Streifzüge i n S i c i l i e n * ) .
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Die alten SiciliansZ und die heutigen . — Die Landschaften an der Nordküste . — Termini und die Herkulesquellcn . — Cefalu ; der
pelasgische Tempel ; Himera . — Santo Stefano ; Gegensatz der Marina und des Borgo . — Eine Landstraße . — Die Städte an der
Ostküste . — An Reale ; sieben Lavaströme ; die Lavagrotte . — Die Inseln der Kyklopen . — Eine Besteigung des Aetna . — Die Region des Feuers ; Nicolosi ; die Monti Rossi , Piano del Lago , Val bei Vove . — Der Centralkegel des Aetna . — Die Lavaströme bei Lingua
grosso . — Der Kastanienbaum de la Nave . — Catania ; der Schleier der heiligen Agathe . — Cap Sante Croce , Agosta und Syracus . —
Die Herren Briganten . — Ter Quell Arethusa .
Sicilien war in den Zeiten des Alterthums ein Paradies und es könnte auch in unseren Tagen „ ein Himmel auf Er - den " sein . Dieser Himmel ist noch so heiter und blau wie in jeueu Tagen , da Syracus eine der größten und schönsten Städte der Welt war , aber die Menschen sind anders geworden , und nicht ohne Wehnrath gestehen die Reisenden wie die intelli - genteren Eingeborenen ein , daß die alte Trinacria nun ein Land „ der Barbarei und des Schmutzes " sei .
Die italienische Regierung hat daran bis heute nichts zu ändern vermocht und sie wird schwere Arbeit haben , um nur die ärgsten Uebelstände zu beseitigen . Vor allen Dingen muß das gemeine Volk von Grund aus ganz anders erzogen wer - den als bislang der Fall gewesen ; man muß Schulen grün - den und die Menschen von dem Einflüsse eines Clerus be - freien , welcher dort trotz seiner Reichthümer uichts für den Unterricht und gegen die Verwilderung der Massen gethan hat .
Für ein so verkommenes Land sind die neueren Verkehrs - mittel eiu doppelter und dreifacher Segen . Der Eifenbahn - verkehr wird auch auf Sicilien anregend und belebend wir - ken , aber neben den Schulen sind Landstraßen das größte BedUrfniß . An diefen fehlt es beinahe ganz und ohne sie wird ein Aufschwung unmöglich sein . Es ist ein bekannter Ausspruch Liebig's , daß man die Civilisationsstnfe eines Bol - kes uach der Quantität feines Verbrauchs an Seife ermessen könne ; dasselbe gilt aber auch vou der Beschaffenheit derVer - bindnngswege . Nun steht es aber in Bezug auf den Ber - brauch der Seife wie auf den Straßenbau äußerst kläglich in Sicilien , einer Insel , die so reich an Oelbänmen und Stei - nen ist .
Wir wollen den Reisenden Elifse Reclns , der unseren Lesern schon bekannt ist , aus seiner Wanderung an der Nordküste begleiten , die viele herrliche Landschaften aufweist und so reich an geschichtlichen Erinnerungen ist . Von Pa - lermo aus führt der Weg im Angesichte des blauen Meeres nach Termini . An jenem Gestade ist eine Gegend präch - tiger als die andere , aber darin stimmen alle Reisenden über - ein , daß wohl keine sich an Majestät und Anmuth mit jener vou Termini messen könne . Diese Stadt , welche deshalb auch mit Recht den Beinamen der splendidissima führt ,
* ) Vergleiche „ Globus " X . <£ . 363 : Die Barbarei in Siei - lien , und XI . S . 105 : Von Messina bis an den Fuß des Aetna .
Globus XII . Nr . 7 .
steht auf der Terrasse einer Halbinsel , die mit dem etwa 2400 Fuß hohen Berge San Calogero zusammenhängt ; in der lieblichen Meeresbucht liegen Hunderte von Barken vor An - ker , auch einige größere Schiffe fehlen nicht . Oben auf der Terrasse hatten die alten Griechen ein Theater gebauet und sie genossen von dort eine entzückende Aussicht auf Meer und Gebirge . Die Bourboueu baueteu hier eine Festung , welche 1860 von den Bürgern Terminis niedergerissen wurde .
In der Unterstadt sprudeln noch heute die warmen Quel - len , welchen der Ort seinen alten Namen Thermä verdankt . Herakles hatte die Stiere des Sonnengottes vor sich her - getrieben und wollte die müden Glieder erquicken . Die Nym - phen erlaubten ihm gern , in dem Quell zu badeu , und er fühlte sich dann ganz verjüngt . Welch anderer Badeort kann sich rühmen , daß Herkules ihn besucht habe und daß er in Pin - dar's Oden besungen worden sei ? Die Thermen haben von ihrer alten Kraft nichts verloren , und Termini märe für Badegäste ein entzückender Aufenthalt , wenn die Menschen dort Trieb und Verstand genug hätten , die eingefallenen Wände durch eiue ordentliche Fassung der Quellen zu ersetzen ; wenn sie die abscheulich schmutzigen Straßen reinigen wollten und wenn statt der elenden , unsauberen Wirthsspelunken rechtschaffene Gasthäuser vorhanden wären . Jetzt wagt sich kein Fremder nach Termini , denn er läuft Gefahr , vom Un - geziefer aufgefressen zu werden .
Gen Osten hin gelangt man bald nach der Bnrg^Ke - phalodion , um welche man vor Zeiten Häuser bauete und diese bilden die heutige Stadt Cefalu . Der obere Theil , wo die Burg staud , ist nun längst verlassen ; man gelangt zur ehemaligen Festung ans einem äußerst steilen Wege . Die Zugbrücke wird allabendlich geschlossen , indeß nicht von Krie - gern , sondern von einem harmlosen Hirten , der seine Schafe einsperrt . Die Trümmer der Beste bieten nichts Bemerkens - werthes dar ; aber in der alten Oberstadt sieht man noch ein einfaches , viereckiges Denkmal von etwa 48 Fuß Länge ; es wird von Nesseln und Binsen überwuchert ; ringsum liegen Weizenfelder . Dieser Pelasgische Tempel mit seinen kyklo - pischen Mauern ist wohl das älteste und ehrwürdigste Denk - mal Siciliens . Spätere Zeiten haben Manches hinzugefügt ; an der nach Süden liegenden Eingangspforte stehen zwei dorische Pfeiler ; im Innern ist ein Gewölbe aus römischen Ziegelsteinen aufgeführt , nnd am westlichen Theile sieht man Ueberreste einer christlichen Capelle , welche wohl bald in Staub
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