Globus LXXII. Nr. 1.
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GLOBUS.
ILLUSTRIERTE ZEITSCHRIFT FÜR LÄNDER- und VÖLKERKUNDE.
VEREINIGT MIT DER ZEITSCHRIFT „DAS AUSLAND“.
HERAUSGEBER: Dr. RICHARD ANDREE. >^'4 VERLAG von FRIEDR. VIEWEG & SOHN.
Bd. LXXII. Nr. 1. ß RAUNSCHWEIG. 3. Juli 1897.
Nachdruck nur nach Übereinkunft mit der Verlagshandlung gestattet.
Die Entdeckung Nordamerikas durch Giovanni Caboto im Sommer 1497.
Von Sophus Rüge. Dresden.
Zum Gedächtnis der vor 400 Jahren erfolgten Ent
deckung Nordamerikas werden gewifs mancherlei
Erinnerungshlätter in der Neuen Welt ans Licht treten,
wenn auch der litterarische Lärm weit hinter der Jubel
feier von 1892 zurücktreten wird. Handelt es sich
doch nur um eine Entdeckung zweiten Grades, die aber
immerhin sich unmittelbar hinter die grofse That des
Kolumbus stellt. Die Royal Society von Kanada wird
zu Ehren Cabotos in Halifax eine Festsitzung abhalten.
Es ist bereits vor längerer Zeit ein Komitee gewählt und
man beabsichtigt, ein Denkmal zu Sydney auf Cape Breton
zu errichten. Man hat nicht die Absicht, damit die
bestimmte Erklärung abzugeben, dafs gerade dort die
Landung Cabotos geschehen sei, oder dafs er dort zuerst
das neue Land gesehen habe. Man hält aber den Platz
für besonders geeignet, weil möglicherweise, ja wahr
scheinlich dort der kühne Seefahrer die Küste Amerikas
berührte.
Sicher ist diese Annahme nicht; aber in solchen Fällen,
wo der fragliche Ort sich nicht mehr nachweisen läfst,
erscheint die Wahl als ein Notbehelf. Die sehr dürftigen
Nachrichten über Cabotos Fahrt lassen aber leider auch
den Tag der Entdeckung in der Schwebe. Es ist mög
lich, dafs man drüben den 24. Juni als Tag der Feier
ausersieht, denn dieser Tag wird schon um die Mitte
des 16. Jahrhunderts genannt; aber die Gründe, die
man gegen diesen Tag eingewendet hat, sind gewichtiger
als diejenigen, die dafür sprechen sollen.
Die Unsicherheiten über Ort und Zeit der Entdeckung
lassen aber einen Punkt unerschüttert, dafs die That im
Sommer 1497 erfolgt ist. Nach dem gegenwärtigen
Stande der Untersuchungen kann es wohl ausgesprochen
werden, dafs an der Verwirrung der Sohn des Entdeckers,
Sebastian Caboto, die Hauptschuld trägt, da er sich
später offenbar den Ruhm des Vaters, den er auf der
ersten Fahrt sicher nicht begleitet hat, angeeignet, und
bei seiner einflufsreichen Stellung in Spanien entschieden
nachteilig auf die älteste Geschichtsschreibung, von Peter
Martyr an, gewirkt hat. Denn schon von diesem ersten
Historiker des Weltmeeres an werden die Thatsachen
der beiden von Giov. Caboto ausgeführten Reisen von
1497 und 1498 durcheinander geworfen und mitein
ander vermengt. Nimmt man nun noch dazu, dafs die
immer noch unter Sebastian Cabotos Namen laufende
berühmte Weltkarte von 1544 statt 1497 die Jahres
zahl 1494 nennt und — allein — den 24. Juni als Tag
der Entdeckung bezeichnet, so kann man sich wohl
erklären, dafs Sebastian Cabotos Ruf als eines glaub
würdigen Mannes gewaltig erschüttert wurde, seitdem
eine gründliche Untersuchung das Jahr 1497 als das
zweifellos richtige hingestellt hatte. War aber das auf
der jedenfalls vom jüngeren Caboto beeinflufsten Welt
karte genannte Entdeckungsjahr falsch, wohl gar ab
sichtlich gefälscht, kein Wunder, dafs sich die Kritik
dann auch gegen das genannte Datum des 24. Juni ab
lehnend verhielt und noch verhält.
Verfolgen wir zunächst ganz kurz die chronolo
gische Reihe der Urkunden, die uns zum Jahre 1497
leiten.
Der spanische Gesandte am Hofe des Königs Hein
rich VII. von England, Ruy Gonzales de Puebla, berichtet
zuerst am 21. Januar 1496 an seinen König, dafs Caboto
dem englischen Könige den Vorschlag gemacht habe,
eine Entdeckungsfahrt nach Westen zu unternehmen.
Vorher ist also dem spanischen Gesandten noch nichts
dergleichen zu Ohren gekommen; vorher kann also un
möglich schon eine Fahrt mit glücklichem Erfolge , also
mit Landentdeckung, ausgeführt sein. Dadurch wird
die oben erwähnte Jahreszahl 1494 völlig haltlos.
König Heinrich erteilte darauf unter dem 5. März 1496
das gewünschte Privilegium, Länder und Inseln in jenen
Gebieten der Erde zu entdecken, die der ganzen Christen
heit bis dahin völlig unbekannt geblieben waren („ad
inveniendum, discooperiendum et investigandum quas
cunque insulas, patrias, regiones sive provincias gentilium
et infidelium in quacumque parte mundi positas, quae
christianis omnibus ante haec tempora fuerunt incog
nitae“). Dieses Patent, dessen Wortlaut der spanische
Gesandte jedenfalls sobald als möglich nach Spanien
übermittelte, wurde dort natürlich für eine grobe Ver
letzung der päpstlichen Bulle von 1493 gehalten, wonach,
mittels der später sogenannten Demarkationslinie, die
nicht von Christen bewohnten Erdräume zwischen
Spanien und Portugal geteilt worden waren. Die spa
nischen Majestäten, Ferdinand der Katholische und
Isabella v. Kastilien, beeilten sich darauf, schon unter dem
28. März 1496, also ehe noch ein Schiff' auf Entdeckungen
auslaufen konnte, gegen den an Caboto erteilten Frei
brief zu protestieren. Was Heinrich VII. darauf erwidert
hat, wissen wir nicht. Es vergeht mehr als ein Jahr,
bis sich wieder eine urkundliche Mitteilung über die
Angelegenheit findet, und diese Mitteilung bringt, so
kurz sie auch ist, die erfreuliche Kunde, dafs Caboto
seinen Plan ausgeführt und auch wirklich Land ent
deckt hat.
In den Rechnungen Heinrichs VII. findet sich unter
dem 10. August 1497 eingetragen: „To hym that founde
the new isle, L 10.“ Drastisch, vielsagend! DerKassen-