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Full Text: Zeitschrift des Vereins für Volkskunde, 1.1891

Schwartz: "Volkstümliche Schlaglichter. ]7 
wissenschaftliche Volkskunde nicht einen bestimmten Ausschnitt der 
geistigen Betätigung, sondern nur eine besondere Weise der Betrachtung. 
Ist diese mehr synthetisch, so nennen wir sie völkerpsychologisch; ist sie 
mehr analytisch, so rechnen wir sie zur Volkskunde und zur Geschichte. 
Volkstümliche Schlaglichter. 
Von Willielm Schwartz. 
Wenn Sammlungen von Sagen und Aberglauben den Kultur- und 
namentlich den wissenschaftlichen Kreisen das Verständnis des Volks¬ 
glaubens vermitteln, so gehören dazu als Ergänzung eines richtigen Bildes 
von dem ganzen Denken und Empfinden der „volkstümlichen" Kreise in 
jenen, wie in den übrigen mannichfachen Lebensverhältnissen, gleichsam 
Gallerien von kleineren Genrebildern, in denen sich auch in jenen Schichten 
das allgemein Menschliche, wenngleich in primitiveren, beschränkteren und 
oft roheren Lebensformen, abspiegelt1). 
Derartiges erscheint zumal für eine wissenschaftliche Volkskunde 
heutzutage um so notwendiger, je mehr das ganze europäische Kulturleben 
sich immer ideeller wie rationeller entwickelt, und Litteratur, Wissen¬ 
schaft und Kunst die Kluft erweitert haben, welche überall schon da ent¬ 
steht, wo, neben einem natürlichen, den mehr ländlichen Kreisen anheim¬ 
fallenden Volkstum, sich ein reicheres Kulturleben an einzelnen Central- 
stellen in besonderen Lebensgestaltungen zu entfalten beginnt. 
Zwar ist mit der politischen Entwicklung Europas seit dem Ende des 
vorigen Jahrhunderts in der Wissenschaft prinzipiell die Verachtung 
geschwunden, mit der damals die gebildete Welt in dem idealen Auf¬ 
schwung, welchen sie selber zu nehmen anfing, auf die Sprache und das 
ganze Leben und Treiben der unteren Stände hinabzusehen sich gewöhnt 
hatte. Aber das Verständnis desselben wird noch vielfach behindert durch 
den täglich sich im Gefühl jedes Einzelnen bewusster oder unbewusster er¬ 
neuenden Gegensatz zwischen einem nach idealer Schönheit ringenden Kultur¬ 
1) Gelegentlich habe ich schon auf derartiges hingewiesen in Artikeln wie „Von ein¬ 
zelnen Ueberresten des alten Naturzustandes in der heutigen Lebensweise der Deutschen", 
„Homer und der alte Fritz im Volksmund'', ..Markgraf Hans im König], Museum zu Berlin", 
die in den „Prähistorischen Studien", S. 112 ff., 141 f, 502 f. wiederabgedruckt sind. Vergi, 
daselbst die kulturhistorisch-pädagogischen Miscellen, S. 379 f. und 207 Anh. 
Zeitschrift d. Vereins f. Volkskunde. 1891. 2
	        
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