Sevilla und das Volksleben in Andalusien
Ter Alcazar in Sevilla und die Zeit der Mauren . — Erinnerungen an König Peter den Grausamen . — Die BaLos de Padilla und die Gärten . — Die sevilliauische Malerschule . — Die Vorstadt Triana und die Zigeuner . — Theater ; die Sainetes ; Darstellung von Volks -
seeuen , Volksgedichten . — Die große Tabacksfabrik und die Cigarreras .
Wir fahren fort mit den Schilderungen aus Sevilla und aus dem Volksleben in Andalusien , das so farbig und eigen - artig ist * ) -
Der Alcazar in Sevilla ist , nach der Alhambra in Granada , das herrlichste maurische Baudenkmal in Spanien . Er ist von einer Gartenlandschaft umgeben , die man niit vollem Recht als ein irdisches Paradies bezeichne« kann .
Sevilla stand , als Residenz der älmoravidischen Sul - taue , im zwölften Jahrhundert iu hoher Blüthe . Der Bau des Alcazar soll schon im elften Jahrhundert begonnen wor - den sein ; der arabische Architekt stammte aus Toledo , aber von seinem Werk ist nichts übrig geblieben , denn das gegen - wärtige Gebäude ist im Anfange des dreizehnten Iahrhun - derts aufgeführt worden . Der Stil ist rein maurisch , doch sind spatere Zuthateu vorhanden , lieber dein Haupteingange liest man in großen gothischen Buchstaben , daß der sehr edle uud mächtige Don Pedro , durch Gottes Gnade König von Kastilien und Leon „ diese Aleazars und diese Faoaden " im Jahre 1402 aufführen ließ .
Die Araber nannten den Alcazar : Al Kasr , Palast des Cäsar , denn der Name des römischen Feldherrn war ihnen gleichbedeutend mit Macht und Majestät . Jene In - schrist aber beweist , daß Peter der Grausame einen bcträcht - lichen Theil des Palastes bauen ließ . Er stand mit den Mauren Granadas in gutem Einvernehmen und der Christ erhielt von ihnen mohammedanische Künstler und Wertleute . Kaiser Karl der Fünfte fügte Bauten in griechisch - romani - scheut Stil hinzu , deren Schwerfälligkeit einen starken Gegen - satz zu der anmuthigen Leichtigkeit der mo . reskifchen Archi - tektnr bildet . Dazu kam , daß die seinen Stucco - Arabesken zu nicht geringem Theil unter dicken Lagen von Mörtel ver - schwanden . Denn die spanischen Christen der letztverflossenen Jahrhunderte schätzten die manrische Baukunst nur sehr ge - ring ; auch von der gothischen Architektur hatten sie eine sehr geringe Meinung . Dem Zeitalter der Inquisition gefiel der langweilige und frostige „ Jesuitenstil " besser , der sich dann anch über das ganze spanische Amerika verbreitete .
Der Patio de las Doncellas , ein großer Hofraum im Innern , gewährt einen imposanten Anblick . Dieser Theil des Gebäudes ist in unseren Tagen durch den Herzog von Montpensier in altem Stile völlig wiederhergestellt worden , und ein Gleiches ist mit den Hauptsälen des Gebäudes der Fall . Der Hofranm „ der jungen Mädchen " ( Doncellas ) heißt so , weil einer alten Überlieferung zufolge der König
) Vergleiche „ Globus " X . 17 . 129 . 225 . 275 . Globus XL Nr . 5 .
zu Sevilla iu jedem Jahr eine Sendung vou einhundert Mädchen von einem seiner Lehnfürsten erhielt .
Der Alcazar hat , gleich der Alhambra , auch einen „ Saal der Gesandten " . Eine seiner Kuppeln hat die Gestalt einer halben Apfelsine ( media naranja ) ; sie ist von Cedern - und Lärchenholz , vortrefflich erhalten , von Werkmeistern aus Gra - nada gearbeitet und die Farben Blau , Roth und Gold haben noch den besten Glanz . Der Eindruck wird aber dadurch gestört , daß man eine Anzahl grotesker Figuren von spani - scheu Königen unterhalb der Kuppel angebracht hat .
An den Alcazar knüpft sich Vieles ans dem Leben des christlichen Königs Peter , welcher mit Recht den Namen des Grausamen führt . Unweit von der Thür , welche zum Patio de las Doncellas führt , sieht mau im Gesandten - saale ein paar röthliche Flecke . Der Sage nach hat ans dieser Stelle König Peter seinen Bruder , den Infanten Don Fadrique , ermorden lassen . Der eifrige und „ fromme " König hatte schon vorher drei andere Brüder , seine Gemahlin , seiner Mutter Schwester und noch einige andere Verwandte ermordet . Einige Jahre später wurde er dann , erst 34 Jahre alt , von seinem eigenen Bruder , Heinrich de Trastamare , todtgestochen . Dieser schnitt ihm den Kops ab und schickte . denselben als Siegeszeichen nach Sevilla .
Auf Schritt und Tritt wird man im Alcazar an diesen wilden und wüsten Tyrannen erinnert , der viel gebetet hat und den einige Geschichtschreiber als den „ gerechten " bezeich - nen , weil er einige Mal anch Verbrecher nach Gebühr hat bestrafen lassen . Er war aber auch ein ganz gemeiner Räu - ber und trieb auch als solcher sein Handwerk in blutiger Weise . Einst kam , unter schriftlicher Zusicherung sichern Geleites , der König Abn Said von Granada zu dem christ - lichen Herrscher nach Sevilla . Dieser „ Rey vermejo " wurde glänzend empfangen und Peter veranstaltete glänzende Fest - lichkeiteu , um seinen gekrönten Gast zu ehren . Der Maureu - könig hatte ein zahlreiches Gefolge mitgebracht , das , gleich ihm selber , großen Luxus entfaltete . Diese Mohammedaner waren iu Sammet nnd Seide gekleidet ; Tracht und Waffen erglänzten von Perlen und Edelsteinen . Eine Handschrift aus jeuer Zeit hebt besonders drei schöne Rubine hervor , die so groß gewesen seien wie Tanbeneier . Der Anblick dieser Schätze regte die Habgier des christlichen Königs auf , nnd er erstach mit eigener Hand in einem der Säle des Alcazar seinen Gast , den mohammedanischen König Abu Said !
Einer dieser durch schnöden Meuchelmord erworbenen Rubine wurde vou Peter an den berühmten s ch w a r z e n Prinzen aus England geschenkt , gehörte später der Königin
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