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Eine Fahrt auf dem Tigris .
Die Zwillingsströme Euphrat und Tigris . — Beförderung auf einem Ketek . — Die Ortschaften am Strome ; Merkwürdigkeiten von Tekrit . — Schwimmer und Schwimmerinnen . — Die medische Mauer . — Erinnerung an Kaiser Julian teil Abtrünnigen . — Von Bagdad nach den Ruinenstätten von Babylon . — Alte Canäle . — Einkehrställe . — Babylonische Judeu , Chaldäer und Araber . — Türkischer Druck .
Der Tigris hat seine Quellen in den Gebirgen von Kurdistan . Er berührt in seinem Laufe die Stadt Diar - bekir , von wo ab er in der Zeit des Hochwassers bis Mo - sul schiffbar wird . Dann zieht er durch die mefopotamische Ebene bis Bagdad und nähert sich bis in eine Entfernung von wenigen Meilen dem Euphrat . Mit diesem vereinigt er sich bei Kurna ; dann bilden diese Zwillingsströme den Schatt el Arab , der sich in den versischen Meerbusen ergießt , nachdem er die große Handelsstadt Basra berührt hat .
Euphrat und Tigris befruchten die einst hochberühmten und mächtigen Culturlandschasteu Assyrien nnd Babylonien . Die ganze Region ist geschichtlich von höchstem Juteresse und von hervorragender Bedeutuug . Im Mittelalter hatten dort gewaltige Ehalisen ihr Kerngebiet und ihren glänzenden Thron ; in unseren Tagen hat sie als Passageland neue Wich - tigkeit erlaugt ; durch Mesopotamien zieht der indisch - enro - päische Telegraph , und eine Euphratbahu vou der syrischen Küste bis zum Persischen Golfe wird sicherlich im Laufe der nächsten Jahrzehnte gebaut werden .
Von Mosul aus , in dessen Nähe die Ruinen von Ninive liegen , führt eiue Karawaueustraße nach Bagdad über Ker - knk und durch die Wüste . Dieser Weg ist unsicher , weil kurdische und arabische Raubnomaden dort weit und breit umherschwärmen . Deshalb zieheu viele Reisende die Fahrt auf dem Tigris vor , die ohnehin für einen Europäer mau - ches Neue bietet . Der unseren Lesern wohlbekannte sran - zösische Gelehrte Wilhelm Lejean , derselbe , welcher einst vom abyssinischen Negus Theodor gefangen genommen wurde , entwirft folgende Schilderung .
Man schwimmt den Tigris aus einem Kelek hinab , einer eigentümlichen Art von Floß . Ein Kaufmann , der sich von Diarbekir nach Mosul und von hier nach Bagdad begeben will , läßt sich ein Kelek bauen , nämlich ein Fahrzeug , das aus Längen - und Querhölzern besteht , die je nach der ersorder - lichen Größe nnd Tragkraft von aufgeblasenen Schläuchen getragen werden . Er stapelt auf den Brettern feine Waaren auf und hat für sich und etwa auch für einen angesehenen Fahrgast eiue kleine Bretterbude oder ein Zelt ; oft fehlen aber auch diese . Dieses Fahrzeug treibt nun stromab und legt gegen Einbruch der Dunkelheit an , falls die Gegend nicht unsicher ist . Der Orientale beeilt sich nicht und schläft gern am Lande . Am Ziele der Reise wird der Kelek aus einander genommen ; die nun nicht mehr mit Luft gefüllten
Globus XJIT . Nr . 11 . ( Juni 1868 . )
Schläuche ladet der Kaufmann anf einige Kameele und tritt zu Laude seine Heimreise an . Balken und Bretter finden in dem holzarmen Mesopotamien allezeit einen vorteilhaften Absatz .
Ich ließ mir auf eigene Kosten eine Hütte auf solch einem Kelek aufschlagen und ging an einem schönen Märzmorgen des Jahres 1866 zu Mosul an Bord , falls dieser Ausdruck erlaubt ist . Bald schwamm ich an den Trümmern von Nimrud vorüber und Abends legten wir bei einer mit Mais bebaneten Insel unweit von einem arabischen Dorfe an . Morgens in aller Frühe fuhren wir weiter und während der nächsten fünf Tage war die Reise einförmig genug ; denn die Gegend ist flach , ohne Dörfer , ohne irgend einen bemer - kenswerthen Gegenstand . Das Erdreich allerdings ist nnge - mein fruchtbar , aber Niemand mag es bebauen , weil arabi - sche Räuber und die abscheuliche türkische Verwaltung ihn um alle Früchte seines Fleißes bringen würden . Dann kamen wir nach Tekrit ( —das anf Kiepert's vortrefflicher Karte von Vorderasien im Neuen Handatlas Nr . 28 eingetragen ist — ) . Dieses elende Nest liegt am westlichen Ufer des Tigris neben einer interessanten Ruine . Eine rechtwinkelige Festung , die aus Backsteinen aufgeführt war , ist im Fortgange der Zeit , gleich allen anderen babylonischen Festungswerken , zusammengesunken uud bildet nun eine Masse unförmiger Erdklumpen . Im südlichen Theil ist noch ein Thürbogen aus der Sassauideuzeit vorhanden ; die Gräben sind noch jetzt breit und tief . Tekrit ist übrigens interessant , weil dort der berühmte Sultan Saladin geboren wurde . Einst soll dieser schmutzige arabische Flecken christliche Einwohner gehabt haben , uud das ist auch wahrscheinlich , denn es sind noch Trümmer einer Kirche , el Keniseh , vorhanden . Ein Eng - länder fragte die Leute in Tekrit , ob in ihrem Orte auch Merkwürdigkeiten zu scheu wären ? Die Antwort lautete : „ Ja wohl , '— ein ungläubiger Jude uud ein Dattel - bäum , der keine Früchte trägt . "
Weiter abwärts lag am östlichen Ufer ein arabisches Dorf . Von demselben aus erhielten wir Fahrgäste des Kelek einen originellen Besuch . Arabische Milchverkäuferinnen kamen herangeschwommen , um uns ihren Labetrank zu verkaufen . Diese Süßwasser - Nereiden tragen , wie unsere Abbildung zeigt , zwei Milchgesäße , eins anf dem Kopf und eins in der Hand . Das letztere wird wagerecht gehalten und man begreift kaum , wie sie das anfangen . Ich fand sie eben so braun wie die
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