Skip to main content
Page Banner

Full Text: Globus, 72.1897

128 
F. Grabowsky: Lokalformen vorgeschichtlicher Geräte. 
Lokalformen vor geschichtlich er „Geräte. 
Von Museumsassistent F. Grabowsky. 
Unter dem Namen „grattoir à bec“, also „Schnabel 
schaber“, beschrieben die Herren Dr. Capitan und Abbé 
Brung vor einiger Zeit eine neue Schaberform 1 )) die 
der letztere in vier Stücken als Oberflächenfunde auf 
dem Plateau in der Umgebung von Chaumussay (Indre- 
et-Loire) gesammelt hatte, und die wahrscheinlich der 
jüngeren Steinzeit angehören. 
Aus den beifolgenden Figuren A und B ist die Form 
der Schaber ersichtlich. Ich bin nun der Ansicht, dafs 
A B 
es dem Verfertiger dieser Stücke weniger darum zu 
thun gewesen ist, durch die sekundäre Bearbeitung die 
schnabelförmige, bald rechts, bald links sitzende Spitze 
herzustellen, sondern dafs zufällig so gestaltete Feuer 
steinlamellen zu einer Verbindung von Rund- und Hohl 
schaber bearbeitet wurden und gute Dienste leisteten, 
während die seitlich gelegene Spitze kaum irgend welchen 
Wert für den Schaber haben dürfte. Bei Figur A ist 
deutlich ersichtlich, dafs die Rundung zum Hohlschaber 
durch Dengelung vervollständigt ist, während beim 
Schaber B auf der linken Seite durch einen Schlag von 
der Basis des Stückes ein langer Span abgehoben 
wurde, der nur zufällig eine so runde Form hat annehmen 
können. Man kann daher kaum von einem neuen Typus 
sprechen, vielmehr möchte ich darin nur eine Lokal 
form sehen, die dem Zufall ihr Entstehen verdankte; 
dafür würde auch das seltene Vorkommen sprechen. 
Die Herren Capitan und Brung weisen selbst darauf hin, 
dafs ihr „grattoir à bec“ sofort an den interessanten 
Typus erinnert, den Salmon auf Fundstellen der Époque 
magdalienne gefunden und „bec de perroquet“ genannt 
hat. Auch dieser Typus soll übrigens selten sein. — 
Die Herren wollen den „grattoir à bec“ nicht mit dem 
grattoir-burin verwechselt wissen, der auf Fundplätzen 
der Époque magdalienne häufig vorkommt und an der 
einen Seite einen Schaber (grattoir) und an der anderen 
einen Kratzer (burin) zeigt. 
Eine sehr eigenartige, bisher aus der Litteratur mir 
nicht bekannte Schaberform, für welche ich die Bezeich 
nung „trapezförmiger Schaber“ in Vorschlag 
bringe, fand ich im Frühjahr 1896 auf einer sehr er 
giebigen Fundstelle „am Dowesee“ nördlich der Stadt 
Braunschweig, und zwar drei Stücke, Fig. 2, 4 und 6. 
(Fig. 2a, 4a und 6a zeigt dieselben Stücke von der Rück 
seite.) Fig. 2 ist das am besten erhaltene Stück, aus 
einem grauen, undurchsichtigen Feuerstein gearbeitet, * 
x ) Un nouveau type d’instrument: le grattoir à bec; in 
Bulletins de la Société d’Anthropologie de Paris. 4. Serie : 
Tom. YII (1896), p. 373ff. nebst zwei Textfiguren. 
