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Full Text: Globus, 15.1869

Walachische Mühle . 
Skizzen aus der 
Erster 
Die walachischcn Leute haben seit einigen Jahren in Europa mehrmals die allgemeine Aufmerksamkeit ans sich gelenkt . Sie verjagten ihren Fürsten Kufa , wählten sich einen hohenzollernfchen Prinzen znm Landesherrn und setzten in mittelalterlicher Weise Judenverfolgungen in Sceue . Außer - dem hat sich beim „ jungen Rumänien " eine nationale Groß - manussucht entwickelt ; sie möchten ein dakoromanisches Reich stiften und in der ganzen Region am rechten Ufer der untern Donau den Ton angeben . Dieses Reich soll nicht bloß das heutige Rumänien umfassen , nämlich die Moldan und Wa - lachei , welche bereits ein vereinigtes Fürstenthum bilden , sou - deru auch die Bukowina und Siebenbürgen , wo die Mehrzahl der Bevölkerung walachisch ist . Es gährt offenbar stark unter den etwa sieben Millionen Rumänen , und die Abneigung ge - gen die Magyaren , zu deren Krone Siebenbürgen gehört , erscheint sehr stark ausgeprägt . Indessen werden die Wala - chen sich bis ans Weiteres bescheiden müssen ; es fehlen ihnen zur Verwirklichung ihrer Großmachtsphantasien alle Mittel , sie sind bei allen ihren Nachbaren in hohem Grade unbeliebt , sowohl beim Magyaren , der mit einer gewissen stolzen Ver - achtnng ans sie herabsieht , wie beim Serben , der sie haßt , und beim Deutschen , der sich möglichst wenig um sie kümmert . 
Es ist wahr , diese Rumänen haben eine lange Leidens - geschichte durchgemacht , aber selbst das Joch der Türken war nicht so schlimm , wie der Druck , welchen die Bojaren und die Kirche übteu . Dem Walachen ist vermöge seiner Racen - anlage die Fähigkeit versagt , einen dritten Stand aus sich heranszuentwickelu ; er hat sich bis heute unfähig gezeigt , ein bürgerliches Element aus sich herauszuarbeiten . Aber nur dieses bildet den Culturtrüger bei den Völkern Europas ; 
Globus XV . Nr . 10 . ( Mai 1869 . ) 
kleinen Walachei . 
Artikel . 
eine Nation , bei welcher dasselbe mangelt , bleibt in der Civi - lisation rückständig und einseitig . Uebrigens ist nicht zn ver - kennen , daß die neue Zeit dem Volke manche wichtige Re - formen gebracht hat und daß einige tüchtige Männer ehrlich danach streben , die Zustünde mehr und mehr zu verbessern . Die Leibeigenschaft ist nicht mehr vorhanden ; etwa sechsmal - hunderttausend Familien ehemals frohnpflichtiger , man kann sagen leibeigener Bauern auf den Ländereien der Bojaren haben Grund und Boden als Eigenthum erhalten , und auch die Kirche , welche gleich einer aussaugenden Wucherpflanze gemeinschaftlich mit den Bojaren das Volk plünderte , hat Opfer bringen müssen . Diese griechisch - orthodoxe Kirche mit ihrer unzähligen Menge von Fast - und Festtagen ist für die Völ - - ker , auf welchen sie lastet , das größte Hinderniß einer höhern Entwickelung . Sie hat überall eine niehr oder weniger rohe und verrottete Geistlichkeit , die , selber ungebildet , weder Ver - ständniß für Volksbildung , noch Interesse an einer solchen hat . Die walachischcn Bojaren gelten überall in Europa für einen Stand , in welchem die größte Unfittlichkeit , über - Haupt eine arge Corruption herrscht ; sie sind als Halborien - talen geschildert worden , mit Pariser Schliff und auswendig französisch lackirt , ohne Tiefe und Ernst , dem Pomp und Luxus ergeben . Das Urtheil erscheint streng , hat aber die Geschichte für sich . Ausnahmen verstehen sich von selber . Das Land hat nun einen wohlwollenden , intelligenten Für - sten , das Feudalwesen ist abgeschafft , das Recht für Alle gleich ; es ist nun an den Bojaren , den Beweis zu liefern , daß sie das Streben und die Kraft haben , eine gesunde Ent - Wickelung zu fördern , der argen Corruptiou den Abschied zu geben und für die Cultur zu arbeiten . Der Bauer galt bis - 
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