Skip to main content
Page Banner

Full Text: Globus, 36.1879

206 A . Glitsch : Bilder aus d . 
kleinbeerige Kischmisch ( der die Sultaninen liefert ) , der dick - schalige Tolstekore , der walzenförmige Saffiani ( den die Perser Damensingeruagel nennen ) , die kaspische Traube ; dazu kommen die aus dem Westen eingeführten Sorten : Muskat , Risling , Capweiu , die Erdbeertraube und andere . Alle diese bringen die an Spalieren gezogenen Stöcke in rei - cher Fülle und in unübertrefflicher Süßigkeit hervor , welche bei manchen Sorten fast beißend auf die Zunge wirkt . In den südlichen Steppengegenden , besonders in Astrachan , wird viel Wein gepreßt , auch sind die Sorten andere , während in den etwas nördlicher liegenden mehr Tafeltrauben gezogen werden . Daß in früheren Zeiten , mehrere hundert Jahre zurück , bereits schon Weinkultur in diesen Gegenden vor - Händen war , beweisen die Töpfe von 1V2 m Höhe und fast gleichem Durchmesser , welche gelegentlich in der Erde gefnn - den werden und uoch deutlich eine Flüssigkeitsmarke zeigen . Solche Töpfe sind noch heute in Grusien im Gebrauch als Behältnisse , in welchen der Wein seine Gähruugsperiode durchmacht . 
Die Hauptfrucht der Steppe aber ist und bleibt die Arbufe oder Wassermelone . Sie ist im Herbst das täg - liche Brod des gemeinen Volks und wird auch von dem Gutschmecker nicht verschmäht . Bis zu einem Fuß Durch - messer wachsend , mit hell - oder dunkelgrüner , äußerer Schale , prachtvoll rothem Fleisch und schwarzen oder braunen Samen - kernen , aus Saft und Zuckerstoff bestehend , und mit einem nur beut Kenner schmeckbaren Aroma begabt , wächst diese Frucht auf freiem Feld , senkt ihre Wurzeln nicht tief in die Erde und bietet noch heute ein Räthsel dar , woher sie bei der trockenen Lust uud dem dürren Steppenboden die uuge - Heuren Quantitäten Wasser , die sie in sich birgt , empfängt . Gauz geringer Pflege bedürfend , bietet sie in ihrem überaus reichen Ertrag ein gesundes und wohlschmeckendes Lebens - mittel , ja es stellen sich sogar in dieser Zeit Kalmücken aus den Horden in den Ansiedelungen ein , um diese Gabe Gottes kurweise medicinisch auf sich wirken zu lassen , analog mit unseren Traubenkuren . 
In der Mitte des August begiebt sich der verständige Landwirth in der Kühle des Morgens auf fein Arbusenseld und prüft die Früchte durch Klopfen mit dem Fingerknöchel an die Schale . Ist der Klaug hell , so ist die Frucht noch nicht reif , erst , wenn er dumpf , pelzig schallt , hat sie die er - wünschte Süßigkeit erlangt . Nun aber verläßt sie auf län - gere Zeit ihren Besitzer nicht , sie wird zu jeder Tageszeit verspeist , zu Haus , im Feld und auf Ausfahrten darf sie nicht fehlen . Erst , wenn die kalten Wintertage nahen , ver - liert sich der Appetit nach der frischen Frucht . Dafür aber wird sie auf verschiedene Weise für diese Jahreszeit con - servirt . Ganze Wagenladungen werden in die Keller ge - bracht und die Thätigkeit der Hausfrau beginnt . Ein süßer , nicht unangenehmer Syrupgeruch lagert sich über die ganze Ortschaft , denn es ist in ihr keine Küche , in welcher nicht das Messingbecken oder der Kessel über dem Feuer steht . Zunächst wird der ablaufende Saft des verkleinerten Fleisches der Frucht zu einem vorzüglichen Syrnp eingedickt , der sich sehr zu seinem Vortheil von dem des Zuckers unterscheidet . Das Fleisch selbst wird zn einem Muß gekocht , der , mit Gewürzen pikant gemacht , ein gutes Compot liefert und dessen allzugroße Süßigkeit man durch Beimischung von Kirschmuß mildern kann . Die äußeren Schalen werden den Schweinen und Kühen zum Futter gegeben , so daß nichts verloren geht . Manche legen auch die Arbusen in Salz - Wasser ein , wodurch sie frisch conservirt werden , aber doch auch einen , nicht jedermann mundenden , Salzgcschmack bekommen . 
