250 Theodor Kirchhoff : Die
„ nahm Krischua den ehrwürdigen Weisen Narada , den Mann des ewig gleichen Gemüths , bei der Hand , ging mit seinem Weibe und seinem Gefolge zum Gestade hinab und sagte : Laß uns dies köstliche Wasser mit den Damen in zwei Ab - theilnngen betreten , Balarama mit seiner Frau möge der Führer der einen Partie sein , die aus meinen Kindern und der Hälfte der Gesellschaft besteht , während Balarama's Kinder und die andere Hälfte der Gesellschaft auf meiner Seite stehen . " Nun wird geschildert , wie beide Parteien sich im Wasser durch Bespritzen , Untertauchen n . s . w . eine form - liche Schlacht lieferten , wobei die Weiber Krifchna's und larama's „ durch den Arrak stark erregt " fcharf gegen ein - ander kämpften . Zuletzt wurde die Sache etwas heftig , der Scherz drohte in Ernst auszuarten , und Krischua gebot daher , dem Dinge ein Ende zn machen .
Nachdem solchergestalt die Wasservergnügungen zu Ende waren , folgte das große Hauptfest des Tages . Alle begaben sich auf Krifchna's Befehl in die Bankethalle , wo sie ihre Sitze je nach Rang , Alter und Stellung einnahmen , um das Werk des Essens und Trinkens zn beginnen . Auch der lange , merkwürdige Speisezettel wird uns mitgetheilt . Wir finden da große an Spießen geröstete Braten , verfchie - dene Cnrries , Brühen aus Tamarinden und Granatäpfeln , junge Büffel mit Butter geschmort , mit Säuren und Salzen gewürzt , Wildpret auf verschiedene Art mit Mangosrüchten gekocht . Als Würzen und Zwischenspeisen dienten Ingwer ,
hinesen in San Francisco .
Assasoetida und allerlei Krautwerk . An Weinen und Spiri - tuoseu war keiu Mangel ; es gab Liqueure , die über wohl - riechende Blüthen abgezogen waren . Pasteten und Süßig - leiten machten den Beschluß . Inmitten der prassenden Menge gab es aber einige ernste Männer , altindische Vege - tarianer , die sich mit Gemüsen , Brühen , Milch und Zucker begnügten .
Der Tag war zn Ende und die Nacht brach herein . Die herrlichen Fürsten , neben denen die Damen saßen , be - gannen jetzt Liebeslieder zu singen . Der weise Narada er - griff seine „ Vina von sechs Octaven " und ließ sie ertönen . Krischna selbst genirte sich nicht im mindesten die Cymbeln zu schlagen ; ein anderer Fürst ergriff die Flöte , und alle anderen Anwesenden stimmten mit ihren Instrumenten ein . Eine berühmte Schauspielerin , ausgezeichnet durch eine schlanke Figur , ergötzte alsdann die Anwesenden durch ihre Vorstellungen ; es folgte Gesang und Declamation , und ein großes Musikstück , „ welches auf verschiedene Weise in sechs Octaven gesungen wurde " , beschloß das Fest . Jung und Alt stimmte mit ein ; Krischna belohnte die Tänzerinnen und Schauspielerinnen , und die Gesellschaft kehrte heim .
So waren die Bacchanalien der alten Hindns beschaffen ; und wenn auch vieles in der vorstehenden Schilderung aus Rechnung der Phantasie des Dichters geschrieben werden mnß , so sind die Grundzüge doch als ein gutes Bild alt - indischer Sitten und Gebräuche anzusehen .
Die Chinesen in
Ein Culturbild aus Von Theodo
Vor der seit dem 1 . Januar 1867 zwischen Ostasien und dieser Küste ins Leben getretenen Dampfschifffahrt be - trug die chinesische Einwanderung nach Calisornien 3000 bis 4000 Köpfe pro Jahr , und in manchem Jahre gingen so viele zurück , als hierherkamen . Eine Ausnahme davon bildete das Jahr 1852 mit 18 , 423 chinesischen Ankömmlin - gen , welche meistens als Goldgräber dieses Land aussuchten . Seit der Inauguration der pacisischen Dampfschifffahrt hat sich aber jenes Zahlenverhältniß sehr geändert . Statt 3000 uud 4000 chinesischer Einwanderer kamen in den ersten Iah - ren nach 1867 durchschnittlich 10 , 000 und in diesem Jahre bis Ende Mai bereits 9414 — im Maimond allein 3909 . Fünftausend mehr sind als unterwegs angezeigt , und außer den Dampfern bringt uns jedes von China anlangende Segelschiff einen neuen Schwärm weizengelber Mongolen . Im Jahre 1867 machten die Dampfschiffe nur drei Fahr - ten zwischen San Francisco und Hongkong ; 1868 neun Fahrten , seitdem zwei Per Monat . Außerdem sind mehrere Extradampfer hinzugekommen , und neuerdings haben zwei englische Gesellschaften Dampfschifflinien zwischen hier und Ostasien ins Leben gerufen . Man kann also von jetzt an auf die Ankunft von drei bis vier chinesischen Dampfern Per Monat rechnen . Ginge die Einwanderung im selben Ver - Hältnisse fort , wie sie im lausenden Jahr begonnen , so würden wir bis Jahresschluß eine Zufuhr von etwa 25 , 000 Chine - sen erhalten ; ein erschreckendes Zahlenverhältniß zu der
San Francisco .
dem fernen Westen . Kirchhoff .
sigen weißen Bevölkerung , da sich die große Mehrzahl der Chinesen diese Stadt zum Wohnort nimmt .
Der Einfluß von der im Chinesenviertel herrschenden Jmmoralität ist auf die heranwachsende weiße Jugend San Franciscos bereits von unberechenbarem Schaden gewesen . Ein großer Theil von diesen nicht an regelmäßige Arbeit gewöhnten jungen Tagedieben , die wegen der Concurrenz der Chinesen schwerer wie in anderen Ländern Beschäs - tignng sinden und von der Industrie fern gehalten werden , bilden die Classe der „ Hoodlums " ( sprich ? Huhdlum ) , die frechste und niederträchtigste Bande von jungen Strolchen , welche sich nur denken läßt . Jedesmal wenn ein chinesi - scher Dampfer anlangt , zeigen sich „ Hoodlums " in ihrer Glorie . Wenn dann tausend und mehr Zopfträger zu Wagen und zu Fuß durch die Stadt nach dem Chinesen - quartier befördert werden , giebt es Scenen , die aller schreibung spotten .
Begeben wir uns einmal an den Landungsplatz eines chinesischen Dampfers . Sobald die Ankunft eines solchen in der Stadt bekannt wird , eilen Abgesandte der großen chinesischen Compagnien , sowie eine starke Polizeimannschaft nach dem Landungsplatze . Erst werden die Kulis , meistens aus Wagen , nach dem Chinesenquartier geschafft . In nicht enden wollender Reihe fahren diese , jeder mit zehn und oft zwanzig Chinesen beladen , durch die Hauptstraßen , ein An - blick , der ganz einzig in seiner Art ist . Auf jedem Wagen