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Full Text: Globus, 17.1870

Aus Alfred Grandidier's Reisen im südlichen Indien . 
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gen , und selbst bei Frauen der niedrigsten Classe sieht man gar nicht selten goldene , mit Perlen besetzte Nasenringe . An den Armen werden Ringe von Silber , Kupfer oder Glas getragen , kleine Ringe auch an den Fußzehen , und an den Fußknöcheln schwere Metallringe . Die Ohren sind mit gol - denen Ringen förmlich überladen ; die Ohrzipfel mit möglichst großen Löchern versehen , in welchen man bei festlichen Ge - legeuheiten allerlei Goldsachen befestigt ; für gewöhnlich wer - den diese Löcher mit einem zusammengerollten Blatt ansge - füllt . Für das ersparte Geld kauft der Inder Juwelen ein , nicht bloß der Putzliebe wegen , sondern auch , weil er glaubt , daß ein Schmuck die Macht habe , böses Geschick von ihm abzuwenden . Dazu kommt , daß solche Sachen sich leicht verbergen lassen , und das war wichtig in den Zeiten , als die mohammedanischen Herrscher sich kein Gewissen daraus machten , ihre Un - terthaueu auszuplündern ; außerdem darf ein Musel - manu sich nicht an Sachen vergreisen , welche Frauen gehören ; das verbietet ihm seine Religion . 
Jede Kaste hält mit Ei - sersucht aus ihre Vorrechte , und nicht selten ist blutiger Streit entstanden , wenn eine Kaste sich gegen einen hergebrachten Brauch aus - lehnte . Als einmal eine niedrige Kaste sich zu der frevelhaften Anmaßung stieg , Pantoffeln von einer Form zu tragen , welche sich nicht für sie gebühre , ent - stand eine blutige Fehde , und ein Gleiches geschah , als die Priester einer sol - chen Kaste bei ihren gottes - dienstlichen Feierlichkeiten musikalische Instrumente anwenden wollten , mit de - nen bislang nur für Götter höhern Ranges Musik ge - macht worden war ! — 
In der Unterhaltung muß man sehr vorsichtig sein ; auch den Hindu , geschweige denn den Mohammedaner , darf man nicht nach dem Befinden seiner Frau oder auch seiner Tochter fragen . 
Kommt die Rede etwa auf das oder jenes Mißgeschick , oder auf irgend ein glückliches Ereiguiß , dann muß man sich wohl in Acht nehmen vor Ausdrücken , an welche er irgend einen Aberglauben knüpfen könnte , z . B . über irgend einen Zauber , von welchem er sich bedroht glaubt . Es wäre unhöflich und beleidigend , mit der linken Hand zu grüßen , Speisen und Ge - tränke zum Munde zu führen , denn sie ist unrein und darf nur bei Abwaschungen verwandt werden . 
Der Europäer grüßt und bezeigt Respect , wenn er seinen Hut abnimmt ; beim Orientalen dagegen wäre ein Abnehmen des Turbans etwas Unehrerbietiges . Wenn er in ein Hans 
Eine junge Hindu . 
tritt , behält er den Turbau auf dem Kopfe , legt aber die Fußbekleidung ab , und das ist auch ganz verständig . Auf dem Fußboden liegt eine Matte und oft auch ein Stück wer - ßeu Zeuges ; auf diesem nimmt der Mann mit uutergeschla - genen Beinen Platz und lehnt sich mit dem Rücken an einige Kissen oder Polster . In den Gemächern sind Schuhe ganz überflüssig . — Wer einen Besuch macht , darf sich erst ent - fernen , wenn man ihn verabschiedet . Der Inder nimmt an , daß der Freund , welcher zu ihm kam , nicht gedrängt sei mit der Zeit ; der Wirth dagegen hat möglicherweise Geschäfte , die sich nicht aufschieben lassen ; wenn das der Fall ist , sagt er : 
„ Besuche mich doch recht oft ; " ober : „ Vergiß nicht , daß Du mir allezeit will - kommen bist . " Beim Ab - schiede reicht dauu der Wirth eine Blume oder eine Frucht ; Betel wird bei jedem Be - such angeboten . 
Der Inder ist im Essen sehr mäßig und seine Mahl - zeit von kurzer Dauer . Das Hauptnahrungsmittel ist Reis in Wasser gekocht und mit einer Zuthat von Karry ( Curry ) , der auf verschie - deue Weise bereitet wird , z . B . aus einem Gemisch von Gemüsen , Ghi , d . h . flüssiger Butter , Safran und verschiedenen Gewür - zen . Eier oder Milch wer - den auch manchmal genos - sen , Fische nicht häufig ; dazu kommen Mehlkuchen , Bananen , Brotfrucht und andere Früchte . Daraus besteht Morgens wie Abends die Nahrung der Neichen und Armen . Statt der Teller und Schüsseln hat man Bananenblätter , statt des Löffels oder der Gabel bedient man sich der rech - ten Hand , und das Fleisch wird nicht mit einem Messer zerlegt , sondern mit den Zähnen zerrissen . Es ist übrigens sehr unappetitlich , die Leute esseu zu sehen , denn die Brühe läuft ihnen über das Kinn und von den Fingern hinab . Der Inder trinkt fast nur Wasser und nur dann und wann Palmenbranntwein , Arrak . — Den religiösen Vorschriften gemäß soll der Inder keine Fleischnahruug genießen , und er befolgt das Gebot , weil eine Verletzung desselben eine Aus - stoßuug aus Kaste und Familie im Gefolge haben kann . Leute ohue Kaste genießen Fleisch und trinken viel Arrak . Keine Abteilung der Brahminenkaste im Dekhan genießt Fleisch , in Bengalen jedoch giebt es Brahminen , 'welche Fisch essen , und im eigentlichen Hindustatt , namentlich m den nördlichen Provinzen , erlauben sich fogar viele , das Fleisch von Wild und von Ziegen zu esseu . In Kaschmir gehen die Brahminen so weit , Schöpsenfleisch zu genießen .
	        
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