die Oberseite zeigt zwei Spaltflächen, die Unterseite, 
wie bei allen übrigen Stücken, nur eine Spaltfläche mit 
stark entwickeltem Schlagkegel. Drei Seiten sind durch 
saubere Dengelung annäherd geradlinig gestaltet und 
gleichzeitig geschärft, die vierte Seite, die wahrscheinlich 
in einem Holzgriff befestigt wurde, ist in der Mitte 
etwa 7 mm dick und fällt nach der Rückseite zu schräg 
ab. Dringend notwendig war übrigens eine Schäftung 
dieses Schabers nicht, er läfst sich, wie ein Versuch 
lehrt, vermittelst des Daumens und Zeigefingers sehr 
gut festhalten und benutzen. Ein ursprünglich fast 
gleiches, jetzt leider sehr abgenutztes und zum Teil zer 
brochenes Stück ist Fig. 4, 4a. Die Spaltflächen auf 
der Oberseite verlaufen in entgegengesetzter Richtung 
wie bei dem vorigen ; namentlich von der Rückseite be 
trachtet, ist die Identität beider Stücke zweifellos. Das 
Stück ist aus grauem, etwas geflecktem Feuerstein gear 
beitet. Das dritte Stück, Fig. 6, 6a, hat schon durch die 
Spaltflächen die Form erhalten, eine Dengelung bat nur 
in ganz beschränktem Mafse stattgefunden. — Bei 
Durchsicht meiner Sammlung fand ich dann später, 
unter Feuersteingeräten, die vom Herrn kaiserl. Bank 
assistenten M. Teige (jetzt in Duisburg) in der Nähe 
von Melverode gefunden und mir übergeben waren, ein 
Stück, das in Fig. 1, la abgebildet ist. Man sieht auch 
schon auf der Abbildung auf den ersten Blick, dafs es 
sich um dieselbe trapezförmige Form, mit fast gerad 
linigen Seiten handelt. Das Material, aus dem das Stück 
gefertigt, ist etwas gröber und dunkler als bei den 
bisher genannten Stücken. Später fand dann noch Herr 
Dr. med. C. Haake auf der Düne des alten grofsen Exer 
zierplatzes (jetzt Prinzenpark) bei Braunschweig ein 
Stück (Fig. 3, 3a), das zwar stark abgenutzt ist, aber 
aus ganz ähnlichem Material, — man ist fast geneigt 
anzunehmen, aus demselben Feuersteinknollen — her 
gestellt ist wie Fig. 2, 2a. Zwei Stücke fand derselbe 
aufserdem auf den Spargelfeldern von Cbarlottenhöhe bei 
Richmond, also gar nicht weit (etwa 0,5 km) von der 
Melveroder Fundstelle. Es sind dies die Stücke 5 und 7 
(5a, 7a). Das zuletzt genannte, nur zur Hälfte erhaltene 
Stück weicht insofern von den bisher beschriebenen ab, als 
es fast noch einmal so dick wie diese ist und drei ganz 
regelmäfsig parallel verlaufende Spaltflächen auf der 
Oberseite aufweist. Doch gehört es wohl sicher in die 
selbe Kategorie der Schaber. Ein auch hierher gehören 
des, sehr flaches, stark vom Feuer durchglühtes, milch- 
weifses, von feinen Sprüngen durchsetztes Stück fand 
Herr Dr. Haake in jüngster Zeit auf einem Abhang der 
Asse. — Von diesem letzten Stück abgesehen, haben 
sich die beschriebenen Stücke auf einem verhältnismäfsig 
eng begrenzten Raum gefunden, denn die beiden am 
weitesten voneinander liegenden Orte Melverode und 
Dowesee sind nur etwa 6 km, Charlottenhöhe und alter 
grofser Exerzierplatz nur etwa 3,5 km, letzterer und 
Dowesee ebensoweit voneinander entfernt. Wir haben 
es hier meiner Meinung nach auch nur mit einer 
Lokalform zu thun, die gelegentlich für einen be 
sonderen Zweck hergestellt, sich für denselben wohl 
zweckmäfsig erwies und so in einem beschränkten Kreise 
Verbreitung fand. — Die übrigen abgebildeten Schaber, 
Fig. 8 bis 14 (und 8a bis 14a), sind die gewöhnlichen 
abgerundeten Schaberformen, die ich neben den trapez 
förmigen auf den Spargelfeldern an der Dowesee fand 
und die auch sonst überall auf neolithischen Fundstellen 
gefunden werden.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.