290 Aus dem Volkslel
auf der Hausflur sitzen Frauen , ganz in orientalischer Weise , und flechten Este ras de esparto , Teppiche aus dem Espartograse , die in ganz Andalusien in Gebrauch sind . Der Betrieb des Bergbaues und der Schmelzhütten ist in der Provinz von nicht geringer Wichtigkeit und wirkt fördernd auf das rege Leben in der Stadt , welche viel Werth daraus legt , daß . sie , von Phöniciern gegründet , älter sei , als selbst Granada . Auf den Mauern , welche von diesen herrühren , stehen arabische Gebäude , und die glänzenden und schönen Tage von Almeria fallen in die Zeiten , da es nicht den Christen gehörte . Die Araber - Haben es 766 in Besitz genommen und dort ein Königreich gegründet , das bis in die Mitte des 12 . Jahrhunderts bestand . Die Piraten von Almeria waren weit und breit im Mittelländischen Meere gefürchtet . Die verbündeten Spanier , Pisaner und Genuesen haben einmal , 1147 , die Stadt erobert und damals reiche Beute gemacht .
Die Sage will wissen , daß unter derselben sich die Schale aus Smaragd befunden habe , welcher sich der Hei - land der Christen bei Anstheilung des Abendmahls bediente . Diese Reliquie kam nach Genua , wo sie Jahrhunderte hin - durch als Sacro eatino , die geheiligte Schale , für den kostbarsten Schatz der reichen Handelsstadt galt . Freilich will eine andere Sage behaupten , dieselbe sei in den Kreuz - zügen zu Cäsarea erbeutet worden , und ursprünglich ein Geschenk , welches die Königin von Saba dem König Sa - lomo gemacht habe . Noch eine andere Ueberliefernng sagt , sie sei der heilige Graal gewesen , jenes mystische Gefäß , nach welchen : König Arthur itnb die Ritter seiner Tafel - runde fo eifrig gesucht . In Genna wurde der Sacro ratino dem gläubigen Volke nur bei feierlichen Gelegen - heitert und aus der Ferne gezeigt und es war bei schwerer Leibesstrafe verboten , denselben zu berühren . Allmälig aber wurde , auch von Geistlichen , z . B . dein Abb6 Barthe - leint ) , die Echtheit des Gesäßes bezweifelt , und als unter Napoleon dem Ersten dasselbe nach Paris gebracht wurde , kam man über die Sache ins Klare ; man überzeugte sich , daß die Schale nicht aus Smaragd , sondern aus antikem Glase bestand . Im Jahr 1815 wurde sie nach Genua zw rückgeschafft , zerbrach aber auf der Reise und man mußte sie mit Gold zusammennieten .
Die Umgegend von Almeria ist ungemein fruchtbar , die Ueppigkeit der schönen Gärten wird in den moreskischcn Romanzen hoch gepriesen . Während der Kriege , welche die Mauren in den Alpttjarras gegen die Christen führten , wurde gerade in der Provinz Almeria den letzteren ein verzweifelter Widerstand geleistet , welchen erst Don Juan d'Austria in der zweiten Hälfte des 16 . Jahrhunderts brach . —
Die beiden Reisenden zogen von Almeria nach Malaga , der Küste des Mittelmeeres entlang , durch die Stadt Dalias , wo im Sommer böse Fieber herrschen ; dann über Adra , das auch ungesund ist , und wo mehre Ata - layas , maurische Wartthürme , liegen ; auch diese Stadt rührt aus den Zeiten der Phönieier her , und sie fchlug in den Tagen des Kaifers Tiberins eigeue Münzen . Dem Nordeuropäer sind die Baumwollenfelder und die Pflan - zungen von Zuckerrohr , die er in der Gegend von Motril findet , etwas Ueberraschendes ; aber diese ganze Küste hat einen beinahe tropischen Charakter . Der Weg führt weiter über Salobrena und Almunecar . Im Hafen dieser letztern Stadt landete Abderrhaman der Erste , der Omma - jade , und eroberte dann Spanien . Bald nachher gelangt man nach Velez Malaga , dem „ Paradiese von Süd - spanien " . Die Stadt verdient diese Bezeichnung , denn schwerlich hat irgend eine andere in ganz Europa einen
i in Südspanien .
reinern Himmel und wärmeres Klima . Außer Zuckerrohr und Baumwolle gedeihen dort auch Indigo , Kaffee , süße Kartoffeln und andere tropische Pflanzen , sogar die südame - rikanische Chirimoya wird reif .
