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Full Text: Globus, 17.1870

232 Schilderungen 
Buenos Ayres , kennt man hier nicht , der Than ist in dem durchweg bewaldeten Lande sehr reichlich ; in dem hügeligen Boden entspringen die klarstell Quellen in großer Zahl , die augenblicklich kleine , nie versiechende Bäche bilden , ein nnbe - rechenbarer Vorzng für ein Land . In fast all den Straßen in Asunciou selbst , welche die Richtung von den Hügeln nach der Bucht haben , fließt fortwährend Quellwasser , das an verschiedenen Stellen an den Abhängen hervortritt . Dazu kommt , daß das Klima nicht übermäßig heiß ist . Wenig - stens sind die dächte gewöhnlich frisch , weil nie etwas Brise von den Bergen im Innern sehlt , was in anderen südlicher gelegenen Flachländern , Corrientes zum Beispiel , nicht der Fall ist . Das Thermometer steigt hier ein paar Mal im Sommer auf 100° F . im tiefsten Schatten , gerade wie in Corrientes , darüber steigt es nie , und alle Angaben , die man über größere Hitze hat , heruhen auf Jrrthümern der Beobach - ter , die das Thermometer vielleicht an einer schattigen Stelle inl Hofe anbrachten , wo die Reflexion der Sonnenstrahlen von einer gegenüberstehenden Wand ans dasselbe einwirken konnte . Oder es wurde an einer vorher von der Sonne er - hitzten Wa - nd aufgehängt , die nun die Wärme auf das In - strnment ausstrahlte . Es scheiut mir , als wenn die Hitze in Buenos Ayres oder in Rosario ausnahmsweise denselben Grad erreichte ; wenigstens starben in letzterer Stadt im vori - gen Jahre vielleicht ein Dntzeud Menschen wegen übergroßer Hitze . Hier aber ist meines Wissens noch keiner an Hitze ge - starben . 
Ich bin der Meinung , daß das Klima der höher gelegenen Theile Paraguays ( von dem Sumpf - und Fieberland bei Humaita abgesehen ) für europäische , speciell deutsche Ein - Wanderer gar nicht unzuträglich wäre , besonders wenn diese sich in Etwas der Weise des Landes anbequemen , d . h . in den Stunden der schlimmsten Hitze ruhen nnd früh am Mor - gen sowie Abends spät arbeiten wollten . Ich bin ferner der Meinung , daß gerade dieses Land ein sehr lohnendes sein würde für fleißige deutsche Arbeiter , die mit Rücksicht auf das heiße Klima bloß die Hälfte der Zeit zu arbeiten brau - chen , in der sie drüben dem Boden die Früchte abringen , um mit aller Gemächlichkeit im Ueberslnß zu leben . Der Land - . baner in Paraguay ist aber auf andere Producte augewiesen , wie der , welcher nach Santa Fs geht . Während in letzterer Provinz der Ackerbau ( in der gewöhnlichen Bedeutung des Wortes ) und die Viehzucht die Hauptbeschäftigungen find , ist der Colonist hier auf Erzeugnisse angewiesen , die den südlich gelegenen Ländern nicht eigen sind , oder von diesen doch nicht in derselben Güte prodncirt werden , wie in Paraguay . Das hauptsächlichste Product dieses Landes ist eben der Taback , besonders die feinste Sorte , Para , der bestimmt ist , dem Havanataback eine ganz bedeutende Concnrrenz zu machen , und dessen Productiou eine sehr einträgliche werden muß . In zweiter Linie steht da die Uerba , zu deren Fabrikation sich bereits große Gesellschaften bilden , darunter eine erst pro - jectirte , welche die reichsten Aerbawälder des Landes aus - beuten , und dabei das Land zugleich colonisiren wird , und zwar ausschließlich mit deutschen Familien . In dritter Linie kommen endlich Kaffee , Zucker und Baumwolle , welche Artikel aber vorläufig bloß für den Verbrauch im Lande , nicht für die Ausfuhr gebaut werden können , und dies wegen der Concnrrenz von Nordamerika und Brasilien , die so zu sagen mehr am Wege liegen . Alle Gartenfrüchte , Ge - müse , sowie Mais : c . werden bloß für deu eigenen Gebrauch producirt werden , um keiue Lebensmittel vom Anstände zu beziehen . Bloß Weizenmehl wird fortwährend eingeführt werden niüfsen , der Verbrauch hn Lande wird nach dem Kriege aber sehr gering sein . 
