Streifzüge in Kabylien .
Die . Keba'il als bodenständige Ursassen berberischer Abkunft . — Die gesellschaftlichen Einrichtungen . — Gemeindeverfassung . — Ortsvorsteher , Bürger , Gemeinderath . — Parteien und erbliche Feindschaften . — Die Moschee als ( Zitadelle . — Fort Navoleon . — Tizi Ouzou . — Die Türken . — Dschema Sahridsch und andere Kabylendörfer . — Ein Markt in Kabylien . — Brückenbau . — Neger und Fleischer . — Blondhaarige Kinder . — Die Tissa . — Ritt in die Ebene nach Budschia . — Jagd mit Hunden auf die Kabylen .
Die Franzosen in Algerien haben große Mühe gehabt , die kabylische Bevölkerung völlig zu unterwerfen . Es hat ein Vierteljahrhundert erfordert , um die alteu bodenständigen Ursassen des Landes , namentlich jene im Osten der Haupt - stadt Algier , welche das Land an der Küste von Dellys bis Budschia und landeinwärts bis in das Dschurdschuragebirge bewohnen , so weit zu bändigen , daß sie von denselben keine eigentliche Gefahr mehr zn besorgen brauchen . Mit den maurischen Städtebewohnern hatten sie verhältnißmäßig leichte Arbeit ; die jüdische Bevölkerung war ihnen von vornherein zugethan , denn sie kam in eine günstigere Lage nnd hatte sortan keinen Druck von Seiten der Mohammedaner zu be - fürchten . Den Arabern , die vorzugsweise Nomaden sind , war gleichfalls bis in die Oasen der Wüste hinein beiznkom - men , nnd ihnen wurde die Ueberlegeuheit europäischer Kriegs - kuust auf empfindliche Weise eingetränkt ; man konnte dann und wann gegen sie einen großen Schlag ausführen . Mit den Kebail , d . h . Stämmen ( von K'bila , d . h . Bund , Conföderation ) , gleichsam Eidgenossen , diesen Männern berberischen Stammes dagegen hörten die Fehden niemals ans ; die „ Kabylie " wurde erst 1857 zur Ruhe gebracht .
Wir wollen nach den Aufzeichnungen des Commandan - ten Duhousset einige Mittheilungen über „ Land und Leute " geben . Der General , von welchem wir früher im „ Globus " Schilderungen aus Persien gegeben , ist ein sehr guter Beob - achter , und seine amtliche Stellung gab ihm Vollaus Gele - geuheit , sich mit den Verhältnissen vertraut zu machen ; er ist bis in die Schluchten des Dschurdschura ( Möns Ferratus der Römer ) hineingedrungen . Wir wollen ihn selber erzäh - len lassen und nur dann nnd wann einige Erläuterungen einschalten .
Der Kabyle ist , wie schon bemerkt , der Urbewohner des Landes ; kein Araber , sondern ein Berber , und sich seit den ältesten geschichtlichen Zeiten in allem Wesentlichen gleich ge - blieben ; er hat sich anch niemals anderen Völkern , welche in Nordasrika als Eroberer austraten , assimilirt , hat seine alte Sprache bewahrt uud die nicht zu bändigende Neigung zur Freiheit . Aber darum ist er doch nicht ganz ohne Beimi - schnng fremden Blutes geblieben ; dafür zeugt die bei ver - fchiedenen Individuen auffallende Verschiedenheit in der Haut - färbe und dann auch jene der Augen und des Haares . In Bezug aus das letztere kommen alle Abstufungen vom Hellblonden bis zum Tieffchwarzen vor . Die rothen Globus XIII . Nr . 9 . ( Mai 1868 . )
Bärte und das goldgelbe Haar sind zuerst durch nordenro - päische Soldaten , welche in den römischen Legionen dienten , ins Laud gekommen und späterhin durch die Vandalen . Aber diese Elemente sind , gleich dem arabischen , in der Art von der berberischen Race assimilirt worden , daß sie nur ( — iit Folge des Rückschlags im Blute , des Atavismus — ) diese äußeren Spuren zurückgelassen haben .
In dem Küstengebiete , welches heute als die Kabylie bezeichnet wird , ging im vierten Jahrhundert nach Christus die Herrschast der Römer mehr und mehr zu Ende . Die Eingeborenen , welche sich in die Gebirge zurückgezogen hat - ten , waren von derselben mehr oder weniger unberührt ge - blieben nnd stiegen dann , als die Umstände ihnen günstig zn sein schienen , in die Ebene hinab , um die Fremden zu be - kämpfen .
Die gesellschaftlichen Einrichtungen und Verbände waren damals wie sie noch heute sind . Die Gesammtheit einer Familiengruppe , einer Sippe , wir könnten sagen eines Clans , wird als Charuba ( Kharouba ) bezeichnet . Jede Charnba , aus welcher die Dorfschaft , die Dorfgemeinde , die DeHera , besteht , erwählt aus der Mitte ihrer Angehörigen einen Dhaman . Dieser ist ihr Vertreter , Sachwalter , Fürsprecher im Gemeinderathe und ihr verantwortlicher Stell - Vertreter und Bürge . Das ist die eigentliche Bedeutung des Wortes . Jeder Kabyle , der einem andern eine Summe darleiht , verlangt , daß ein Schuldner ihm zwei Dhamans , Bürgen , stelle .
Eine aus mehreren Deheras bestehende Dorfgruppe wird als Arch bezeichnet . Jedes Dorf hat einen Amin , Vor - stehet - , Schulzen , welcher der Reihe nach aus jeder Charuba gewählt wird . Er sorgt für die Vollziehung der schriftlichen Gesetze , deren Gesammtheit den Kannn bildet ; diese Weis - thümer enthalten den Inbegriff der alten , bis heute gültigen Rechtsgewohnheiten . Der Amin darf keine Entscheidung aussprechen und keine ^trase oder Geldbuße zuerkennen ohne Beirath seiner Beigeordneten , der Dhamans . Dieses Tri - bunal wählt einen Schriftführer , Chodsch a , welcher ein Pro - tocoll aufnimmt und überhaupt die Correspoudeuz mit den französischen Behörden besorgt . Seine Besoldung besteht in Naturalabgaben , z . B . Feigen , Oliven und dergleichen mehr
Der Oberste des Stammes , Amin el umena , wird von der französischen Behörde ernannt ; er muß die Ordnung aufrecht erhalten , darf sich aber platterdings nicht in die