kann letzteres wieder auflieben, abändern und sogar jede durch
Gesetze geschaffene Rechtseinheit vernichten. Bin partikuläres
Gewohnheitsrecht hat gleiche Kraft mit einem allgemeinen Gesetzes
rechte.1) Die Größe der Rechtsgemeinschaft hat mit dem Begriffe
des Rechtes nichts zu tun.
Was den verschiedenen Wert von Gewohnheits- und Ge
setzesrecht anbelangt, ist zu bemerken, daß der diesbezügliche
Streit nur zum geringsten Teile den Unterschied zwischen Ge
wohnheitsrecht und Gesetzesrecht erfaßte, zum größten Teile aber
mit diesem Unterschiede gar nichts zu tun hatte.
Richtig ist es, daß es beim reinen (unaufgezeichneten) Ge
wohnheitsrechte ausgeschlossen ist, daß Rechtssätze dem Rechts
gefühle des Volkes widersprechen, während dies beim Aufkommen
der Rechtspolitik, also beim aufgezeichneten Gewohnheitsrechte,
noch mehr aber beim Gesetzesrechte der Pall sein kann. Ob
eine solche Nichtübereinstimmung ein Vorteil oder ein Nachteil
ist, bleibt immer noch eine offene Frage. Beim Gesetzesrechte
kann eine solche Nichtübereinstimmung dadurch eine besonders
große Dimension annehmen, daß die große Macht der gesetz
gebenden Faktoren auch ein sehr volksfremdes Recht durchsetzen,
geltungsmöglich machen, kann.
Richtig ist es auch, daß das Gesetzesrecht vermöge seiner
prinzipiell deduktiven Entstehung systematischer und selbst
bewußter ist, als das Gewohnheitsrecht.2)
Richtig ist endlich auch, daß die Rechtssicherheit infolge
der leichteren Konstatierbarkeit der Geltung des Gesetzesrechtes
in diesem eine Stütze findet, die es selbst beim aufgezeichneten
Gewohnheitsrechte entbehrt.
Was aber sonst noch an Unterschieden zwischen Gewohnheits
und Gesetzesrecht hervorgehoben wurde, betraf nur zu einem
kleinen Teile jene Sätze des Gesetzesrechtes, die geltungsmöglich
waren. Vorwiegend handelte es sich um jene Aussprüche der
gesetzgebenden Faktoren, die wohl dauernd zu Recht werden
wollten, dies aber nicht konnten. Dabei sind zwei Dinge
Ö Anders S a v i g n y, System, Bd. I, S. 196.
2) Stahl, a. a. 0., Bd. II, S. 243; Merkel, Enz., S. 57; Bierling,
a. a. 0., Bd. II, S. 338; Savigny, Syst., Bd. I, S. 41.
Gutherz, Studien zur Gesetzestechnik. 7