Man hat auch den Versuch gemacht , aus Arbusen Zucker zu gewinnen , doch war einmal die Quantität des zu 
: südlichen Wolga - Steppen . 
verdampfenden Wassers verhältnißmäßig zu groß , andern - theils machte die Umwandlung des Fruchtzuckers in Krystall - zncker zu viel Schwierigkeit und kostete zu viel Zeit , so daß man davon abgesehen hat . 
Bon ausgezeichneter Güte sind auch dieSteppeumelo u eu , die in gleicher Weise gezogen werden . Ihres sehr starken Aromas wegen aber sind sie nicht geeignet , zur täglichen Kost zu werden , auch sind sie schwerer verdaulich , als die Arbusen , und können leichter Ursache zu Magenerkältungen geben . Sie werden daher in geringerer Menge gebaut uud meist nur zum Nachtisch genossen . 
Auch nach einer andern Seite hin ist die Tasel des Steppenbewohners in dieser Zeit gut versorgt . Das Leben der wilden Thierwelt , das im Sommer geschlummert hat , ist im Herbst wieder erwacht . Die jungen Brüten des Ge - flügelwildes sind herangewachsen und füllen die Steppe . Der Jäger begiebt sich wieder auf ihre Spur . Zwei Arten der Jagd sind der Steppe eigentümlich , die auf die Auti - lopen und die aus die Trappe . Es nisten zwei Arten des letztern Vogels in den Wolga - Steppen , die große Trappe , Otis tarda , in der Größe eines Truthahns , welche auch in manchen Gegenden Deutschlands vorkommt , und die kleine oder Zwergtrappe , Otis tstrax , von der Größe eines großen Huhnes , letztere der Zartheit ihres Fleisches wegen gesnch - ter . Beide Arten sind scheu und listig und wissen sich durch Ducken und Niederlegen im Steppengras den Blicken der Menschen zu entziehen . Sie sind Laufvögel , gebraucheu also nur im Nothsall die Flügel . Die große Trappe kann sich weniger verbergen , läßt aber auch , weil sie ihrer hohen Gestalt wegen weitere Umschau halten kanu , den Jäger nicht leicht auf 100 Schritt sich nahen . Die Zwergtrappe dagegen sucht sich durch Verstecken am Boden , von dessen Farbe die des Vogels wenig verschieden ist , zu sichern . Vor dem zu Fuße geheudeu Meuscheu hat sie mehr Furcht , als vor laugsain sich bewegendem Fuhrwerk . Auf diese That - sache baut der Jäger feiuen Plan , das Thier zu überlisten . Im Frühjahr , in welchem das Steppengras ein ausgezeich - netes Versteck ist , sieht man dies Wild meist nur im Fluge , wird aber durch den Lockruf nach der Stelle geleitet , wo der Vogel sich an der Erde aufhält . Das Männchen ist leich - ter erkennbar durch den schwarzen Hals mit weißem Doppel - Halsband . — Hat der Jäger das Wild bemerkt oder sind Trappen aus dem Fluge ins Land eingefallen , so behält er den Platz möglichst scharf in ? Auge und lenkt sein Fuhrwerk dorthin , ab^r nicht in gerader Richtung , sondern , als ob er in einem Bogen vorbeifahren wollte . Er umfährt nun die Stelle in einer Spirallinie , bis er sich ans Schußweite ge - nähert hat . Kann er den Vogel erblicken , so schießt er ihn am Boden von der Droschke aus ; entdeckt er ihn nicht , so springt er ab und läuft in der Richtung , in welcher er ihn gesehen hat , wodurch er ihn zum raschen Ausfliegen bringt und in der Nähe schießen kann . Oft wird er aber von der Trappe überlistet , die den Einsallsplatz verlassen hat und , dicht an die Erde geduckt , einige hundert Schritt weit sich entfernt hat . Sie kommt also nicht zum Ausfliegen , fon - dern er hört aus der Entfernung ihren Lockruf , der frei - lich nicht ihm gilt , aber ihm doch der Fingerzeig für den Ort wird , an welchem er feiue weiteren Versuche machen kann . 
Das edelste Wild der Steppe aber ist das Steppenreh , die Saiga - Antilope . Wie schon erwähnt , nähert sie sich im Winter , durch Schnee uud Sturm verschlagen , gelegentlich menschlichen Wohnungen , sonst aber hält sie sich tief in der Steppe auf . Sie ist ein so überaus rasches und flüchtiges Thier , daß der beste Renner sie nicht einzuholen vermag . Nur wenn man das Thierchen einige Stunden nach seiner Geburt
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.