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kleinbeerige Kischmisch ( der die Sultaninen liefert ) , der dick - schalige Tolstekore , der walzenförmige Saffiani ( den die Perser Damensingeruagel nennen ) , die kaspische Traube ; dazu kommen die aus dem Westen eingeführten Sorten : Muskat , Risling , Capweiu , die Erdbeertraube und andere . Alle diese bringen die an Spalieren gezogenen Stöcke in rei - cher Fülle und in unübertrefflicher Süßigkeit hervor , welche bei manchen Sorten fast beißend auf die Zunge wirkt . In den südlichen Steppengegenden , besonders in Astrachan , wird viel Wein gepreßt , auch sind die Sorten andere , während in den etwas nördlicher liegenden mehr Tafeltrauben gezogen werden . Daß in früheren Zeiten , mehrere hundert Jahre zurück , bereits schon Weinkultur in diesen Gegenden vor - Händen war , beweisen die Töpfe von 1V2 m Höhe und fast gleichem Durchmesser , welche gelegentlich in der Erde gefnn - den werden und uoch deutlich eine Flüssigkeitsmarke zeigen . Solche Töpfe sind noch heute in Grusien im Gebrauch als Behältnisse , in welchen der Wein seine Gähruugsperiode durchmacht .
Die Hauptfrucht der Steppe aber ist und bleibt die Arbufe oder Wassermelone . Sie ist im Herbst das täg - liche Brod des gemeinen Volks und wird auch von dem Gutschmecker nicht verschmäht . Bis zu einem Fuß Durch - messer wachsend , mit hell - oder dunkelgrüner , äußerer Schale , prachtvoll rothem Fleisch und schwarzen oder braunen Samen - kernen , aus Saft und Zuckerstoff bestehend , und mit einem nur beut Kenner schmeckbaren Aroma begabt , wächst diese Frucht auf freiem Feld , senkt ihre Wurzeln nicht tief in die Erde und bietet noch heute ein Räthsel dar , woher sie bei der trockenen Lust uud dem dürren Steppenboden die uuge - Heuren Quantitäten Wasser , die sie in sich birgt , empfängt . Gauz geringer Pflege bedürfend , bietet sie in ihrem überaus reichen Ertrag ein gesundes und wohlschmeckendes Lebens - mittel , ja es stellen sich sogar in dieser Zeit Kalmücken aus den Horden in den Ansiedelungen ein , um diese Gabe Gottes kurweise medicinisch auf sich wirken zu lassen , analog mit unseren Traubenkuren .
In der Mitte des August begiebt sich der verständige Landwirth in der Kühle des Morgens auf fein Arbusenseld und prüft die Früchte durch Klopfen mit dem Fingerknöchel an die Schale . Ist der Klaug hell , so ist die Frucht noch nicht reif , erst , wenn er dumpf , pelzig schallt , hat sie die er - wünschte Süßigkeit erlangt . Nun aber verläßt sie auf län - gere Zeit ihren Besitzer nicht , sie wird zu jeder Tageszeit verspeist , zu Haus , im Feld und auf Ausfahrten darf sie nicht fehlen . Erst , wenn die kalten Wintertage nahen , ver - liert sich der Appetit nach der frischen Frucht . Dafür aber wird sie auf verschiedene Weise für diese Jahreszeit con - servirt . Ganze Wagenladungen werden in die Keller ge - bracht und die Thätigkeit der Hausfrau beginnt . Ein süßer , nicht unangenehmer Syrupgeruch lagert sich über die ganze Ortschaft , denn es ist in ihr keine Küche , in welcher nicht das Messingbecken oder der Kessel über dem Feuer steht . Zunächst wird der ablaufende Saft des verkleinerten Fleisches der Frucht zu einem vorzüglichen Syrnp eingedickt , der sich sehr zu seinem Vortheil von dem des Zuckers unterscheidet . Das Fleisch selbst wird zn einem Muß gekocht , der , mit Gewürzen pikant gemacht , ein gutes Compot liefert und dessen allzugroße Süßigkeit man durch Beimischung von Kirschmuß mildern kann . Die äußeren Schalen werden den Schweinen und Kühen zum Futter gegeben , so daß nichts verloren geht . Manche legen auch die Arbusen in Salz - Wasser ein , wodurch sie frisch conservirt werden , aber doch auch einen , nicht jedermann mundenden , Salzgcschmack bekommen .
