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Band xvi .
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Jo 18 .
Mit besonderer Herürksicktigung iler IntkroVologie unck Giluioloyie .
Verbindung mit Fachmännern und Künstlern herausgegeben von
Karl A n d r e e .
Wöchentlich 2 Bogen . Halbjährlich 3 Thlr . Einzelne Nummern , soweit der Vorraih reicht , 5 , 4 Sgr . 1861K
Die Seeten der Dnchoborzen
Die griechisch - orthodoxe Kirche lastet wie ein schwe - rer Alp auf den Völkern in Ost - und Südosteuropa und macht denselben jede frische und freie Culturentwickelung gc - radezu unmöglich . Alle ihr angehörenden Nationen sind weit hinter jenen iu den anderen Ländern unseres Erdtheils zu - rückgeblieben .
Mau werfe einen Blick auf die Gräkoslaveu , die Wala - cheu , die Albaueseu , Serben , Russen : e . , und stelle einen Ber - gleich mit den germanischen Völkern an oder auch nur mit deu romanischen . Der große Unterschied und die gauz ver - schiedeuartige EntWickelung wird sosort klar . Gewiß finden wir in den katholischen Ländern vielfach Aberglauben und in Italien sogar Fetischdienst ; ohne Zweifel giebt es unter deu Protestanten viele , welche mit einem Dogma , das sie fest - geuagelt haben , nicht minder Fctischdienst treiben . Aber es ist doch da wie dort unendlich mehr Beweglichkeit , als in der völlig verknöcherten orientalischen Kirche . Sie ist in schrecken - erregender Weise verödet ; sie ist hohl und leer , es fehlt in ihr jede Speeulatiou , jeder frische Aufschwung . Sie kennzeichnet sich durch blinden Glauben ihrer Anhänger , viel Formelkram und übermäßige Fasten . Was im Gebiete der griechisch - orthodoxen Kirche an Culturelemeuteu und an Cultnrmen - schen vorhanden ist , das hat mit ihr gebrochen und sich geistig ganz und gar von ihr abgelöst , um nicht durch starre Dog - men und äußern Zwang von ihr in der freien Beweglich - keit gehindert zu werden . In Nußland ist überdies der Czar zugleich Papst , er gebietet absolut auch über Geistlichkeit und Kirchenwesen .
Bekanntlich ist das Racenelernent von großem Einfluß auf die religiösen Anschauungen der verschiedenen Menschen -
Globus XVI . Nr . iL . ( Dccember 1869 . )
und Malakanen in Rußland .
gruppeu . Das Christenthum z . B . ist allen Europäern von Asien her zugebracht worden und sei» Stifter war ein Se - mit . Alle Christen haben ein und dasselbe Buch als Gruud - läge ihres Glanbens , aber die religiösen Anschauungen und die kirchlichen Verhältnisse sind weit davon entfernt , bei Allen dieselben zu sein . Die drei großen ethnischen Gruppen in unserm Erdtheile haben ein ganz verschiedenes Kirchenthum . Die Romauen bekennen sich in überwiegender Menge zum römischen Katholicismns , die Germanen zum Protestautis - inus , die meisten Slaven , Slavo - Gräken ( sogenannte Helle - nen , Griechen ) , die Moldo - Walachen : e . zur griechischen Kirche .
Die Geschichte der christlichen Kirche lehrt , daß in allen Jahrhunderten sich Seeten gebildet haben , welchen die offi - eiellen Glaubens - und Kirchensatzungen uicht genügten . Es giebt immer Menschen , welche die Freiheit , so wie sie dieselbe verstehen , geltend machen wollen gegenüber dem geistigen und geistlichen Zwange . Sie wollen Christen sein nach ihrer Faxou ; sie macheu sich die Bibel uud die Bibelstelleu so zu - recht , wie sie es verstehen uud wie es ihnen paßt . Damit thnn sie lediglich , was auch die officielleu , machthabenden Kirchen thun . Die Kirchengefchichte kennt mindestens ein halbes Tausend Seeten , und gegenwärtig können wir deren reichlich einhundert auszählen . Die päpstliche Kirche hat mit Galgen , Schwert und Scheiterhaufen unbarmherzig gegen Ketzer und Seeten gewüthet , aber sie hat weiter nichts damit erreicht , als sich selber das Brandmal der Barbarei auf die Stirn zu drücken . Die Ketzer und die Seeten sind geblieben , und an die Stelle derer , welche etwa verschwanden , sind immer wieder andere getreten . So wird es auch bleiben für uud
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