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W einhole! :
Zu dem „Gesetze der Sneider diser Stad" malte der Künstler ein. lebendiges
Bild mit unleugbarem Humor (Taf. VI). Wir sehen in die graugetünchte
Schneiderwerkstatt mit brauner Balkendecke, und blicken durch zwei, die
Hinterwand fast ganz einnehmende Fenster auf eine malerische Stadt mit bergicht-
waldichter Umgebung. In der Mitte des Bildes steht eine feine schöne Dame in
enganschliessendem, weitschleppigem, türkisblauem Kleide mit weissen Ärmeln,
den Kopf mit weit am Rücken herabhängendem Schleier geschmückt. Ihr nimmt
der Meister an der linken Schulter gerade Mass, während sie nach rechts auf den
roten Stoff blickt, der über den Schoss eines sitzenden Gesellen gebreitet ist,
welchem ein Ziegenbock aus der Hechten frisst. Ein grüner Kranz liegt schräg
über die zierlich frisierten Kopfhaare des mädchenhaft aussehenden Burschen. Rechts
an der Wand steht der Zuschneider vor einem Tisch und macht durch das ausge¬
breitete rotbraune, mit goldenen Kleeblättern durchwirkte Tuch mit der Schere einen
Querschnitt. Er hat Zwickelbart und trägt eine barettartige Mütze. Sämtliche
Schneider sind in sehr bunten Joppen, als ob sie der Vorschrift der städtischen
Verordnung trotzen wollten: kein Sneyderknecht noch meister zal keyn ander Joppe
tragen wenn (als) von einerley färbe brüst und ermel. An der linken Wand sind
verschiedenfarbige Stoffe über eine Stange gelegt; darunter hängt eine Männermütze
mit breitem Schirm von grünem, rauhem oder (lockichtem Zeug. Eine Sitzbank
zieht sich an dieser Wand und unter den Fenstern hin. Über die Diele sind
bunte Flecke gestreut. Bunte Pfeiler mit Kapitellen, aus denen Pflanzenwerk steigt,
das sich oben vereinigt, rahmen das Bild ein.
Die XVII. Miniatur versetzt uns m eine Schusterstube. Vorn öffnet sich
ein Blick ins innerste Eheleben des Meisters Pechdraht; hinten sehen wir in einem
erkerartigen Anbau der Stube den kahlköpfigen Meister in weissem Überhemd, das
auch der eine der beiden auf dem Dreischemel arbeitenden Gesellen über dem
Rocke trägt. Der Meister schneidet auf dem Tische Schuhe zu. Über ihm hängt
an einem Stangengestell ein fertiges Paar, sowie andere auf dem Brett des Butzen¬
scheibenfensters in seinem Rücken zu sehen sind.
Interessanter ist die Vorderscene: die Frau Meisterin sitzt in grünem, spitz-
schleppigem Kleide mit Busenausschnitt, den weisses Unterzeug deckt, und einem,
am Hals schliessenden Überhemdchen, auf dem Kopfe eine den ganzen Haar¬
aufbau des Hinterkopfes bedeckende, mit aufgenähten weissen Wolken verzierte
Haube, unter der das blonde Vorderhaar mit Seitenlocken hervorschaut, am
Spinnrocken, nahe der Thür. Hinter ihr an der Wand ist ein vierreihiges Aus¬
hängebrett mit dem Vorrat der Werkstätte zu sehen; auf demselben sitzt der Haus¬
hahn. Zum Knie der Mutter streckt ein ganz nacktes Kind das Händchen hinauf,
das soeben jenen kleinen Schneckenberg auf die Diele gesetzt hat, der als Attrappe
auf den Tafeln französischer Könige beliebt war. Auf der anderen Seite der Frau
Meisterin sitzt, halb liegend, ein Spielmann mit seinem Dudelsack auf dem Stuben¬
boden; die Narrenkappe ist von dem kurz geschorenen, aber nicht kahlem Kopf
zurückgeschlagen. Er trägt einen eleganten hellen Rock, den der Gürtel mit
Täschchen mitten umschliesst. Auf den Rocksaum sind Buchstaben gestickt.
Die Füsse stecken in weit ausgeschnittenen Schuhen. Er scheint mit der
jungen Frau zu liebeln. Jedenfalls ist es ein feinerer Bursch als der Spiel¬
mann der dritten Miniatur (Krämer), welcher nacktbeinig und barfuss in einem
citronengelben ledergegürteten Rock mit Kapuze, den Dudelsack unter dem Arm
vor der offenen Krambude steht und etwas von den Lebensmitteln, die sie enthält,
von der Budenjungfer kaufen möchte.
Gern würde ich noch weitere Bilder beschreiben, aber der Raum verbietet