4 Grashosss Reise von Buenos Ayres durch die argentiniscl
Auf der weiten Fläche der Pampas können Wagen fahren , ohne auf ein natürliches Hinderniß zu stoßen . Der Menfch braucht nur da . und dort ein wenig Bahn zu machen , indem er Bäume und Gestrüpp beseitigt . Mit der leichtesten Mühe ließeir sich die trefflichsten Verbindungswege herstellen ; die Natur hat Alles dazu vorbereitet , sie bedarf nur geringer Nachhilfe . Unabsehbare Ebenen , dichte Wälder und große Ströme kennzeichnen das Land . Der Horizont ist unsicher , er verschwimmt iu farbigen Wolken und leichten Dünsten mit Himmel und Erde ; man weiß nicht , wo der letztere auf - hört und der erstere beginnt . Im Norden wie im Süden liegen Indianer auf der Lauer ; iu Mondscheinnächten stürmen sie aus ihren Schlupfwinkeln hervor und überfallen gleich einem Trupp Hyänen Heerden und Hirten . Dann und wann ziehen Wagenkarawanen durch die Pampas . Sie heilten Rast ; die Mannschaft lagert sich um ein Feuer und hält dabei unwillkürlich den Blick nach Süden gerichtet . Beim kleinsten Geräusch starrt der Baqueauo iu die düstere Nacht hinaus , um zu erspähen , ob nicht eine Indianerhorde mit plötzlichem Ueberfall drohe . Sein Ohr hört nichts Ver - dächtiges ; aber der Reisende ist darum nicht beruhigt ; er betrachtet genau das Ohr des Pferdes und sieht zu , ob das - selbe sich uicht bewege und nach hinten hinabhänge . Ist das der Fall , so weiß er , daß er für den Augenblick sicher ist .
Die Pampas - Indianer , unter sich gesellschaftlich ver - bunden , sind in vieler Beziehung interessant . Sie bewohnen meist den Süden der argentinischen Provinzen . Die im Osten der Anden in den Pampas umherstreifenden werden gewöhnlich unter dein Namen der Ancas zusammengefaßt . Sie werden in die , am weitesten nach Osten streifenden , Ranqnelas und die an den Quellen des Rio Negro woh - nenden Chilenos getheilt . Ihre Zahl wird zusammen aus 39 , 000 Seelen geschätzt . Die Pnelchen , ein Stamm , der nur etwa noch 600 Köpfe zählt , hatten früher die Jagdgründe in der Provinz Buenos Ayres inne , jetzt wohnen sie meist am Rio Colorado .
Ueber ungeheure Strecken des Landes schweifen diese Wilden hin und man trifft sie ost einige hundert Stunden von ihrem eigentlichen Wohnsitze entfernt an . Jetzt find sie noch der Schrecken der Weißen , aber nach Ablauf eiues halben Jahrhunderts wird es schwerlich noch wilde Indianer nörd - lich vom Rio Negro gebeil . Der Vernichtungskrieg gegen sie ist zu blutig ; der Christ mordet bcit Indianer und der Indianer den Christen . Der Eingeborene hat nach lind nach dem Spanier Platz machen müssen .
Am 2 . Deeember Abends kam Grashoff in Rosario am Parana an . Von Buenos Ayres bis hierher rechnet man etwa 70 - Leguas . Das Städtchen spiegelt sich recht hübsch in den weißen , silberhellen Finthen des bedeutenden Stromes . Iu demHanse eines Rheinländers , Deichmann , fand Grashoff gastliche Aufnahme . Durch mehrere päische Kaufleute , unter denen auch eiuige Deutsche sind , hat sich Rosario zum wichtigsten Handelsplatz am Parana erhoben . Die Ankerplätze sind vortrefflich und Seeschiffe mit 14 Fuß Tiefgang können zu jeder Jahreszeit dorthin gelangen .
Hinter Rosario war die Gegend durch die Pampas - Indianer unsicher . Grashoff und feine Gefährten reisten bis au die Zähne bewaffnet . Sie wurden jedoch von keinem Unfall betroffen .
