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Buchbesprechungen Afrika
großer Teil der Bevölkerung blieb in den wirtschaftlichen
und ökologischen Problemzonen und war nicht am wirt
schaftlichen Aufschwung beteiligt.
Durch die Migration bedingt übernahmen immer mehr
Frauen Aufgaben im Hof und beim Landbau, die eine
Generation zuvor Männerarbeit waren. Hierbei eignen
sich Frauen naturgemäß das ganze Wissen über die tradi
tionelle (Land)Wirtschaft an, bewahren es und geben es
weiter. Obwohl in Afrika die Musik ein dominantes
Wesensmerkmal ist, taucht sie nur dreimal (S. 34, 123,
125) wie nebenbei dergestalt auf, dass bei der Arbeit Lie
der gesungen werden und über deren Inhalt die Kinder
(insbesondere die Mädchen) das Wesentliche lernen.
Schäfer arbeitet nun immer mehr einen Mann-Frau-
Gegensatz heraus. Die Schilderungen lesen sich so, als
würde die Geschlechterbeziehung überwiegend aus
Stellungsgefechten um Einflusssphären bestehen. Von ei
nem harmonischen Familienleben ist praktisch nie die
Rede. Wenn sich derartige Schilderungen über viele
Seiten hinweg ziehen, kann schon der Verdacht einer ein
seitigen Beobachtung entstehen.
Die ganze HlV-Problematik wird in eine einzige Fußnote
verbannt: 10% der Bevölkerung seien offiziell infiziert,
die Schätzungen gehen von 50% aus (S. 70). An vielen
Stellen wird ein Blick auf die Altersversorgung geworfen,
auf das soziale Netz insgesamt, aber Aids wird einfach
nicht weiter erwähnt, dafür aber gegen Ende des Buches
immer mehr die Mann-Frau-Beziehungsrangeleien. Bei
aller Hochachtung vor der sonst ausgezeichneten Ge
samtarbeit - hier blieb mir der begründete Verdacht zu
rück, dass ein(e) Ethnologin mit Partnerin und eigenen
Kindern als Begleiter auf der Feldforschung ein anderes
Bild zeichnen würde.
Im 5. Kapitel wird der gegenwärtige Anbau in den
‘Communal Areas’ und seine Methoden geschildert, die
Kulturpflanzen, die Bedeutung der Bäume zur nachhalti
gen Verbesserung des Mikroklimas (bei Monokulturen
werden sie gerodet!), der Termitenerde zur Bodenver
besserung usw. Wie eingangs erwähnt, kommt hier die
Landeskenntnis von Rita Schäfer direkt zum Tragen - ich
schließe dies aber nur indirekt (aus dem anderen Stil und
dem Fehlen von Literaturbelegen). Die Angaben jeden
falls erwecken den Eindruck einer fundierten und gründ
lichen Recherche, obwohl z.B. eine Detailschilderung der
Feldbauvorgänge im Jahreszyklus fehlt. Auch die Anbau
zeilen, die vielen nötigen Feldarbeiten, die Wachstums
zyklen hätten hier ihren Ort gehabt - oder wenigstens eine
Studie, z.B. der Tages- Wochen- oder Monatsarbeitsplan
einer Frau als Haushaltsvorstand. In diesem Kapitel be
dauerte ich am meisten, dass die Aussagen grundsätzlich
generalisiert wurden.
Auf den letzten Seiten werden zentrale Gedanken der
früheren Kapitel wiederholt, verdichtet und zum Bild des
grundlegenden Wandels der Verhältnisse in Zimbabwe
verdichtet. Das Buch endet etwas abrupt und hebt noch
mals hervor: „In den vorausgegangenen Ausführungen
konnte aufgezeigt werden, wie die neuen Dimensionen
der Geschlechter- und Generationenkonflikte, die
Differenzierung zwischen Frauen und die Akzentuierung
ihrer Selbstbilder als tragende Kräfte des Anbaus sowie
der familiären Versorgung interdependent miteinander
verbunden sind.“
Trotz des einseitigen Blicks auf die Frauen (pardon, aber
die Männer kommen einfach zu schlecht weg) habe ich
das Buch mit Gewinn gelesen. Es öffnete mir den Blick
auf innere Aspekte Zimbabwes, die nicht unbedingt im
Alltagsbewusstsein leben. Die wissenschaftliche Arbeit
halte ich für gediegen, was mir fehlte am Buch, denke ich
deutlich gemacht zu haben.
WOLFGANG CREYAUFMÜLLER
WEBER, PETER:
Ritual und Identität. Vorkoloniale Geschichte
in Unyakyusa von ca. 1600 bis 1897. Studien
zur Afrikanischen Geschichte, Bd. 21. Ham
burg: LIT, 1998. 280 Seiten.
ISBN 3-8258-3437-9
Ziel der Dissertation von Peter Weber ist es, vorkoloniale
Geschichte in Unyakyusa, einem Gebiet nördlich des
Nyasa-Sees im Südwesten des heutigen Tanzania, zu re
konstruieren. Dabei stehen für Weber lokale politische
Identitäten im Vordergrund. Diese Identitäten wurden
und werden durch bestimmte Rituale, die als „institutio
nalisierte Diskurse aufgefasst werden können“ (S.46),
konstruiert. Dabei spielen Kultzentren als 'identitätsstif
tende Orte’ eine wichtige Rolle. Die dynamischen Pro
zesse bei der Herausbildung von Identitäten sucht Weber
in 'konkrete historische Kontexte’ einzubinden. Darunter
versteht er z.B. Migrationsbewegungen, wie die
‘Ngulube-Migration’ (Kap.7), die im 16. und 17. Jahr
hundert für den gesamten Südwesten Tanzanias gravie
rende politische Veränderungen mit sich brachte.
Ethnische Kategorisierungen wurden einheimischen
Afrikanern übergestülpt, wie inzwischen hinlänglich be
kannt ist. Sowohl koloniale Machthaber als auch westli
che Wissenschaftler ordneten 'ihre Gebiete’ vor allem
nach sozio-kulturellen Merkmalen in ‘Stämme’ und
‘Ethnien’ ein, was auch in Unyakyusa der Fall war. Diese
Konstrukte - in unserem Fall ‘die Nyakyusa’ (ein
Konglomerat aus über hundert ehemals unabhängigen
'Häuptlingstümern') - hatten oft mit den tatsächlichen so
ziologischen und insbesondere politischen Verhältnissen
wenig gemein. Aus diesen Gründen versuchte Weber ei
nen innovativen Beitrag zur lokalen Historiographie in
Unyankyusa zu leisten, indem er hauptsächlich mündli
che Überlieferungen zur Geschichte der verschiedenen
Nyakyusagebiete sammelte und auswertete. Er proble
matisierte dabei auch die komplexe Beziehung zwischen
kultureller und politischer Identität.
Webers Buch ist in zehn Kapitel unterteilt. Neben Über
legungen zur 'Postmoderne’ legt der Autor im ersten
Kapitel seinen Forschungsgegenstand, das Ziel seiner
Studie und seine Methode dar, nämlich ausgedehnte Feld
forschung (2 Jahre) mit ca. 300 Interviews, von denen er
92 in seiner Untersuchung direkt verwendet. Ferner stütz
te sich Weber auf Literatur- und Archivrecherchen. Es ist
hervorzuheben, dass der Autor seinen Standpunkt in der
Debatte um 'die Postmoderne’ transparent macht. Aller
dings fällt auf, dass sich seine diesbezüglichen theoreti
schen Ausführungen auf recht unterschiedlichem Niveau