§4.
Interpretation.
Die auf Seite 3 und 4 gegebene Charakterisierung der Ge
setzestechnik als Ganzes gewerteter Mittel, die der gedanklichen
und sprachlichen Verkörperung eines konkret bestimmten Rechts
zustandes dienen, hat durch die bisherigen, den Begriff Recht be
treffenden Ausführungen wohl die nötige Bestimmtheit erlangt,
und es könnten schon jetzt aus dem Wesen des Zweckes der Ge
setzestechnik (Rechtsverkörperung) Schlüsse auf den Inhalt der
Gesetzestechnik (Mittel der Rechtsverkörperung) gezogen werden.
Nun ist aber vorher noch mit einigen Worten auf die juristische
Interpretation einzugehen und dies aus zwei Gründen: Es sind
in letzter Zeit eben vom Gebiete der Interpretation her zahl
reiche Angriffe gegen das positive Recht gerichtet worden. „In t
positivistischer Gewandung lebt sonderbarerweise das alte Natur
recht wieder auf: gespensterhaft ersteht es von den Toten in
aller seiner dürftigen Kahlheit, aber ohne seine einstige Größe.“1)
Die bisherigen Ausführungen können also erst dann als in
sich gefestigt erscheinen, wenn sich an sie eine Interpretations
lehre anreiht, die mit dem gegebenen Rechtsbegriffe einstimmig
ist. Der zweite Grund für ein Eingehen in das Gebiet der Inter
pretation liegt darin, daß eine Gesetzestechnik nicht existieren
kann, wenn die bisherige, sogenannt klassische Interpretation in
ihren Grundlagen zerstört wird. Die Gesetzestechnik dient dazu,
einen konkret bestimmten Rechtszustand im Gesetz verkörpern
1) Gierke in seiner Besprechung von Labands Staatsrecht, a. a. 0., S. 95.