Raum für Ritter Gluck zu gewinnen, der seine Frau und seine Toch
ter,^) eine Kammerzofe und einen Diener bei sich hatte. Es fügte sich
so, daß er mein allernächster Nachbar wurde: von meinem Arbeits
zimmer führte eine Verbindungstür in das seine. Die Einstudierung
seiner „Iphigenie" war schon so weit vorgeschritten, daß man bereits
mit den Proben der ersten Akte begann. Bei diesen ging es immer
sehr stürmisch her: Gluck lag in offenem Kampfe mit seinem Dichter,
dem Malteserordens-Kommandeur Du Rollet,denn dieser wollte
nicht immer die Verse Racines Worten opfern, die sich der Musik des
Komponisten mehr anpaßten; ebenso mit dem Orchester, den Sängern
und Sängerinnen, die nach seiner Meinung weder singen und vor
tragen noch ihre Instrumente richtig zu gebrauchen verstanden. Ihre
französische Eitelkeit war aufs äußerste verletzt durch alle diese Be
merkungen, die sie sich von einem deutschen Meister mußten sagen
lassen; sie hätten sich weit eher dem Joche eines Italieners gebeugt.
Mme. Gluck zitterte jedesmal, wenn ihr Mann zu den Proben
seiner Oper ging. Man hätte diese viel richtiger mit Vorträgen über
Geschmack, Gesang und Deklamation bezeichnen können, die er voll
endeten Sängern und Musikern mühsam beizubringen suchte. Diese
waren als die vergötterten Lieblinge der Pariser an deren Veifalls-
bezeugungen gewöhnt und hielten sich alles Ernstes für die ersten Vir
tuosen der Welt. Seine treue Begleiterin suchte bei diesen lärmenden
Unterrichtsstunden, Proben genannt, seine Aufwallung und germa
nische Offenheit in den richtigen Schranken zu halten. Das ganze
Pariser Publikum interessierte sich für diese Sache und ergriff natürlich
die Partei von Lully und Rameau,^) ja es schien vereinbart zu haben,
Marianne war Glucks Adoptivtochter. Sie war die Tochter seiner
mit dem kaiserlichen Husarenrittmeister Claudius Hedler verheirateten Schwester.
1759 geboren, sie starb bereits 1776 an den Blattern.
Marie Francois Louis Gand-Leblanc, bekannt unter dem Namen
bailli äu Uollet, Dramatiker, 1716 bis 1786, gehörte damals der französischen
Gesandtschaft in Wien an, lernte Gluck kennen und ermutigte ihn, nach Paris
zu gehen. Er wurde Glucks Textdichter für die Opern „Iphigenie in Aulis"
und „Alceste". Jean Baptiste Lully, 1633 bis 1687, wurde durch Erlangung des
Patentes zur Errichtung einer „Akademie der Musik" (1669) der „Begründer
der französischen Nationaloper". Bei seinen Opern traten zum Unterschied von
der bis dahin gepflegten italienischen die Rhythmik der französischen Sprache