Ausflug nach den neuen Guach«
Provinz
Von Anton Goe
Der Wunsch , das durch A . v . Humboldt zu classischem Ruhme erhobene Thal von Caripe und die nahe Guacharo - höhle aus eigener Anschauung kennen zu lernen , sollte mir endlich erfüllt werden . Ich begrüßte daher den Tag der An - knnft als ein freudiges Ereigniß . Am 10 . Juni 1867 langte ich von Cnrnpano herkommend in Caripe an und konnte mich nun ganz dem Studium der schönen Gegend hin - geben .
Nachdem ich die Gnacharohöhle drei Mal besucht hatte , stellte ich mir zur Aufgabe , den ausgedehnten schaften im Osten und Südosten von Caripe meine Ausmerk - samkeit zuzuwenden , um deren äußeren geologischen Charakter , das Pflanzen - und Thierleben kennen zu lernen und fleißig zu sammeln . Die Vermnthung , daß in der Umgebung von Caripe nach verschiedenen Richtungen hin in den Gebirgen noch andere ähnliche Höhlen sich finden möchten , wie die 'del Guacharo , zwei Stunden im Osten vom Orte , wurde noch mehr bestärkt , als mir von Eingeborenen erzählt wurde , daß sie von ihren Wohnungen aus im östlichen Thale von Ca - ripe nach Sonnenuntergang das Geschrei der Gnacharos oft hören . Mit den Indianern des Thales vertraut geworden , erfuhr ich , daß im Südosten von Caripe tief im Innern der Gebirgsregion wirklich eine Anzahl von Höhlen sich fänden , welche bedeutend mehr Vögel beherbergten , als die prachtvolle Höhle nahe dem Orte . Ich entschloß mich daher sofort , einen Ausflug dahin zu unternehmen , obgleich mir wegen der ungünstigen Jahreszeit fehr abgerathen wurde , uud die In - diauer wenig Lust zeigten mich zu begleiten . Es herrscht nn - ter den dortigen Indianern die Sitte , daß die im Westen vom Orte wohnenden nur das Recht haben , im Juni junge Guacharos aus der nahen Höhle zu nehmen , während die im Osten wohnenden nach entlegeneren aus ihrer Seite gehen müssen . Nur durch besondere Gunst und das Vertrauen , welches ich mir hauptsächlich durch Wiederherstellung ihrer Heiligen , der Birgen del Pilar , erworben hatte , gelang es mir , Beglei - ter zu finden und endlich mit vier Indianern ( Chaymas ) und zwei Creolen die Excursion anzutreten .
Ein alter trefflicher Chaymas - Jndianer , mein specieller Freund und Gevatter , übernahm die Leitung , weil er der Patron der Höhlen war und den Weg am besten kannte . Wir alle waren mit Gewehren und großen Waldmessern be - waffnet . Drei der Indianer trugen einige wenige Nahrnngs - mittel , aus Salzsischen und Papelon bestehend , sowie mehrere
Globus xill . Nr . 6 .
rohöhleu in der venezuelanischen Cnmana .
lng aus Altenburg .
Hängematten und Kochgeschirr . Als wir so ausgerüstet durch deu kleinen traurigen Ort Caripe wanderten , traten alle Bewohner an die Thüren und riefen mir zu , daß ich schwerlich mit nieinen großen Stiefeln die steilen Berge würde besteigen können . Der Richter Felipe Caripe , ein Chay - mas - Jndianer , welcher eine ziemlich gnte Hand schreibt , er - klärte : „ Musju Antonio , Sie werden nicht zurückkommen ! " und daß der sogenannte Weg , welcher nach den Höhlen führe , eigentlich kein Weg sei , sondern ein jährlich nur einmal began - gener Waldpfad durch Dick und wenig Dünn nur für Indios , aber nicht für „ genta fina " von dort her . Damit meinte er feine Leute von Europa und zeigte dabei nach Norden .
Wir wanderten nun nach Osten in dem lieblichen Thale entlang , ungefähr eine Stunde weit immer rechts vom Rio de Caripe , den ein üppiger Pflanzenwuchs beschattet . Hier und da sind Connccos , kleine von Indianern bearbeitete Land - güter , wo Kaffee , Taback , Mais u . f . w . gebaut wird . Aus allen Hütten , an denen wir vorüberkamen , traten die Bewoh - ner und riefen dasselbe , was der Juiz bei dem Aufbruch nach der „ Montana " gesagt . Schon begann der Regen heftig anf uns herabzufallen , die malerischen Gebirgszüge im Osten vor uns verschwanden im nebeligen Dust . Wir waren heute geuöthigt , unten am Flusse in einer Hütte zu übernachten ; erst am nächsten Morgen gegen 10 Uhr konnten wir nach den bewaldeten Gebirgen ausbrechen .
Zwischen den steil ansteigenden Bergabhängen , welche das Thal begrenzen , und dem Flnsse bildet die Landschaft eine hügelige Savanna ; hier und da sieht man eine rothblühende Lilie sich über das gelbe Gras erheben ; mehrere kleine Fluß - betten durchschneiden quer die Wiesen , doch nur zur Regen - zeit sind sie mit Wasser gefüllt , welches , sich in den Schluck ) - ten der Gebirge sammelnd , herab in den Caripefluß strömt . Hier an solchen Stellen ist der Pflanzenwuchs üppiger , Ge - büsche und große Bäume verleihen der Landschaft eine freund - liche Abwechselung .
Der Urwald drängt sich bis herab an die Savanna und macht den Eindruck , als wäre sein Saum von mensch - licher Hand glatt geschnitten , so plötzlich wechselt das ziemlich hohe Gras mit den hohen dichtstehenden Waldbäumen ab ; da beginnt aber anch das Steigen . Wir rasteten hier am Waldessaum , und ich besonders freute mich über den malen - sehen Blick auf das Thal und die gegenüber sich erhebenden , meist unbewaldeten Berggehänge . Vom Flusse her ertönte
21