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blattdesign, was jedoch dem Inhalt dieser sympati-
schen, informativen und wissenschaftlich gut abgesi-
cherten Berichtserstattung keinerlei Abbruch tut.
Ekkehard Schröder
GRYNAEUS Tamäs. 2002. Szent Antal tüze.
Akademiai Kiadö, Budapest. ISBN 963 05 7870 0.
Das vorliegende Buch stellt die bislang letzte Publikati-
on von T. Grynaeus dar, in dem er eines seiner Lieb-
lingsthemen darstellt, die ungarische Ethnoghraphie
zum St. Antonius-Feuer. Leider wurde in diesem Buch
auf eine englische Zusammenfassung und ähnliche
Hilfestellungen verzichtet, wie sie sonst bei diesem tra-
ditionsreichen Verlag (Akade&miai Kiadö, seit 1828)
üblich sind. Deswegen ist dieses Buch für nicht Unga-
rischsprachige auch schlecht zugänglich. Der Autor
schreibt, Sparsamkeitsgründe hätten hier zum Strei-
chen eines Summary und zu einer Verminderung der
Bildauswahl geführt. Wahrscheinlich stand neben öko-
nomischen Gesichtspunkten auch ein Zeitdiktat einer
perfekten Publikation im Wege, da auch eine ver-
gleichsweise grosse Anzahl von Errata mitgeliefert
wird. Wer jedoch das Buch lesen kann ausserhalb der
ungarischsprachigen Kommunität, hat einen grossen
Schatz erworben. Das St. Antonsfeuer, zu dem Gry-
naeus und andere verschiedentlich veröffentlicht ha-
ben, war ein Begriff im europäischen Mittelalter, das
zum Teil durch verheerende Erkrankungen mit gravie-
renden Symptomen und schweren Konsequenzen
heimgesucht wurde. Bei den zum Teil ausweglosen
Heilversuchen entstand im Rahmen einer St. Antons-
Brüderschaft eine zum Teil rituelle Art der Behandlung
für schlechtbehandelbare Erkrankungen. Das St. An-
tons-Feuer, klassisch klinische Form u.a. als Wundrose
(Erysipel) bekannt, zuerst aber im Rahmen einer Ver-
giftung mit dem Mutterkornpilz und dessen Alkaloiden
bekannt geworden , stand auch Pate für andere ähnliche
Erkrankungen mit unguter Prognose. Erkrankungen
solcher Art wurden mit St. Urban assoziiert. Die vier
verschiedenen St. Urban-Päpste aus der Geschichte er-
klären jedoch keinen besonderen Zusammenhang zu
Erkrankungen, allerdings zu verschiedenen Umgängen
mit Feuer. Auch gibt es, so der Autor, wenig Abbildun-
gen eines St. Urbans im ungarischen Mittelalter. Urban
steht volkstümlich für Übelwollendes, jedoch nicht als
Verursacher von Krankheiten. Deswegen scheidet eine
Urban-Ethymologie eher aus, andere Erkrankungen,
die synonym mit dem St. Antonius Feuer genannt wer-
den, teilen nur die Ähnlichkeit mit der klassischen,
erstmalig 1533 beschriebenen Erkrankung „St. Antons-
feuer“ (so der Buchtitel). Da heute Erysipele und ver-
wandte Erkrankungen seltener und weniger gefährlich
Buchbesprechungen / Book Reviews
sind, wird vom St. Antonsfeuer eher in einem bildhaf-
ten Sinne gesprochen, wenn man z.B. von einem durch
Sonneneinstrahlung, Weingenuss oder Hitze geröteten
Gesicht spricht. In einigen Bereichen des ungarischen
Sprachgebietes im Osten steht das St. Antoniusfeuer
für Begleitsymptome wie Kopfschmerzen und Fieber.
Das Syndrom wird traditionell mit einem Tabubruch
‘auch Nahrungsmitteltabus) in Verbindung gebracht.
Die rituell religiösen Behandlungszeremonien (mit ge-
weihten Kerzen, Mehl und anderem) sind oft verbun-
den worden mit Besprechungen, Gebeten und rituellen
Handlungen (Exorzismus, das Stellen von unlösbaren
Aufgaben usw.). Zusätzlich sind die Behandlungen mit
dem Gebrauch verschiedenster Rezepturen verbunden.
Die Behandlungen beschränken sich auf die ungari-
schen Bevölkerungsteile und sind bei den anderen im
ungarischen Kulturraum siedelnden Bevölkerungs-
gruppen unbekannt. Die Heilungen werden oft von
marginalen Persönlichkeiten im Rahmen der jeweili-
gen Gesellschaft (Bettler, Totengräber u.a.) ausgeführt,
berühren sozialpsychologische Aspekte im Lebensrah-
men der Betroffenen und beinhalten einen sakralen
Heilungsakt, im Rahmen dessen der Behandler die Er-
krankung übernimmt oder wegnimmt. Vielen heutigen
Fachärzten (Dermatologen) der jüngeren Generation
ist der ethnomedizinische Begriff des St. Antons-Feuer
iberhaupt nicht mehr bekannt. Durch den weltweiten
Anstieg der Verwendung von Ergotamin-Alkaloiden in
modernen Pharmakopöe (gegen Migräne, in Schmerz-
mittelkombinationen z.B.) kann auch wieder ein An-
zteigen von Fällen dieser Erkrankung beobachtet wer-
Jen. Mithin handelt es sich um einen komplexen syn-
dromalen und soziokulturellen Kontext, dessen
Interpretation sicherlich ein interessantes interdiszipli-
näres Arbeitsfeld im Bereich der Ethnomedizin mit ih-
ren zugeordneten Wissenschaften bleiben wird. Die
Bedeutung dieser Erkrankung lässt sich aus dem um-
fangreichen Material der auch hier von Verlag schon
gekürzten Bildquellen aus dem umschriebenen ungari-
schen Bereich ermessen. Diese für sich stellen bereits
zine interessante und für eine vertiefte Beschäftigung
anregende Dokumentation dar. Zugleich sind sie ein
Dokument für eine erschöpfende Sammlung medizini-
scher Ethnographie zum dargestellten Thema.
Ekkehard Schröder
WHO monographs on selected medicinal
plants. Vol 1. 1999. Genf. ISBN 92 4 154517 8
Dieser bisher erste Band der von der WHO offensicht-
lich geplanten Reihe zu ausgewählten Medizinal-
»flanzen stellt 28 pflanzliche Arzneidrogen (aus Frucht,
Wurzel oder einzelner Pflanzenteile) aus insgesamt 24
v WB — Verlag für Wissenschaft und Bildung