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Full Text: Tribus, 50.2001,N.F.

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Buchbesprechungen Afrika 
großer Teil der Bevölkerung blieb in den wirtschaftlichen 
und ökologischen Problemzonen und war nicht am wirt 
schaftlichen Aufschwung beteiligt. 
Durch die Migration bedingt übernahmen immer mehr 
Frauen Aufgaben im Hof und beim Landbau, die eine 
Generation zuvor Männerarbeit waren. Hierbei eignen 
sich Frauen naturgemäß das ganze Wissen über die tradi 
tionelle (Land)Wirtschaft an, bewahren es und geben es 
weiter. Obwohl in Afrika die Musik ein dominantes 
Wesensmerkmal ist, taucht sie nur dreimal (S. 34, 123, 
125) wie nebenbei dergestalt auf, dass bei der Arbeit Lie 
der gesungen werden und über deren Inhalt die Kinder 
(insbesondere die Mädchen) das Wesentliche lernen. 
Schäfer arbeitet nun immer mehr einen Mann-Frau- 
Gegensatz heraus. Die Schilderungen lesen sich so, als 
würde die Geschlechterbeziehung überwiegend aus 
Stellungsgefechten um Einflusssphären bestehen. Von ei 
nem harmonischen Familienleben ist praktisch nie die 
Rede. Wenn sich derartige Schilderungen über viele 
Seiten hinweg ziehen, kann schon der Verdacht einer ein 
seitigen Beobachtung entstehen. 
Die ganze HlV-Problematik wird in eine einzige Fußnote 
verbannt: 10% der Bevölkerung seien offiziell infiziert, 
die Schätzungen gehen von 50% aus (S. 70). An vielen 
Stellen wird ein Blick auf die Altersversorgung geworfen, 
auf das soziale Netz insgesamt, aber Aids wird einfach 
nicht weiter erwähnt, dafür aber gegen Ende des Buches 
immer mehr die Mann-Frau-Beziehungsrangeleien. Bei 
aller Hochachtung vor der sonst ausgezeichneten Ge 
samtarbeit - hier blieb mir der begründete Verdacht zu 
rück, dass ein(e) Ethnologin mit Partnerin und eigenen 
Kindern als Begleiter auf der Feldforschung ein anderes 
Bild zeichnen würde. 
Im 5. Kapitel wird der gegenwärtige Anbau in den 
‘Communal Areas’ und seine Methoden geschildert, die 
Kulturpflanzen, die Bedeutung der Bäume zur nachhalti 
gen Verbesserung des Mikroklimas (bei Monokulturen 
werden sie gerodet!), der Termitenerde zur Bodenver 
besserung usw. Wie eingangs erwähnt, kommt hier die 
Landeskenntnis von Rita Schäfer direkt zum Tragen - ich 
schließe dies aber nur indirekt (aus dem anderen Stil und 
dem Fehlen von Literaturbelegen). Die Angaben jeden 
falls erwecken den Eindruck einer fundierten und gründ 
lichen Recherche, obwohl z.B. eine Detailschilderung der 
Feldbauvorgänge im Jahreszyklus fehlt. Auch die Anbau 
zeilen, die vielen nötigen Feldarbeiten, die Wachstums 
zyklen hätten hier ihren Ort gehabt - oder wenigstens eine 
Studie, z.B. der Tages- Wochen- oder Monatsarbeitsplan 
einer Frau als Haushaltsvorstand. In diesem Kapitel be 
dauerte ich am meisten, dass die Aussagen grundsätzlich 
generalisiert wurden. 
