auch erwägen, daß die philologische Interpretation1) eines von
einer großen Anzahl von Menschen verfaßten^ Werkes in un"
absehbare Schwierigkeiten gerät, wenn schon nicht ganz unmöglich
ist.2) Ueberdies wird bei der philologischen Auslegung das auf
rechtzuerhaltende3) Leben des Rechtes wirklich nur durch das
ruck weise erfolgende Einfließen neuer Gesetze in den bis
herigen Rechtsstoff gerettet, falls man schon annehmen will,
daß die bei der philologischen Interpretation infolge der Starrheit
der Begriffe unabänderlichen4) Widersprüche zwischen den
ein Ganzes bildenden Gesetzen verschiedener Provenienz Leben
bedeuten. Die hier geschilderte juristische Interpretation erhält
das Leben des Rechtes einmal dadurch, daß sie die in neuen
Gesetzen hervortretenden neuen Prinzipien sofort zu der ganzen
Masse des Rechtsstoffes schlägt und mit dieser verarbeitet, über
dies aber noch dadurch, daß sie dem Bedeutungswandel der
Gesetzesworte ebenso Rechnung tragen kann wie dem Bedeutungs
wandel von Rechtshandlungen. So verbleiben die Bedeutungen
der Gesetzesworte mitten im Flusse der kulturellen Entwicklung5)
und je reicher eine Person mit sozialer Erfahrung ausgestattet
ist, umso reicher werden die in das Recht einfließenden Be
deutungseinheiten werden, umso besser wird die Interpretation,
umso geringer auch der Sprung vom alten zum neuen Gesetz.
Es soll aber vom Interpreten auch nicht weniger verarbeitet
werden, als aus den Rechtskörpern zu entnehmen ist. Hiedurch
soll insbesondere auf den Schatz -der „immanenten Werturteile
des positiven Rechtes“6) aufmerksam gemacht werden. Diese
nur aus den Rechtskörpern hervorgeb ölten Werturteile, die vom
Rechte jeweils anerkannten Zwecke, bilden ja vielleicht den Haupt
nerv jeglicher Interpretation. Insoweit schließt sich die hier
9 Boeckh, Enzyklopädie und Methodologie der philologischen Wissen
schaften, 1877, S. 10.
2) Sie wird neuerdings gefordert von Geny, Methode ... S. 57, 228 ff. Man
vergleiche: Radbruch, Rechtswissenschaft als Rechtsschöpfung im Archiv
für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, Tübingen 1906, S. 357.
3) Geny, a. a. 0., S. 57, 584.
4) Man vergl. S. 58.
5) Brütt, a. a. 0., S. 62.
6) Brütt, a. a. 0., S. 146.