologie (Ennio Montovani), Kulturwissen
schaft (Oskar Weggel) und islamischer Philosophie
(Christian Troll) abdecken.
Der erste Beitrag von Joerg Splett „Der Mensch als
Zukunftswesen. Entwürfe und Modelle“ stellt grundle
gende Konzepte einer theologisch philosophischen An
thropologie der menschlichen Zeiterfahrung dar, wobei
er schließlich in eine Metaphysik der Zeit mündet. In die
ser erweist sich die Zeit für den Autor als Synonym der
Gotteserfahrung. Die Argumentation erstreckt sich zu
erst auf die individuellen Erfahrungen des Menschen von
Tod, Endlichkeit, endlicher Freiheit des Augenblicks bis
hin zur Aussage, dass Zeit gleichsam als Geschichtlichkeit
und Formel der Tradition begriffen werden sollte. Die
Analyse der Zeit kreist dabei um die Unterscheidung zwi
schen linearer ( zielgerichteter) und zyklischer (in ihrer
„Mitte“ ruhenden) Geschichtsvorstellungen, um so die
kulturvergleichende Orientierung des Sammelbandes an
zugeben. Diese grundlegende Gegenüberstellung führt
den Autor zur Schlussfolgerung, dass zyklische Zeitkon
zeptionen Ideen von Zukunft und Apokalypse aus
schließen. Eine Überlegung, die zum besseren Verständ
nis traditionaler Kulturen und Religionen angesichts der
prospektiven Anforderungen und endzeitlichen Visionen
der Moderne beiträgt.
Mit der Kategorie der Zukunft beschäftigt sich auch der
zweite Artikel von Hans Waldenfels „Gibt es im
Buddhismus eine Zukunft?“. Der Autor klärt seine im
Titel gestellte Frage durch eine differenzierte und über
sichtliche Darstellung der Hauptkonzepte, Geschichte
und Heilspersonifikationen des Buddhismus. Als span
nend erweist sich dabei die Ausgangsthese des Autors,
die sich am zentralen Begriff des nirvana entfaltet und bis
zum Ende der Darstellung den Spannungsbogen hält:
Buddhismus als Modell einer Heilsgeschichte, die ihre
Vorstellungen aus der Gleichsetzung der Zukunft mit den
zahlreichen Reinkarnationen speist. Somit ist die Aus
gangsfrage des Autors nach der Zukunft im Buddhismus
klar bejaht: Es ist die Vorbereitung auf das nirvana, einer
Zukunft, „die letztlich keinen Namen mehr trägt“.
Der Titel des Beitrags „Neue Religiosität in der säkulari
sierten Welt“ von Ulrich Ruh erweckt die Neugier des
Lesers auf eine Beschäftigung mit religiösen Phäno
menen der Moderne. Diesbezüglich wird der Leser aber
enttäuscht, da sich der Artikel hauptsächlich auf eine
Bilanz der Zukunft christlicher Kirchen beschränkt.
Einen nicht ganz unproblematischen Artikel stellt „Die
offene Begegnung mit anderen Kulturen als entscheidend
für die Zukunft des Christentums“ von Ennio Montovani
SVD dar. Der Autor vertritt die Auffassung, dass im
Gegensatz zur traditionellen Situation der christlichen
Mission diese gegenwärtig einen dialogischen Ansatz ver
tritt. Mission also als Dialog der Religionen. Als Aus
gangspunkt der Überlegungen dient dem Autor die Lage
in Papua-Neuginea, das sich zur „christlichen Nation“ be
kennt. Erfreulich bei diesen Erörterungen erweist sich die
Tendenz der modernen Missionstheologie, Theologien
der missionierten Gebiete als Vergleich und Inspirations
moment in die eigene ‘Ur’-Theologie einfließen zu lassen.
Dies wird vom Autor besonders am Vergleich der mela-
nesischen Dema-Symbolik mit der christlichen Eucharis
tie verdeutlicht. Dennoch wäre im Rahmen der Missions
theologie ein kritischerer Ansatz zum „Dialog der
Religionen“ wünschenswert. Etwa die Problematisierung
der primären Missionssituation, die nicht auf dem Prinzip
des gleichberechtigten Dialogs/Gespräches basiert, son
dern sowohl den Charakter des rhetorisch überzeugen
den Diskurses als auch der Struktur der Dominanz trägt.
Mission, ob traditionell oder gegenwärtig, wäre somit
nicht mit der Kategorie des Dialoges vereinbar. Ein Ein
gehen auf christliche Mission in schon inkulturierten
Gebieten verlangt somit nach einer schärferen Analyse,
ob etwa die Betonung der Neuerung, Theologien der mis
sionierten Gebiete in die eigene Theologie und Kirche
einwirken zu lassen, nicht indirekt eine Ungleichheit von
‘Alt’-, ‘Neuchristen’ und den ‘Inkulturierten’ impliziert...
Einen durchgängig erhellenden Artikel bietet der Beitrag
„Zeitbegriff und Zukunftsvorstellungen im Konfuzi
anischen Asien“ von Oskar Weggel. Mit Präzision und
kulturellem Feingefühl greift der Autor die kulturspezifi
schen Konzepte von Zeit, Lernen, Geschichte und Zu
kunft auf, um mit diesen die komplexe Situation des mo
dernen Chinas zu erläutern. Mit Hilfe seines Modells der
„Verschichtung“ entwickelt der Autor eine für Gesamt-
Asien anwendbare Analyse gegenwärtiger kultureller
Wandelprozesse. Diese erschaffen dynamische, verdich
tete Synthesen von Tradition und Moderne, die vom Au
tor am Beispiel gelungen vorgeführt werden.