Auf den letzten Seiten werden zentrale Gedanken der 
früheren Kapitel wiederholt, verdichtet und zum Bild des 
grundlegenden Wandels der Verhältnisse in Zimbabwe 
verdichtet. Das Buch endet etwas abrupt und hebt noch 
mals hervor: „In den vorausgegangenen Ausführungen 
konnte aufgezeigt werden, wie die neuen Dimensionen 
der Geschlechter- und Generationenkonflikte, die 
Differenzierung zwischen Frauen und die Akzentuierung 
ihrer Selbstbilder als tragende Kräfte des Anbaus sowie 
der familiären Versorgung interdependent miteinander 
verbunden sind.“ 
Trotz des einseitigen Blicks auf die Frauen (pardon, aber 
die Männer kommen einfach zu schlecht weg) habe ich 
das Buch mit Gewinn gelesen. Es öffnete mir den Blick 
auf innere Aspekte Zimbabwes, die nicht unbedingt im 
Alltagsbewusstsein leben. Die wissenschaftliche Arbeit 
halte ich für gediegen, was mir fehlte am Buch, denke ich 
deutlich gemacht zu haben. 
WOLFGANG CREYAUFMÜLLER 
WEBER, PETER: 
Ritual und Identität. Vorkoloniale Geschichte 
in Unyakyusa von ca. 1600 bis 1897. Studien 
zur Afrikanischen Geschichte, Bd. 21. Ham 
burg: LIT, 1998. 280 Seiten. 
ISBN 3-8258-3437-9 
Ziel der Dissertation von Peter Weber ist es, vorkoloniale 
Geschichte in Unyakyusa, einem Gebiet nördlich des 
Nyasa-Sees im Südwesten des heutigen Tanzania, zu re 
konstruieren. Dabei stehen für Weber lokale politische 
Identitäten im Vordergrund. Diese Identitäten wurden 
und werden durch bestimmte Rituale, die als „institutio 
nalisierte Diskurse aufgefasst werden können“ (S.46), 
konstruiert. Dabei spielen Kultzentren als 'identitätsstif 
tende Orte’ eine wichtige Rolle. Die dynamischen Pro 
zesse bei der Herausbildung von Identitäten sucht Weber 
in 'konkrete historische Kontexte’ einzubinden. Darunter 
versteht er z.B. Migrationsbewegungen, wie die 
‘Ngulube-Migration’ (Kap.7), die im 16. und 17. Jahr 
hundert für den gesamten Südwesten Tanzanias gravie 
rende politische Veränderungen mit sich brachte. 
Ethnische Kategorisierungen wurden einheimischen 
Afrikanern übergestülpt, wie inzwischen hinlänglich be 
kannt ist. Sowohl koloniale Machthaber als auch westli 
che Wissenschaftler ordneten 'ihre Gebiete’ vor allem 
nach sozio-kulturellen Merkmalen in ‘Stämme’ und 
‘Ethnien’ ein, was auch in Unyakyusa der Fall war. Diese 
Konstrukte - in unserem Fall ‘die Nyakyusa’ (ein 
Konglomerat aus über hundert ehemals unabhängigen 
'Häuptlingstümern') - hatten oft mit den tatsächlichen so 
ziologischen und insbesondere politischen Verhältnissen 
wenig gemein. Aus diesen Gründen versuchte Weber ei 
nen innovativen Beitrag zur lokalen Historiographie in 
Unyankyusa zu leisten, indem er hauptsächlich mündli 
che Überlieferungen zur Geschichte der verschiedenen 
Nyakyusagebiete sammelte und auswertete. Er proble 
matisierte dabei auch die komplexe Beziehung zwischen 
kultureller und politischer Identität. 
Webers Buch ist in zehn Kapitel unterteilt. Neben Über 
legungen zur 'Postmoderne’ legt der Autor im ersten 
Kapitel seinen Forschungsgegenstand, das Ziel seiner 
Studie und seine Methode dar, nämlich ausgedehnte Feld 
forschung (2 Jahre) mit ca. 300 Interviews, von denen er 
92 in seiner Untersuchung direkt verwendet. Ferner stütz 
te sich Weber auf Literatur- und Archivrecherchen. Es ist 
hervorzuheben, dass der Autor seinen Standpunkt in der 
Debatte um 'die Postmoderne’ transparent macht. Aller 
dings fällt auf, dass sich seine diesbezüglichen theoreti 
schen Ausführungen auf recht unterschiedlichem Niveau
	        
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