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JANGAR ILYASOV UND MARGARETA PAVALOI
Bronzekessel aus der Sammlung des Linden-Museums
Stuttgart*
In der Sammlung des Linden-Museums - Staatliches Museum für Völkerkunde
(Stuttgart) befindet sich ein aus Bronze gegossener Kessel, der 1980 vom Museum
erworben wurde (Inventar-Nr. A 35.919 L /Abb. 1). Über seine Herkunft gibt es kei
ne präzisen Angaben, da das Objekt aus dem Handel stammt. Der Kessel gehört
zum Typ gegossener Bronzekessel, den Melikian-Chirvani als „standard-chorasani-
scher Typ“ definiert (Melikian-Chirvani 1982, S. 49) und für den eine halbkugelför
mige Form charakteristisch ist sowie ein horizontaler Rand mit vier symmetrischen
Ansätzen. Zwei von diesen haben vertikale Griffe zum Aufhängen, die beiden an
deren sind oftmals mit graviertem oder reliefiertem Dekor verziert. An der Unter
seite befindet sich eine Ringscheibe mit kleinem Durchmesser und drei kleine koni
sche Beine. Die Maße des Kessels: Durchmesser; 52,7 cm, Höhe: 23,5-24 cm (mit den
vertikalen Griffen: 33,1-33,6 cm). Wie schon erwähnt, haben die gegenüberliegen
den, trapezförmigen Flanschen vertikale, hufeisenähnliche Griffe mit dreizackigen
Spitzen. Die beiden anderen Flanschen sind mit Gravierungen verziert. Auf einer
sind zwei verflochtene Rechtecke dargestellt, die in runden Kartuschen eingeschrie
ben sind und die Rippen des Ausgusses flankieren: zwischen den Rippen ist ein wei
teres Flechtmotiv mittig platziert (Abb. 2). Auf der gegenüberliegenden befindet
sich eine Inschrift im Kufi-Duktus: ‘amal Muhammad bin Ahmad = „die Arbeit von
Muhammad Ibn Ahmad“ (oder „gemacht von Muhammad Ibn Ahmad“), die zwi
schen zwei achtblättrigen Rosetten liegt (Abb. 3).
Die meisten der veröffentlichten Kessel dieser Art stammen aus Chorasan, und nach
den Motiven der Ornamentik, wie auch der „Handschrift“ der Inschriften, können
sie ins 12.-13. Jh. datiert werden (Christie’s 1970. S. 32, Lot 118A; LTslam 1977, S.
210-211, No. 472; Chodschageldyjev 1979, S. 106-112; Sotheby’s 1979, S. 36, Lot 152,
Taf. XIX; Sotheby’s 1983, S. 89, Lot 202; Melikian-Chirvani 1982, S. 66,180, Abb. 33,
Taf. 80; Samarcande 1992, S. 120, No. 329; Lukonin, Iwanow 1996, S. 138-139, No.
118, 119; Nagel 2000, S. 322-323, Lot 431). Aber, wie einige Objekte aus den vorlie
genden Veröffentlichungen zeigen (Scerrato 1964, Abb. 18-22; Melikian-Chirvani
1973, S. 42; Idem 1982, S. 48-49, Taf. 10; Chodschageldyjev 1979, S. 110, Abb. 1; 5,
Abb. 2: 8, 9), kann nicht die ganze Gruppe halbkugelförmiger Kessel eindeutig ins
12.-13. Jh. datiert werden. Nach dem Dekor und der „Handschrift“ der Meister
signatur zu urteilen, ist der Kessel aus der Sammlung des Linden-Museums den Bei
spielen aus dem 10. und der ersten Hälfte des 11. Jh. ähnlich.
Zu seiner Interpretation möchten wir die Bronzearbeiten aus dem Hortfund von
Budratsch hinzuziehen, die in Süd-Usbekistan gefunden wurden', ln der Zusammen
setzung des größten Budratsch-Hortes, der Mitte des 11. Jh. vergraben wurde, be
finden sich einige hundert Bruchstücke von Kesseln des oben erwähnten Typs.
Diese, wie auch der gesamte Hort, sind bis jetzt noch nicht umfassend veröffentlicht
worden, deswegen soll im Folgenden ausführlicher darauf eingegangen werden.
In der Zusammensetzung des Budratsch-Hortes sind Fragmente von zwei verschie
denen Arten von Kesseln gefunden worden - geschlossene kugelförmige (Typ 1) und
offene halbkugelförmige (Typ II). Nach den Fragmenten zu urteilen waren fünf ku
gelförmige Kessel darunter. Sie haben einen verdickten Kragen und zwei davon aus
gehende trapezförmige Flanschen (Abb. 4) 2 . Wie die Naht unter dem Kragen uns
zeigt, wurden die Kessel in einer Form, die aus zwei Hälften bestand, gegossen. Der
*Danksagung: Die vorliegende Untersuchung ist eines der Ergebnisse meiner im Rahmen ei
nes von der Humboldt-Stiftung gewährten Forschungsstipendiums durchgeführten Studien zu
frühislamischen Metallarbeitern Ich möchte an dieser Stelle der Humboldt-Stiftung für die
großzügige Förderung danken [Jangar Ilyasov].