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Full Text: Zeitschrift des Vereins für Volkskunde, 1.1891

Zur Einleitung. 
Yon Karl Weinhold. 
Der Verein, dessen Organ die vorliegende Zeitschrift geworden ist, 
verfolgt den wissenschaftlichen Ausbau der Volkskunde als seine Aufgabe. 
Er will einen Mittelpunkt der deutschen Forscher und Sammler für das 
Volksleben und dessen Geschichte bilden und in wetteifernder Arbeit mit 
den gleichen Bestrebungen in den anderen Ländern die Erkenntnis der 
Vorgänge in dem Seelenleben der Völker und das Wissen von den äusseren 
und inneren Zuständen fördern, welche im Laufe der Zeiten entstanden sind. 
Für die Kunde von den volkstümlichen Überlieferungen in Sagen, 
Märchen, Liedern, Sitten u. s. w. hatte der Engländer Thoms im Athenäum 
vom 22. August 1846 das Wort folklore vorgeschlagen, das von seinen 
Landsleuten bald angenommen ward. Es ist heute ein Weltwort geworden, 
indem es auch in den anderen germanischen, in den romanischen und 
slavischen Ländern Annahme gefunden hat. Folkloristen nennen sich jetzt 
viele Sammler von Volksüberlieferungen in Europa und Amerika mit 
Vorliebe. 
Ich habe in einem kleinen Aufsatze, überschrieben: „Was soll die 
Volkskunde leisten?" (im 20. Band der Zeitschrift für Völkerpsychologie 
und Sprachwissenschaft, S. 1 — 5) gegen jenes Wort Verwahrung eingelegt, 
sofern man es auch in Deutschland verwendet, und habe nach dem Vor¬ 
gange auch andrer Männer Volkskunde als weit bezeichnender empfohlen, 
ganz abgesehen davon, dass dieses ein deutsches Wort ist. „Volkskunde" 
hat Reinhold Köhler in seinem Artikel Folklore (im Supplementbande 
zu Brockhaus Conversations - Lexikon von 1887) geschrieben, „bedeutet 
die Kunde vom A7olk oder über das Volk; sie umfasst also auch die Kunde 
des Folk-lore, aber sie ist nicht selbst Folk-lore". Mit vollem Recht hat 
R. Köhler hervorgehoben, dass Folklore nur eine Abteilung der Volks¬ 
kunde ist, und dass diese einen viel weiteren Umfang hat als jene. Dieser 
sachliche Grund möge die deutschen Liebhaber des Fremdwortes folklore 
von dem unnützen und geschmacklosen Gebrauche desselben abbringen. 
Übertroffen wird die Geschmacklosigkeit freilich noch durch den Gebrauch 
der komischen Bildung Folklorist. 
Die Volkskunde ist zur Zeit noch im Werden. Nur durch exacte 
Zeitschrift (1. Vereins f. Volkskunde. 1891. 1
	        
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