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Full Text: Zeitschrift des Vereins für Volkskunde, 1.1891

Land und Leute der Saalegegenden1). 
Yon August Meitzen. 
Meine Absicht ist, die besondere Stellung zu behandeln, welche Land und 
Leute der Saalegegenden in dem Zusammenhange der deutschen Volks¬ 
kunde einnehmen. Die Frage lässt sich näher dahin fassen, können wir 
uns ein zutreffendes Bild von dem Zustande der Saalegegenden zur Zeit 
der ersten Bewohnung und von den Veränderungen, die sie durchlaufen 
haben, machen; wissen wir, welche unserer Volksstämme in ihnen Sitze 
nahmen, und lassen sich noch in der Gegenwart Spuren ihrer volks¬ 
tümlichen Eigenart erwarten? 
Ziehen wir zunächst die Beschaffenheit und Lage des Landes in 
Betracht. 
Keine wissenschaftliche Errungenschaft hat unseren Anschauungen 
über die Kulturentwickelung unserer deutschen Heimat so festen Halt 
gegeben, als der Nachweis, dass Europa nördlich der Alpen vor noch nicht 
allzu lange zurückliegender Zeit eine Polar wüst e war. Berg und Thal, 
Ebenen und Meeresboden hatten bereits alle Hauptformen ihrer heutigen 
Gestalt gewonnen, als aus unbekannter, wahrscheinlich kosmischer Ursache 
eine Verminderung der durchschnittlichen Temperatur von, wie man an¬ 
nimmt, 3 — 4 Grad eintrat, und sich deshalb unaufhaltsam, wie es auch 
heute geschehen würde, die Kiölen vom Polarkreis aus in eine ins Un¬ 
geheuere anwachsende Schnee- und Eismasse hüllten. Von Schweden her 
füllte ein unermesslicher Eisstrom die Ostseetiefe. Als er 1000 Fuss über 
die heutige Meeresfläche angewachsen war, floss er quer von Norden nach 
Süden, staute noch am Riesengebirge und Harz in 1200 Fuss Seehöhe an 
und drang in gleicher Stärke in die Saaleebenen ein. Von Süden her, 
von den Alpen und Pyrenäen, kamen dieser Eismasse weitverzweigte 
Gletscherströme entgegen, welche von Höhen, wie dem Rigi, nur noch 
geringe Spitzen frei Hessen. 
Für unsere Frage folgt daraus, dass an der Saale, wie in ganz Deutsch¬ 
land, Fauna und Flora total vernichtet, und der Mensch, wenn er sich 
schon bis hierher verbreitet hatte, getötet oder vertrieben wurde. 
1) Vortrag in der ersten "Versammlung des Vereins für Volkskunde am 23. Januar 1891. 
Zeitschrift d. Vereins f. Volkskunde. 1891. g
	        
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