Ans dem Volksleben der Japaner .
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Criminalprocesse . — Todesstrafe und Hinrichtungen . — Straßenleben in Heddo . — Blick in ein Familienzimmer . — essen . — Krankheiten ; die Aerzte und ihre Heilmethoden . — Verdienste des holländischen Doctors van Meerdervoort . — Die Universität zu Heddo und die Lehre des Confucius . — Das Colleginm der Dolmetscher . — Preßbureau und Literatur . —
Der amtliche Stil . — Neuere Vorgänge im Reiche .
Im vorigen Artikel wurde gesagt , daß jeder Missethäter , der wegen Diebstahls vierundzwanzig Mal ein „ Mark " er - halten hat und dann noch einmal rückfällig wird , die To - desstrase erleidet . Dieselbe trifft auch jeden , welcher einem Andern Sachen im Werthe von mehr als 40 Jtzibus ent - fremdet . Gewöhnlich wartet das Gericht mit der Hinrich - tnng , bis drei oder vier Verurtheilte die Exemtion zu erlei - den haben , und dann wird sie allemal im Hose des Ge - richtsgebändes vorgenommen . Die Japaner besolgen also ein Versahren , ans das man in Europa erst während unsern Menschenalters gefallen ist ; die scandalöse Art von Hinrich - tungen , bei denen Pöbelmassen sich versammeln , sich an einem blutigen Vorgange weiden und hinterher Branntweinorgien feiern , wie das in unseren christlichen Ländern Jahrhunderte lang herkömmlich war und in manchen Ländern noch ist , — diese haben sie dafür nicht . Nur die Criminalrichter und über - Haupt Gerichtspersonen sind Zeugen . Man verbindet dem Vernrtheilten die Augen und wirft ihm seinen Kirimon ( wei - ten Rock mit langen , , weiten Aermeln ) nach rückwärts über die Schultern . So muß er niederknien ; zwei oder vier Heu - kersknechte halten ihm Hände und Füße und dann säbelt ihm der in seinem Handwerk wohlerfahrene Scharfrichter den Kopf vom Rumpfe . Dieser wird in einen Korb geworfen , abge - waschen und dann vierundzwanzig Stunden lang auf einem Marktplatz ausgestellt . Der Körper wird in einen Stroh - sack verpackt und findet eine echt japanische Verwendung . Man überläßt ihn nämlich dm Edelleuteu , welche sich schon im Voraus gemeldet haben , um die Schärfe ihrer Säbel an der Leiche zu Probiren !
Öffentlichen Hinrichtungen unterliegen nur Brand - stiftet und Meuchelmörder ; die ersteren werden verbrannt , und zwar in der Art , daß man ihre Fesseln mit einer Lage nassen Thons überzieht , denn bislang haben die Japaner keine eisernen Ketten gekannt oder angewandt und ihre Stroh - seile würden ohne jenen Ueberzug bald verbrennen . Vor einiger Zeit wurde aus solche Weise in Nokohama ein Mensch hingerichtet , der geschmoren hatte , das europäische Quartier in Asche zu legen ; er war aus frischer That ergriffen wor - den . Der Diener des Schweizers Humbert schilderte dem - selben die Hinrichtung zweier Vatermörder in Ueddo^ und brachte ihm darüber ein fliegendes Blatt mit Illustrationen in Holzschnitt , welchem unsere Illustration nachgebildet worden
Globus XIV . Nr . 12 . ( Deccmber 1868 . )
ist . Also werden die „ grausigen Morithaten " im Jnselreiche des Sonnenausgangs zur Erbauung eines sensationslustigen Pöbels ganz in derselben Weise ausgebeutet , wie im „ civili - firten " Europa , „ comme on sait que cela se pratique encore en pleine civilisation chretienne . "
Dem Mörder wird der Hals abgeschlagen und man hul - digt , wie das so lange in Europa und aus den Kathedern bis in unser Jahrhundert hinein vorkam , der Abschrecknngs - theorie . Man setzt den Verurtheilten aus einen hohen Holz - sattel , hängt ihm einen Rosenkranz um den Hals und so wird er zu Pferde durch die Straßen geführt . Vor ihm her tragen Gerichtsdiener ein großes Placat , auf welchem seine Missethat geschildert wird .
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Die freie Beweglichkeit des Bürgerstandes war bisher , wenigstens in Ueddo , vielfach gehemmt , doch sind schon manche Schranken durchbrochen worden , seitdem der Verkehr mit den Ausländern eine immer größere Ausdehnung erhalten hat . Innerhalb des Kreises aber , welcher ihm vorgezeichnet war , bewegt er sich vollkommen ungehindert und in zwang - loser Heiterkeit . Namentlich führen Gelehrte und Dichter , Aerzte , Studenten , Maler und Comödianten ein lustiges Leben .
Das Leben auf den Straßen in Aeddo ist ungemein regfam und bunt , aber in den Sommermonaten wird es gen die Mittagsstunden sehr still in der Hauptstadt . Die Barken und Boote aus den Cauälen liegen ruhig am Ufer , denn die Schifsslente schlafen . Man hört kein Geräusch . Dann nnd wann sieht man Wanderer , welche sich beeilen , eine Mittagsherberge zu erreichen ; der Bürger und Arbeits - mann ist zu Hanse gegangen ; manche Lente liegen in irgend einem kühlen Winkel oder unter den schattenspendenden Bäu - men und ruhen .
Wer um diese Zeit durch die Straßen schlendert , kann sich ganz gemächlich einen Einblick in das Hauswesen der Japaner verschaffen und mit Mnße zusehen , wie die Leute ihr bescheidenes Mittagsmahl einnehmen . Die aus seinem Stroh geflochtene Mcitte wird auf die Erde gelegt und dient als Tischtuch . In der Mitte steht ein Napf aus lackirtem Holz ; er ist mit Reis gesüllt , welcher so zu sagen das täg - liche Brot aller Stände bildet . Die Japaner verstehen sich
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