TRIBUS 50, 2001
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Diese Kooperativen, teilweise sind es auch Vereinigungen
junger Leute, haben zum einen das Ziel, Gewinne zu er
wirtschaften, die den einzelnen Mitgliedern zu Gute kom
men, zum anderen formulieren sie als Ideal, dass über die
Zusammenarbeit Gemeinschaft (komuniti), Entwicklung
und Wohlstand für alle entstehen solle.
Sowohl NAC-Anhänger als auch hwms-Befürworter sind
‘modern’ organisiert mit einer kleinen Zahl von Führer
persönlichkeiten im Zentrum; sie haben eine kollektivisti
sche Ideologie, reagieren auf Veränderungen der Gesell
schaft außerhalb des Dorfes und initiieren ihrerseits
Veränderungen im Dorf. Beide Bewegungen haben zwei
Seiten: Nach außen demonstrieren sie Geschlossenheit,
während sie im Innern aus verschiedenen, teilweise kon
kurrierenden Interessengruppen bestehen. Beide neh
men für sich in Anspruch, kastom, die Tradition und
frühere Kultur überwinden zu können und zum Ent
stehen einer neuen, besseren Gemeinschaft, komuniti,
beizutragen. Im nationalen Diskurs Papua-Neuguineas
wie auch in anderen Gebieten ist kastom durchaus positiv
besetzt und beinhaltet die Vorstellung gemeinsamer Wur
zeln und nostalgische Reden über die gute, alte Kultur.
Diese Konnotationen hat kastom teilweise auch noch in
Warengeme, stärker wird der Begriff hier jedoch mit
Spaltung der Gemeinschaft durch Geheimkulte, mit Zau
berei und Rückständigkeit assoziiert.
Gegensätze zwischen beiden Bewegungen bestehen in
den Betätigungsfeldern der Mitglieder (Religion, Wirt
schaft) und dementsprechend in den Vorstellungen, wie
komuniti zu erreichen sei. Die Anhänger der NAC pro
pagieren, dass allein durch moralisch-kulturellen Wandel
ein gutes Leben im Wohlstand kommen werde, während
bisnis lida meinen, dass durch mehr Wohlstand auch ein
(moralisch) besseres Zusammenleben in einer intakten
Gemeinschaft möglich werde. Aus beiden Haltungen sind
in Warengeme zwei Fraktionen entstanden, deren
Anhänger jeweils in einer Hälfte des Dorfes siedeln. Wie
in beiden Bewegungen soziale Beziehungen noch oder
nicht mehr durch traditionelle Verwandtschaftsbe
ziehungen und deren Charakteristika strukturiert wer
den, wie formalisierter Tausch ersetzt wird und welche
anderen alten Elmente aufgegeben bzw. weitergeführt
werden, diskutiert Stephenson in seiner Beschreibung der
Entwicklung der NAC und des bisnis movements.
Bedauerlich ist, dass Kastom or Komuniti kein Glossar
enthält. Gerade für diejenigen Leser, die des Warn nicht
mächtig sind - und das dürfte die Mehrheit sein - ist es
beispielsweise anstrengend, Sätze wie diesen zu lesen:
„Thus, Atuhembel, the name of Mahaite Ningaha’s agel
anheil, is really a saharampe name (line B) wich was lent
to the hutewanga several generations ago and was never
returned.“ (132) Viele Begriffe lernt man beim Lesen,
häufig vergisst man jedoch nach einigen Seiten wieder, ob
etwa butewanga eine Verwandtschaftsbezeichnung (weil
hier kursiv?), ein individueller Eigenname oder ein
Lineage-Name ist. Ein Blick in ein Glossar würde da
schnell weiterhelfen.
Ein gewichtigeres Versäumnis liegt allerdings darin, dass
über die Umstände der Feldforschung kaum ein Wort
verloren wird. Der Leser erfährt, dass Stephenson
1984/85 ein Jahr und 1987/88 ein halbes Jahr Feld
forschung in Warengeme, einem der Wam-Dörfer, ge
macht hat. Gerade bei den behandelten Themen Wandel,
Entwicklung, Modernisierung und Einbindung des Dor
fes in die ‘weite Welt da draußen’ spielt der Ethnologe
eine wichtige Rolle. Aus eigenen Feldforschungser
fahrungen in Neuguinea weiß ich, dass Menschen vor Ort
die Ethnologin zwar integrieren können, aber ihre Her
kunft nie völlig vergessen. Der Ethnologe ist und bleibt
immer auch Repräsentant dieser anderen, angestrebten
oder abgelehnten Welt. Man diskutiert mit ihm, fragt um
Rat oder seine Meinung, möchte Neuigkeiten und Infor
mationen und ihn meist auch für die eigenen Projekte ge
winnen. Hat Stephenson mit dem bisnis movement sym
pathisiert oder wollten ihn die NAC-Anhänger
vereinnahmen? Wem gehörten seine Sympathien? Hat es
seinetwegen Konflikte gegeben? Hat man ihn, den
Ethnologen als einen Hüter von kastom gesehen oder als
einen Vertreter der neuen komunitil Solche und viele
weitere Fragen stellen sich beim Lesen. Um sie zu beant
worten, ist keine lange Nabelbeschau notwendig, aber
wenigstens ein Kapitel wäre es Wert gewesen, die Rolle
des Ethnologen darzustellen, der immerhin eineinhalb
Jahre im Dorf lebte und dieses als ‘change agent’ vermut
lich auch ein wenig verändert hat.
BETTINA BEER