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Deutsche Volksscliauspiele, In Steiermark gesammelt. Mit Anmerkungen
und Erläuterungen nebst einem Anhange: Das Leiden Christi — Spiel
aus dem Gurkthale in Kärnten. Herausgegeben von Dr. Anton
Schlossar. Halle. Max Niemeyer. 1891. Zwei Bände. VIII.
343 S. und 404 S 8°.
Herr Dr. A. Schlossar in Graz, der sich um Kulturgeschichte und Volks¬
kunde der Steiermark seit längerer Zeit verdient gemacht hat, veröffentlichte in
den beiden Bänden, die wir hier anzeigen, volkstümliche Schauspiele aus steirischen
Quellen. Ein kärntisches Passionsspiel ist beigegeben.
Die Spiele sind folgende: I. Band. Das Paradeisspiel. Das Schäferspiel (vom
guten Hirten). — Das Krippelspiel. Die Geburt Christi. — Das Leiden Christi.
— Das Nikolausspiel. — Genovefa. — II. Band: Judith und Holofernes. — Hir-
landa. — St. Barbara. — Susanna. — Der bayrische Hiesel. — Der gefoppte Geiz¬
hals. — Ein Nachspiel. — Das Leiden Christi.
Also geistliche Spiele der Gattung, auf welche ich zuerst, in meinen "Weih¬
nacht-Spielen und Liedern aus Süd-Deutschland und Schlesien (Graez, 1853)
die litterarische Forschung aufmerksam gemacht habe; ferner ältere biblische Dramen
(Judith, Susanna), moderne Dramatisierungen legendarischer und weltlicher Stoffe,
und Reste von Pastnachtspielen.
Der Text ist sehr verwarlost, denn er fliesst aus jungen Abschriften, welche
von Landleuten gemacht sind aus Copien, die in unbestimmbarer Reihe gleicher
Abschriften auf irgend ein gedrucktes oder geschriebenes Original zurück¬
leiten. Herr Schlossar hat sich bemüht, hier und da Korrekturen vorzunehmen;
aber ein jeder, der mit solchen Spiel- oder Liederhandschriften aus dem Volke
zu thun hatte, weiss, wie nur im seltensten B^alle sichere Herstellungen zu erreichen
sind. In den Anmerkungen hat Herr Schlossar auch über die Herkunft der
Handschriften und über die Stoffe und ihre Litteratur Mitteilungen gemacht, ohne
indessen auf Untersuchungen einzugehn.
Dazu ist auch hier leider kein Raum, obschon manches dazu verlockte, wie
B. das Nikolausspiel. Ich muss mich begnügen, einige allgemeinere orientierende
Bemerkungen zu machen.
Für die geistlichen Spiele des evangelischen Festcyclus — Weihnachten,
Ostern — leiten die noch im Volke überlieferten Texte auf das 16. oder 17. Jahr¬
hundert: Reformation und Gegenreformation. S ehr ö er zuerst hat in seinen deutschen
Weihnachtspielen aus Ungern (Wien 1858. S. 162 ff.) auf die Beziehungen des
Oberuferer Weihnachtspiels zu Hans Sachsens biblischen Dramen aufmerksam
gemacht, ebenso auf Berührungen mit den Edelpöckschen und Berliner (Pondoschen)
Weihnachtskomödien. Dann ist Aug. Hartmann in seinem Weihnachtspiel und
Weihnachtlied in Oberbayern (München 1875. S. 12 17) und in seinen Volks¬
schauspielen (Leipzig 1880. S. 49 ff.) weiter darauf eingegangen. Durch die
Meistersingerschulen, die in manchen Orten das Theaterprivilegium erhielten und
sich in Spielgesellschaften umwandelten, wie die Oberuferer Singer noch bis über
die Mitte unseres Jahrhunderts bezeugt haben, wurde das Fortleben der alten dra¬
matischen Stoffe und Erzeugnisse, alter dramatischer Kunst und Art vermittelt, und so
erklären sich auch die in die Schlossar sehe Sammlung aufgenommenen Judith-
und Susannatexte nach Abschriften des 18. Jahrhunderts.
Neben den Singschulen kommen die freien Spielgesellschaften in Betracht, die
im südlichen Deutschland von Ungarn bis in die Schweiz seit dem 16. Jahrhundert
in Städten und Dörfern bestanden und bis in die Gegenwart in den österreichischen
Zeitschrift d. Vereins f. Volkskunde. 1891. 15