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ordnet oder begründen neue Kategorien
beziehungsweise Unterkategorien. So
beinhaltet zum Beispiel der thematische
Bereich „Erzählen“ die Kategorie „Münd
liche Überlieferung“, welche die Subkate
gorien „Großmutter“ und „Lernmethode“
umfasst. Die Kategorien werden der Rei
he nach im Fließtext einzeln beschrieben
und anschaulich mit den entsprechenden
Interviewauszügen belegt. Um beim oben
genannten Beispiel zu bleiben: Der Leser
erfährt an dieser Stelle, dass die meisten
der befragten Geschichtenerzähler in ih
rer Kindheit mit dem Geschichtenerzäh
len vertraut wurden, besonders die Groß
mütter nehmen dabei als Erzählerinnen
im privaten Raum eine wichtige Rolle ein.
Das Geschichtenerzählen als Hauptbe
ruf wird heute nur noch von wenigen
Männern ausgeübt, ln der Schlussbe
trachtung (Kapitel 7) wird vermutet,
dass durch den Nachwuchsmangel an
Geschichtenerzählern die traditionelle
Form des Erzählens vor Publikum in öf
fentlichen Erzählaufführungen verloren
gehe, sollten sie nicht in moderne Medi
en integriert werden.
Das Buch gibt Einblicke in ein bisher
wenig erforschtes Gebiet, Fotografien
bringen dem Leser die beschriebenen
Erzählaufführungen und die Umgebung
visuell näher. Des Weiteren sind von
der Verfasserin selbst erstellte Grafiken
zur Veranschaulichung enthalten. Der
umfangreiche Anhang enthält ein nütz
liches Glossar verwendeter marokka
nisch-arabischer Begriffe im Text sowie
alle elf transkribierten Interviews.
Die Arbeit ist insgesamt als wichtiger
Beitrag zur ethnologischen Erzählfor
schung am Fallbeispiel der Geschich
tenerzähler in Fès und Marrakech zu be
trachten. Hervorzuheben ist in diesem
Zuge die wertvolle Dokumentation der
Geschichtenerzähler-Biografien sowie
ihrer Geschichten und die Erzählsitua
tionen, da die professionellen Geschich
tenerzähler zu einem schwindenden
Berufsstand zählen. Über diesen The
menschwerpunkt hinaus ist das Buch
außerdem als Lektüre für angehende
ethnologische Feldforscher/innen zu
empfehlen, da in der gründlichen Be
schreibung der Auswahl der Methoden
und Zugänge zum Feld häufig auch ganz
grundsätzliche Themen der ethnologi
schen Feldforschung aufgegriffen wer
den und auch nicht davor gescheut wird,
die zum Teil erschwerenden Rahmenbe
dingungen anzusprechen und zu reflek
tieren.
Nathalie Scholz
LATEINAMERIKA
Viola Hörbst
Heilungslandschaften.
Umgangsweisen mit Erkrankung
und Heilung bei den Cora in Jesus
Maria, Mexiko.
(Ethnologische Studien Band 36)
Berlin: LIT Verlag, 2008.
384 Seiten, 29 SW-Abbildungen.
ISBN: 978-3-8258-8078-8.
Vorliegende Studie über Umgangsweisen
mit Erkrankung und Heilung bei den
Cora in Jesús Maria, Mexiko, 2002 an der
Universität Freiburg als Dissertation zu
gelassen, basiert auf vier Aufenthalten
der Autorin in der Kreisstadt und dem
Zeremonialzentrum Jesús Maria in den
Jahren 1997, 1998, 1999, 2000/2001 mit
einer Gesamtdauer von insgesamt zwölf
Monaten. Der im Laufe des 18. Jahrhun
derts von spanischen Jesuiten in der west
mexikanischen Sierra Madre Occidental
gegründete Ort hatte zum Zeitpunkt der
Forschung 1.500 Einwohner, davon war
jeweils die Hälfte Cora beziehungsweise
Mestizen. Obwohl sich schon ab dem 18.
Jahrhundert kleine Berichte zu Gesund
heit, Krankheit und Religion bei den
Cora finden - insbesondere auf die Stu