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Full Text: Geschlechts-Umwandlungen

Gutachten I. 
Herr Josef M., geboren am 2. August 1863, jetzt Kaufmann zu 
M. a. Inn (Bayern) hat die beiden Unterzeichneten Anfang September 
1911 zur Beobachtung, Behandlung und Begutachtung aufgesucht. Seinem 
Wunsche gemäß erstatten wir das folgende ärztliche Gutachten, das sich 
stützt1. auf die Lebensgeschichte des pp. M., 
2. auf unsere Beobachtung und Untersuchung. 
Lebensgeschichte. 
Der jetzt 48 jährige Patient gibt an, daß seine Eltern verstorben 
sind. Sein Yater war dem Trunke ergeben und verließ seine Frau, 
als Josef 14 Jahre alt war. Seit dieser Zeit hat er nichts mehr von 
sich hören lassen. Er hatte oft Selbstmordgedanken geäußert. Die 
Mutter soll sehr nervös und schwächlich gewesen sein. Josef ist das 
jüngste von sechs Kindern, von denen zwei, ein Bruder und eine Schwe­ 
ster, verstorben sind (an Schwindsucht bzw. Wassersucht). Es leben noch 
drei Schwestern im Alter von 62, 57 und 54 Jahren. 
Josef M. selbst hat von der Kindheit an viele Krankheiten durchge­ 
macht, u. a. auch mit 28 Jahren eine schwere Meningitis mit mehrwöchi­ 
ger Bewußtlosigkeit. Er war ein ängstliches, leicht zum Weinen ge­ 
neigtes Kind, litt viel an Albdrücken und an Stuhlverstopfung, mit wel­ 
chem Leiden er noch heute behaftet ist. Auch wurde er viel von bösen 
Träumen geplagt. In der Schule lernte er gut, interessierte sich am mei­ 
sten für biblische Geschichte. Er spielte zwar auch mit Knaben, aber viel 
lieber mit Mädchen, hatte auch große Freude an Puppen, die sogar noch 
heute besteht, und lernte auf eignen Wunsch kochen und stricken. Schon 
als Knabe zog er heimlich Mädchenkleider an, so oft es ihm möglich war 
und, wenn seine Haare lang genug waren, flocht er sie, worüber er oft ver­ 
spottet wurde. 
Die Geschlechtsreife trat zwischen 16 und 18 Jahren ein. Die 
Stimme wurde tiefer und es stellte sich eine eigenartige Empfindung an 
den Brustwarzen ein, die heute noch vorhanden ist. Der Geschlechtstrieb 
war von Anfang an sehr schwach entwickelt, auch der Bartwuchs stellte 
sich erst mit 25 Jahren ein und ist gering geblieben. Auch die Körper­ 
behaarung entwickelte sich fast gar nicht. Schon damals sagte man all­ 
gemein, er mache den Eindruck eines Mädchens, und als er einmal in den
	        
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