XVI. Masurische Sagen
97. Das Teufelswerder
In der Mitte des Spirdingsees liegt ein kleines Eiland, das Teufels—
werder. Es besteht aus einem steilen und ziemlich hohen Berge und
begreift etwa drittehalb preußische Hufen in sich. Der Boden ist
fast durchweg sandig und wird beinahe gar nicht zum Ackerbau be—
nutzt. Den Bewohnern des gegenüberliegenden Dorfes Eckersberg
zeigt es, je nachdem es näher oder entfernter scheint, die bevorstehen—
den Veränderungen des Wetters an. Diese Insel ist von bösen Geistern
bewohnt, woher sie denn auch ihren Namen erhalten. Bald zeigen
dieselben sich in Gestalt von Löwen, bald von schwarzen Hunden,
bald unter anderen Formen, necken die Menschen, die in die Nähe
kommen, und fügen ihnen allerlei Schaden zu. Der Geschichten, die
die Umwohner des Sees und vor allen die Bienenbeutner, die ihre
Beuten auf dem Werder halten und des Sturmes halber oft drei
und mehr Nächte darauf festgehalten werden, hiervon zu erzählen
wissen, sind unzählige. Besonders aber haben die Gespenster es auf
die Fischer abgesehen, denen sie bald die Netze zerreißen, bald große
Schätze zeigen, die, wenn jene sie nach langer Mühe endlich heben
wollen, plötzlich verschwinden oder sich in unbrauchbare Dinge ver—
wandeln.
98. Die Kirche zu Engelstein
Eine Meile von Angerburg liegt das Dörflein Engelstein mit einer
Kirche darinnen. Anfangs stand das Dorf nicht an seinem jetzigen
Orte, sondern eine halbe Meile weiter an dem See Rösau, wo sich
die Spuren noch finden. Es hatten nämlich die Begründer des Dorfes
von dem Deutschen Orden ein Stück Wald von 64 Hufen gekauft.
Wie sie nun den Wald ausrodeten, da fanden sie mitten darin eine
lichte Stelle, die ganz wie eine Kirche aussah, mit vier Wänden und
einer Treskammer. Sie war 36 Fuß lang und 24 breit, und die
Sakristei maß 12 Fuß in die Länge und 6 Fuß in die Breite. Die
Wände waren von uralten Bäumen gebildet und ganz verwachsen.
Da erkannten die Engelsteiner, daß sie hier ihre Kirche bauen und sich
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