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Volltext: Geteilte Nachbarschaft

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{nformationssystem interessiert waren, konnte einem 
Volkspolizisten nicht verborgen bleiben. 
Gefordert waren aber nicht nur Herrn Richters 
sichtbare Präsenz in der Öffentlichkeit, sondern auch 
Bereitschafts- und Hilfsdienste für die Staatssicher- 
beit, insbesondere als sich in der Bekenntniskirche in 
der Plesser Straße ein Kreis von Ausreisewilligen um 
Pfarrer Hilse zusammenfand, um Rat zu suchen und 
gegenseitigen Beistand zu organisieren.” 
Herr Richter: »Wenn ’ne Veranstaltung war, ’ne 
Fragestunde oder ’ne Diskussion oder sogar ’n einfa- 
cher Gottesdienst, so hat sich das zum Schluß dann 
gesteigert, bei jedem Gottesdienst, da hatten se denn 
zwei oder drei Wohnungen irgendwie besetzt.” Die 
ham wir eigentlich nie erfahren, da waren die Leute 
von der Staatssicherheit drin. Aber wir hatten eben, 
und weil ick ja nun [nach der Versetzung als ABV- 
Offizier in den Innendienst 1987] zur Leitung gehör- 
te, die Aufgabe, diesen Stützpunkt, den die Leute von 
der Staatssicherheit besetzt hatten, eben mitzu- 
besetzen. Det war damals in der Elsenstraße ’n Stütz- 
vunkt vom WSSB [Werk für Signal- und Sicherungs- 
technik Berlin], da war damals ’n Sportbüro drinne, 
hieß et jedenfalls: Sportbüro ... Da war ehm keen Sport- 
Funktionär und keener mehr da, da war ehm bloß MfS. 
Die hatten det beste Klo, die hatten alle ’ne Telefon- 
leitung, die hatten ’ne Kaffeemaschine, die ham Pfan- 
nen dagehabt, um Essen zu kochen, und wat weeß ich 
alles, und die Volkspolizei, zu der wir nun gehörten, 
wir hatten dort nischt zu suchen. Wir ham in dem Ne- 
benzimmer gesessen, det war ım Prinzip ’n Versamm- 
lungs- oder Aufenthaltsraum für die Sportleute oder 
für die Funktionäre, und dort hatten wir zu sitzen, ’n 
Telefon lag dann immer da mit Kabel rin, daß wir ooch 
eens hatten ...« 
Der Ärger über die »Privilegien« der Stasi-Leu- 
ce und die Zurücksetzung der Volkspolizei im Sport- 
büro hatte aber auch seine »positiven« Seiten: Da Herr 
Richter nie als Informeller Mitarbeiter geworben wur- 
de, stand er auch nicht vor dem moralischen Problem, 
wie er eine »doppelte Buchführung« mit seiner grund- 
Matthias Kehl 
sätzlichen Lebenseinstellung vereinbaren sollte. Mar- 
ginale Hilfsdienste für das MfS bewegten sich formal 
im Rahmen »normaler« Polizeiarbeit. 
Herr Richter: » nen IM ham wir dort [im Sport- 
büro] nie gesehn. Det warn also Leute, die kannte man 
in der Zwischenzeit schon, von der Kreisdienststelle 
des MfS, und die haben dort den Einsatz geführt. Det 
heißt, also wenn draußen die irgendwie wat wissen 
wollten, denn kamen sie an zu mir und haben gesagt: 
Du, kuck mal, da is der und der, der sieht so und so aus 
und mit dem und dem Auto, setz mal deine Leute ein, 
und da wir ooch Leute abstellen mußten, die draußen 
Streife gegangen sind, ham wir die Leute dann ange- 
rufen über Funk oder so wat, dann mußten die ehm 
ne Kontrolle machen, damit die [Staatssicherheit] die 
Personalien hatte.« 
Herr Richter: »Da waren wir nich informiert. 
Es gab also viele Einsätze vom Ministerium für Staats- 
sicherheit. Die hatten zum Beispiel ihre Mitarbeiter 
in der Kirche, det wußte kein Mensch, wer det is ... 
Det war ehm streng geheim, und die Leute ham det, 
wat dort gesagt wurde, und den Personenkreis obser- 
viert, und det wurde anschließend gemeldet, allerdings 
nicht in diesem Stützpunkt, denn dieser Stützpunkt 
war an und für sich nur für die operative Tätigkeit 
gedacht. 
Det ham wir also nie erfahren, da wurden wir 
ooch nich rangezogen an solche Sachen. Ick kann mich 
erinnern, daß wir mal uff der Dienststelle ’ne Mittei- 
lung gekriegt haben, wat für Leute dort gewesen sind 
bei einer kirchlichen Veranstaltung, aber nich, um zu 
wissen, daß die Leute eben da warn, sondern daß man 
sagte: So, da müßt ihr euch mal drum kümmern, wat 
sind det für Leute oder so, ja. Aber sonst wurden wir 
zu solchen Sachen eigentlich nich rangezogen. Det hat 
man streng geheim gemacht, da hat man keenen range- 
lassen.« 
Die bereits erwähnten »Schwätzchen« mit Pfar- 
rer Hilse haben sich offenbar nie um das gedreht, »was 
dort in der Kirche wirklich war«, wie auch der bloße 
Bereitschaftsdienst im »Sportbüro« kein Anlaß für die
	        
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