Während die Colonien von Santa Fe , die zur Zeit des 
aus Paraguay . 
Krieges so überraschend aufblühten , weil sie alle ihre Er - Zeugnisse , Mais , Weizen , Hühner , Eier , Butter ? c . , zu hohen Preisen nach dem Kriegsschauplatze verkauften , nachher an dem Uebel der Absatzschwierigkeit laboriren werden ( denn wer soll ihnen Hühner , Eier , Butter und Mais abkaufen ? ) , wer - deu die Colonien in Paraguay , wenn sie sich auf die dem Lande eigenthümlicheu Artikel beschränken , stets Käufer für ihre Maaren haben . Sic werden nebenbei Viehzucht für den eigenen Bedarf treiben und Früchte aller Art im Ueberfluß bauen können , so daß sie nur sehr wenige Artikel vom Aus - laude zu beziehen brauchen . Dies ist der Grund , weshalb ich der Colonisation dieses Landes das Wort reden möchte . Noch eins ist zu beachten . Man kennt hier keine Mißernten . Die Früchte werden hier nicht vom Hagel zerschmettert , hier verdorren die Pflanzen nicht wegen fehlender Feuchtigkeit , und die Winterfröste sind hier so selten und so wenig stark , daß auch davon kein Schaden zu fürchte« ist . Stürme sind sast unbekannt , die ganze Natur befindet sich hier in einer merkwürdigen Ruhe , in einem Gleichgewicht , das nur aus kurze Zeit gestört wird , und dessen Störung fast nie schäd - liche Folgen für den Landbaner hat . Was wir hier am meisten gebrauchen , sind Pfälzer und Badeuser , die den Tabacksban aus dem Grunde verstehen ; auch Weinbauer könnten in der Cnltur der Rebe eilte lohnende Beschäftigung finden . 
Der immense Holzreichthum Paraguays hat schon ver - schiedene Unternehmer angelockt , und die Ausbeutung dieses Geschenks der Natur ist in vollem Gange . 
Noch andere Reichthümer , in der Erde verborgen , lassen sich hier mit Erfolg heben . Es sind edle Metalle , Schwefel , Zink , Kupfer , vielleicht sogar Steinkohlen . Hierfür besteht schon eine Gesellschaft , die ihren Sitz in Buenos Ayres hat , und für welche ciu deutscher Sachverständiger seit Jahren reist . Nachdem er die Kupferlagen in Missiones und dem angrenzenden Theile Paraguays untersucht hatte , reiste er von Jtapna mitten durch Paraguay über Villa Rica , Micuy uach Asunciou , von wo er in diesen Tagen wieder nach Nbicily zurückgekehrt ist . 
Er hat schon , wie ich höre , 300 Minenarbeiter aus Deutsch - laud verschrieben , um zuerst bei Villa Rica , gerade im Herzen des Laudes , den Bergbau regelrecht zu betreiben . 
Alles , was dieses Land gebraucht , ist Friede . Zwar ist es arm , d . h . es ist kein Geld im Lande , und es fehlt die Bevölkerung , aber alles dies hat dasAuslaud ; man soll nur den Capitalisten ruhig gewähren lassen , und in 20 bis 30 Jahren sind nicht nur alle Wunden vernarbt , die der Krieg geschlagen , sondern das früher verschlossene und vergessene Land wird wegen seiner Bevölkerung und seiner Producte einen geachteten Rang unter den civilisirten Nationen ein - nehmen . 
Welche Kette von Verbrechen , von Unterdrückung des Mm - scheugeistes , vou Verrath und Jnquisitionsscenen hat dieses Laud während einer langen Reihe von Jahren gesehen ! Wer sich den Einfluß des Regierungssystems auf den Volkscharakter klar machen will , der komme nach Paraguay . Das System der Jesuiten ist den Leuten in Fleisch und Blnt gedrungen und ist nicht mehr herauszubringen , das ist : die Falschheit , Heuchelei , der blinde Gehorsam gegen die Oberen , Grau - samkeit nnd Gefühllosigkeit gegen die Untergebenen , Mißtrauen gegen Jedermann , Verrath am eigenen Vater , die allervollständigste Spionage ; bei den Pfaffen , die am meisten verdorben waren , sogar Mißbrauch der Ohren - beichte . Wenn man bedenkt , daß jeder Paraguayer diese Ideen mit der Muttermilch eingesogen hat , und daß es nur wenigen , die das Glück hatten , im Auslande zu leben , geluu - gen ist , sich davon zu emancipiren , so wundert man sich über
	        
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