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Band XXXVII .
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lit btfondmr StrürtifirMipnjj der Antliroxologie und Gtlinologie . Begründet von Karl Andrer .
In Verbindung mit Fachmännern herausgegeben von Dr . Richard Kiepert .
^Rrmtn Jährlich 2 Bände g , 24 Nummern . Durch alle Buchhandlungen und Postanstaltcn - i on n
<j iUllIl U / u / tly zum Preise von 12 Mark pro Band zu beziehen . looU *
D i e Nosairier .
( Nach dem Französischen des Reisenden Leon Cahun . )
II .
Zwei Tage verbrachte Cahun in der Umgegend von Kerdaha mit topographischen Arbeiten , während er die Abende mit anthropologischen Messungen ausfüllte , zu denen sich die Nosairier willig verstanden . Auch bei dieser Gelegenheit konnte er wiederum ihre Anstelligkeit bewundern . Nachdem er die ersten vor den Augen einer aufmerksam zuschauenden Schar gemessen , nahm die Arbeit einen sehr raschen Fort - gang , weil die zu messenden selbst dabei halfen . Wenn der Franzose z . B . nach dem Rollhügel des Hüftbeins , dem Darmbeinkamm oder nach dem Fortsatze der Schnlterhöhe hernmtastete , so faßte das Objekt der Untersuchung nach der betreffenden Stelle , sagte lächelnd : „ Nicht dort — hier ! " und führte Daumen und Mittelfinger Cahuu's nach der ge - wünschten Stelle ; ja zuletzt spielte einer , der riesige 1 , 98 m hohe Hassan Aghajes , den Assistenten , stellte die Per - sonen zurecht , reichte die Instrumente hin und suchte zur großen Belustigung der Anwesenden nach den betreffenden Gelenken . Nicht wenig schmeichelte es ihm auch , daß er an dem Druck - Dynamometer , an welchem jede Persou ihre Kraft erprobte , den Zeiger auf 90 trieb , während die stärksten Leute vergeblich sich abmühten , es über 55 oder höchstens 60 zu bringen .
Der 22 . Oktober 1378 brachte eine sonderbare Ueber - raschung : man weckte den Reisenden früh Morgens und theilte ihm mit , daß eine ganze kleine türkische Armee , aus einem Bataillon mit Reiterei und zwei Kanonen bestehend , herbeigekommen sei und ihn festnehmen sollte . Wie es sich mit der Zeit und nach langen Verhandlungen herausstellte ,
Globus XXXVII . Nr . 21 .
hatte der türkische Mndir den Franzosen wegen seines Ver - kehrs mit den Nosairiern und seiner topographischen Arbei - ten wegen in Verdacht , daß er die Gebirgsbewohner zu einer Empörung anstacheln wolle ; diesen Verdächtigungen hatte sich der in Ghallori befehligende Offizier , um sich wegen der Revolver - Geschichte zu rächen , angeschlossen — und deshalb dieses riesige Aufgebot von Macht ! Andererseits hatten sich aber in Folge dessen auch an 400 bewaffnete Nosairier zu - sammengethan und drohten den Türken in den Rücken zu fallen , fo daß sich der Befehlshaber derselben , Said Aga , übrigens ein verständiger Mann und mit den Nosairiern vertraut , rasch von der Grundlosigkeit jener Anschuldigungen überzeugte , und von der Verhaftung des Reisenden nicht wei - ter die Rede war . Cahun lud den Said Aga , der ihm ge - fiel , in fein Zelt , wo derselbe ohne Anstand einige Flaschen Wein leerte , und beide bald gute Freunde wurden . Als Said von der falschen Anzeige des Offiziers in Ghallori hörte , versprach er — charakteristisch genug für die Zustände im türkischen Heere — ihm noch an demselben Abend solche Prügel angedeihen zu lassen , wie sie noch nie ein türkischer Reserveoffizier von einem Damascener Linienoffizier — die Damascener halten sich etwa für dasselbe in Syrien , wie die Pariser in Frankreich — erhalten hätte ; und er hat Wort gehalten . Aus dem Gespräche entnahm der Reisende , daß Said Aga eine nosairische Frau hatte und deshalb mit vie - len von ihnen und ihren Sitten wohlbekannt war ; er wäre , behauptete er , der einzige türkische Soldat , vor welchem die Nosairier Respekt hätten ; das alles käme aber daher , daß er
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