Die Distel verschwand und üppiger Graswuchs trat au ihre Stelle . Bei der Station Esqnina war ein bis 15 Fuß hoher Zauu aus langstieligen , stacheligen Cacteen und den breitblättrigen Tunales , ans welchen die Cochenille - schildlaus lebt , zum Schutz gegen die Indianer gepflanzt worden . In der Hecke flatterten bunte Papageien umher und der Scheerenvogel , Tijerata , mit seinem langen getheil -
it Pampas und über die Cordillere uach Copiapo in Chile .
teil Schwänze belebte die graugrünen Cactusarten . Eiu Gauchomädchen beschenkte die Reisenden nach Landessitte mit dem duftenden Kraut vou Basilicum . — In den elenden Ranchos ( Hirtenhütten ) , die am Wege liegeir , erhält man ein nationales Getränk , Onemadillo , das aus Wachholder - braulltweiu iinb warmem Wasser mit einem Zusatz voil Anis und Zucker bereitet und durch eine lauge Röhre eiuge - saugt wird .
Bei Cabeza de Tigre fanden die Reisenden eineil neuen eigentümlichen Schutzwall gegeil die räuberischen Indianer - hordell anfgeworfen . Es war eine doppelte Mauer von über 20 Fuß hohen Pereseien , eurer sehr stäche ! - und astreichen Eactusart , hinter welchen Erdhaufen ausgeworfen waren . Kurz vor Grashoff's Ankunft hatten die Indianer in der Nähe vier Männer getödtet und ein Mädchen geraubt .
Hier schon kam der Algarobebaum strauchartig vor ; die Vegetation wurde immer reicher , das Gras höher lind dichter . Die Reseda der Prairie , trebol , wächst häufig und erfüllt mit ihrem Dufte die Lüfte . Bunte , seltsam gestaltete Falter wiegen sich in den Blüthen ; die amaranth - rothe Pampasrose unterbricht in tausenden voll plaren das einfarbige Grün des Grases , in welchem hellgrüne Eidechsen umherrascheln und über deni der graubraune Adler und ein anderer als Wetterprophet betrachteter Raubvogel , der Nago , schweben .
BeiPosto deBusto ward das Nachtlager durch allerlei Mosquiten , zudringliche Mäuse und Kröten gestört . Mangel ail Bequemlichkeit und körperlicher Erquicknng kennzeichnen überhaupt das Reisen in diesen halbcivilisirten Ländern . In den ärmlichen Poststationen und elenden Ranchos ist selten etwas zu bekommen und Grashoff hatte sich deshalb mit dem Notwendigsten selbst versehen : Messer , Gabeln , Löffeln , Schüsseln und vor allein einem eisernen Wasserkessel , um darin Wasser zur Bereitung des Mate ( Paraguaythee's ) zu kochen . Brod und Salz sind bei den Gauchos nicht zu haben , wenigstens ist das Steinsalz grau und schlecht und der Branntwein noch schlechter . Guter Brateil ( asado ) , der am Spieße geröstet wird und vortreffliche mit Zwiebeln bereitete Fleischbrühe ( caldo ) findet man dagegen in den viehreichen Lailden überall . Der Weg uach Cordoba hin war ost durch Wageukarawaileu belebt , welche Maaren nach Rosario führten . Diese Wagen , carretas , deren Dach und Seiteil ulit Ochseilhäuten überspannt sind , sehen sehr fällig ans . Die Räder find bis 5 Fuß hoch , große Ochsen sind vorgespannt und den ganzen Vorderraum der Carreta nimmt der Führer , Tropero , nebst seiner Familie ein . Das Lenkeil der Ochsen geschieht vermittelst einer langen , vorn mit Eisen beschlagenen Stange .
Kurz vor Cordoba bemerkt man wieder die ersten Kreuze ; sollst ist auf der ganzen Strecke von Buenos Ayres an ( 183 Leguas ) nicht ein einziges christliches Zeichen zn sehen . Die Sierra de Cordoba erscheint in massenhaften , großartigen Umrissen ; die Stadt selbst tritt erst ans dem Thale hervor , wenn man ihr ganz nahe ist . Ihre Lage ist sehr malerisch ; die Straßen sind , wie bei den meisten spanischen Städten Südanierika's , alle rechtwinklig nnb einförmig gebaut .
Cordoba ist die Hauptstadt der Provinz gleiches Namens und zählt zwischen 14 und 15 , 000Seelen * ) . Sie hat sechs Kirchen , doch keine derselben ist im reinen Style gebaut . Nach Tschudi sind die Bewohner zu neun Zehntheilen Mischlinge , vorzüglich Mestizen , kräftige Leute , bei denen aber der feinere
* ) Nach Tschudi ( Reise durch die Audes von Südamerika . Gotha 1860 ) bat Cordoba 22 bis 25 , 000Einwohner . Wir haben früher im Globus erwähnt , daß von Rosario nach Cordoba eine Eisenbahn gebaut werden soll .