Buchbesprechungen Allgemein
en zu diesen alten Aufnahmen oft nur spärlich vorhanden
sind. Die in diesen Beiträgen zu den einzelnen Auf
nahmen erläuterten Hintergründe der historischen Um
stände lassen die Bedeutung der Aufnahmen in einem
klaren Licht erscheinen. Photographien aus der Samm
lungszeit illustrieren dies anschaulich, und angefügte his
torische Texte vermitteln einen Eindruck von der Vor
gehensweise, in der Musikwissenschaftler versuchten,
analytische Zugänge zu den Sammlungsmateriahen zu er
halten.
Die heute noch lebenden Sammler kommentieren ihre
Aufnahmen selbstverständlich selbst und liefern so Infor
mationen aus erster Hand.
Das ausführliche und mit 284 Seiten extrem umfangreiche
Textheft, das zudem optisch sehr gut gemacht ist, da es
viele Informationen auf einen Blick liefert und auch im
Schriftbild angenehm zu lesen ist, verdient ein extra Lob.
Mit ihm werden die zum Teil sehr alten Aufnahmen nicht
nur wieder zugänglich, sondern in Unterricht und
Forschung verwendbar.
LARS-CHRISTIAN KOCH
STRECK, BERNHARD (HRSG.):
Wörterbuch der Ethnologie. Wuppertal:
Edition Trickster im Peter Hammer Verlag,
2000. 431 Seiten, SW-Abbildungen.
ISBN 3-87294-857-1
Das von Bernhard Streck 1987 als Taschenbuch herausge
gebene Wörterbuch der Ethnologie ist in erweiterter
Neuauflage erschienen. Nunmehr 21 Autoren stellen in
80 Grundbegriffen den Beitrag der Ethnologie „für das
Verständnis fremder Welten“ dar (S. 7). Den Wörtern fol
gen, wie in der ersten Auflage, eine (jetzt erweiterte)
Auflistung der vor dem Jahre 2000 verstorbenen Ver
treter und Vertreterinnen der Ethnologie mit den Haupt
orten ihres Wirkens und ihren bedeutendsten Werken so
wie eine ‘Ahnengalerie ’ mit 36 SW-Porträts und ein
Glossar mit ethnologischen Fachausdrücken. Die in der
ersten Auflage nach jedem Beitrag aufgeführte Literatur
wird nun separat in einer 50-seitigen Bibliographie nach
hinten gestellt. Entfallen ist - wohl aus Gründen der nicht
mehr darzustellenden Vielzahl und der Schwierigkeiten
der Auswahl - die Übersichtskarte mit den Kulturpro
vinzen der Erde und der geographischen Verortung be
rühmter ethnographischer Beispiele.
Die 80 Wörter umfassen theoretische Konzepte, Kern
begriffe ethnologischer Forschungsrichtungen und
Methoden. Die Auswahl gibt einen guten Überblick über
die für die ethnologische Arbeit bedeutenden Grund
begriffe, wobei es in der Natur der Sache liegt, dass eine
solche Auswahl Lücken aufweist. (Ich persönlich vermis
se Beiträge zu visueller Anthropologie, Raum und
Museum). Die zweite Auflage hat einige dieser Lücken
gefüllt, indem sie fünf neue Begriffe aufnimmt: Anthro
pologie (Eidson), Ethnizität (Wimmer), Fiktion (Mün-
zel), Mischung und Moderne (Probst) und Volkskunde
(Hauschild). Das Gros der Artikel wurde von der ersten
Auflage übernommen und mehr oder weniger im Text
oder in den Literaturangaben überarbeitet.
Von den Texten in einem ethnologischen Wörterbuch er
warte ich, dass sie den Begriff umschreiben, den Beitrag
der Ethnologie herausstellen, gegebenenfalls die theore
tischen Ansätze der deutschsprachigen Ethnologie stär
ker unterstreichen, die Forschungsansätze, deren Haupt
vertreter und Werke vorstellen und dem Leser somit
einen aktuellen Stand der Diskussion vermitteln. Ge
lungen ist dies vor allem in Beiträgen von Streck, von
Eidson (Anthropologie), Ganzer (Kommunikation, Lo
gik, Struktur, Verwandtschaft), Hauschild (Charisma,
Feldforschung, Fest, Hexerei, Krankheit, Nachbarschaft,
Prestige, Symbol, Tod, Volkskunde), Hesse (Evolution,
Hirten, Staat, Tausch, Wirtschaft), Nixdorff (Haus, Klei
dung), Probst (Mischung und Moderne), Schindlbeck
(Erziehung) und Wimmer (Ethnizität). Sie haben die
Wörter anhand der Theoriengeschichte bzw. der For
schungen Umrissen, die Diskussion um das Wort und auch
die Unvereinbarkeit mancher Ansätze aufgezeigt, die
deutschsprachigen Vertreter und Vertreterinnen hervor
gehoben und in den internationalen Zusammenhang ge
stellt, und schließlich haben sie ihren Beitrag nicht nur
durch einfache Angabe, sondern durch Reflexion neuerer
Literatur aktualisiert. Sie sind mit Gewinn zu lesen.
Einen negativen und das Gesamtbild stark beeinflussen
den Eindruck hinterlassen hingegen vor allem die gar
nicht oder kaum überarbeiteten Artikel von Ghirardelli
(Siedlung), Kramer (Identität, Kunst, Ritual, Zeit), Marx
(Tanz), Maler-Sieber (Geschlecht, Spiel, Verhalten),
Nippa (Bund, Geburt, Stadt), Münzel (Mythos, Pflanzer,
Religion, Wildbeuter) und Schienerl (Schmuck). Sie
übergehen die in den letzten Jahren (wenn nicht sogar
Jahrzehnten) für Theorie und Forschung entscheidenden
Diskussionen, so zum Beispiel zu Landbesitz, zu Identität
und Person, zu Raum und Zeit, zu ‘gender’ oder zu
Körper. Aber auch in anderen (überarbeiteten und aktua
lisierten) Texten vermisse ich den Verweis auf For
schungsansätze, die sich aus dem dargestellten Wort ent
wickelt haben, so zum Beispiel die Arbeiten zu
Reproduktionstechnologien bei Verwandtschaft (Gan
zer), zu Hunger bei Nahrung (Nippa), zu Körper bei
Körperdeformation und zu Gewalt bei Krieg (Streck). In
den Beiträgen von Ganzer (Heirat), Grüb/ergänzt durch
Liedtke (Haustiere, Nutzpflanzen), Schienerl (Schmuck)
oder Streck (Technologie) wiederum ist mir der Erkennt
nisgewinn über die ethnologische Arbeit, deren Kom
plexität und Aktualität zu gering, da hier der Schwer
punkt des Beitrages auf einem Überblick über die
verschiedenen Klassifikationen mit deren Begriffs
definitionen liegt. In vielen der oben genannten Beiträge
wurde somit die Möglichkeit vertan, zu zeigen, „dass
Ethnologie alle angeht und dass ihre relativierende Form
auch im neuen Jahrtausend mit seinen globalisierenden
und nivellierenden Tendenzen gebraucht wird“ (S.15),
wie Streck es in dem Vorwort der zweiten Auflage als Ziel
formuliert.
Ein ethnologisches Wörterbuch ist stets unabhängig von
der Anzahl seiner Einträge ein Arbeitswerkzeug für in
teressierte Laien, Spezialisten und Studenten bzw. Stu
dentinnen. Daher sollte sein Aufbau benutzerfreundlich
und seine Handhabung schnell durchschaubar sein. In
zwei Punkten wird dieses Ziel hier erschwert, wobei der
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