Und nun Malaga , „ die Zauberin , die Stadt mit dem ewigen Frühling , welche das Meer sanft bespült , zwischen Jasmin und Orangen " .
Malaga la hechieera ,
La clel eternel primavera ,
La que baSa dulce el mar
Entre jasmin y azahar .
Das Lob ist wohlverdient , und Malaga in der That eine reizende Stadt , deren reges Leben und Treiben einen sehr angenehmen Gegensatz 511 der Stille und Oede Grana - da's bildet .
Wir gingen , schreibt Davillier , zuerst nach der Ala - meda , welche man , warum weiß ich nicht , als Salon de Bilbao bezeichnet . Man hat den Platz zu dem großen Baumgang einst dem Meer abgewonnen . An dem einen Ende befindet sich ein prächtiger marmorner Spring - brunnen , welchen die Republik Genua Kaiser Karl dem Fünften gefcheukt haben foll . Dort kann man die Schön - heit der Malagnenas bewundern , die mit vollem Recht in ganz Spanien hoch gepriesen wird . Sie ist nicht so streng wie jene der Granadinerinnen , und weniger coquett als jene der Weiber von Sevilla und Eadiz . Die Mala - guena unterscheidet sich von den anderen Andalnsierinnen durch einen noch bräunlichern Teiut , regelmäßigere , sehr ausdrucksvolle Züge , dicke , sehr schön gezeichnete Augen - brauen und lange Wimpern . Das gibt dem schwarzen Auge einen Reiz , der sich gar nicht beschreiben läßt , und zum Entzücken ist solch ein Weib ans Malaga , wenn es eine einfache Blume , etwa eiue Dahlia , hinter das Ohr steckt . Das Haar ist schwarzblau wie der Fittich eiues Raben .
Das Klima ist mild ; in den Straßen werden süße Kartoffeln ( Bataten ) und Zuckerrohr verkauft ; jene bilden ein gewöhnliches Nahrungsmittel des gemeinen Volkes und sind fehr wohlfeil . Ueberall an den Straßenecken und am Hafen stehen Batateros , die ihre süßen Kartoffeln rösten und mit dem Ausrufe feilbieten : Batatas , ricas y gordas ! Daneben ertönt der Ausruf der Charranes , der Fachverkäufer , welche ihre Boquerones , kleine Sardinen , anpreisen , oder Pintarrojas , Calamares , Dentones und an - dere „ Früchte " , welche die See liefert . Von den Charranes haben wir weiter unten mehr zu sagen ; sie tragen ihre Waare in Cenachos , aus Binsen geflochtenen Körben .
Manche Straßen bewahrten sich ihren alten maurischen Charakter ; viele Häuser haben einen offenen Hof mit Springbrunnen , und um denselben wachsen Orangen und Bananen . In diesen Höfeu , Patlos , findet man Küh - lnng ; dort werden an Sommerabenden auch die Tertulias abgehalten , bei denen man andalnsische Tänze aufführt , z . B . den Polo de eontrabandista oder die Malaguena del Torero , oder man singt zur Guitarre jene Couplets , die als „ Malagnenas " in ganz Andalusien so sehr beliebt sind . Für unser Ohr hat der Rhythmus derselben etwas Fremdartiges , man könnte fast sagen Barbarisches ; aber es liegt nichts Niedriges oder Gemeines darin . Das Gleiche gilt von den Canas , Carceleras , Playeras , Rondenas und anderen volkstümlichen Gesängen . Sie alle sind ohne Zweifel moreskifchen Ursprungs und dasselbe ist auch vont _ vielen anderen and aln fischen Volks - gefangen zu sagen . ^ Eine Malaguena besteht gewöhnlich aus Couplets von je vier Verszeilen ; die erste und letzte werden