Man hat auch den Versuch gemacht , aus Arbusen Zucker zu gewinnen , doch war einmal die Quantität des zu
: südlichen Wolga - Steppen .
verdampfenden Wassers verhältnißmäßig zu groß , andern - theils machte die Umwandlung des Fruchtzuckers in Krystall - zncker zu viel Schwierigkeit und kostete zu viel Zeit , so daß man davon abgesehen hat .
Bon ausgezeichneter Güte sind auch dieSteppeumelo u eu , die in gleicher Weise gezogen werden . Ihres sehr starken Aromas wegen aber sind sie nicht geeignet , zur täglichen Kost zu werden , auch sind sie schwerer verdaulich , als die Arbusen , und können leichter Ursache zu Magenerkältungen geben . Sie werden daher in geringerer Menge gebaut uud meist nur zum Nachtisch genossen .
Auch nach einer andern Seite hin ist die Tasel des Steppenbewohners in dieser Zeit gut versorgt . Das Leben der wilden Thierwelt , das im Sommer geschlummert hat , ist im Herbst wieder erwacht . Die jungen Brüten des Ge - flügelwildes sind herangewachsen und füllen die Steppe . Der Jäger begiebt sich wieder auf ihre Spur . Zwei Arten der Jagd sind der Steppe eigentümlich , die auf die Auti - lopen und die aus die Trappe . Es nisten zwei Arten des letztern Vogels in den Wolga - Steppen , die große Trappe , Otis tarda , in der Größe eines Truthahns , welche auch in manchen Gegenden Deutschlands vorkommt , und die kleine oder Zwergtrappe , Otis tstrax , von der Größe eines großen Huhnes , letztere der Zartheit ihres Fleisches wegen gesnch - ter . Beide Arten sind scheu und listig und wissen sich durch Ducken und Niederlegen im Steppengras den Blicken der Menschen zu entziehen . Sie sind Laufvögel , gebraucheu also nur im Nothsall die Flügel . Die große Trappe kann sich weniger verbergen , läßt aber auch , weil sie ihrer hohen Gestalt wegen weitere Umschau halten kanu , den Jäger nicht leicht auf 100 Schritt sich nahen . Die Zwergtrappe dagegen sucht sich durch Verstecken am Boden , von dessen Farbe die des Vogels wenig verschieden ist , zu sichern . Vor dem zu Fuße geheudeu Meuscheu hat sie mehr Furcht , als vor laugsain sich bewegendem Fuhrwerk . Auf diese That - sache baut der Jäger feiuen Plan , das Thier zu überlisten . Im Frühjahr , in welchem das Steppengras ein ausgezeich - netes Versteck ist , sieht man dies Wild meist nur im Fluge , wird aber durch den Lockruf nach der Stelle geleitet , wo der Vogel sich an der Erde aufhält . Das Männchen ist leich - ter erkennbar durch den schwarzen Hals mit weißem Doppel - Halsband . — Hat der Jäger das Wild bemerkt oder sind Trappen aus dem Fluge ins Land eingefallen , so behält er den Platz möglichst scharf in ? Auge und lenkt sein Fuhrwerk dorthin , ab^r nicht in gerader Richtung , sondern , als ob er in einem Bogen vorbeifahren wollte . Er umfährt nun die Stelle in einer Spirallinie , bis er sich ans Schußweite ge - nähert hat . Kann er den Vogel erblicken , so schießt er ihn am Boden von der Droschke aus ; entdeckt er ihn nicht , so springt er ab und läuft in der Richtung , in welcher er ihn gesehen hat , wodurch er ihn zum raschen Ausfliegen bringt und in der Nähe schießen kann . Oft wird er aber von der Trappe überlistet , die den Einsallsplatz verlassen hat und , dicht an die Erde geduckt , einige hundert Schritt weit sich entfernt hat . Sie kommt also nicht zum Ausfliegen , fon - dern er hört aus der Entfernung ihren Lockruf , der frei - lich nicht ihm gilt , aber ihm doch der Fingerzeig für den Ort wird , an welchem er feiue weiteren Versuche machen kann .
Das edelste Wild der Steppe aber ist das Steppenreh , die Saiga - Antilope . Wie schon erwähnt , nähert sie sich im Winter , durch Schnee uud Sturm verschlagen , gelegentlich menschlichen Wohnungen , sonst aber hält sie sich tief in der Steppe auf . Sie ist ein so überaus rasches und flüchtiges Thier , daß der beste Renner sie nicht einzuholen vermag . Nur wenn man das Thierchen einige Stunden nach seiner Geburt