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Full Text: Globus, 72.1897

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E. Mosbach: Streifzüge in den bolivianischen Anden. 
Pig. 1. Thal von Guanuni am Westabhange der Cordillere (Chile) mit 
Biesenkakteen. Originalzeichnung von Mosbach. 
sind auch hier der Schrecken der Bevölkerung und 
haben ihre Spuren an den Mauern einer aus Quader 
steinen errichteten, aber nicht mehr benutzten Kirche 
in verschiedenen Rissen zurückgelassen. 
In Tacna hatte ich auch Gelegenheit, mich zur Reise 
über die Cordilleren vorzubereiten. Vor allem gehören 
hierzu ausgeruhte und wohlgenährte Reit- und Saumtiere, 
Maultiere und Pferde, die womöglich die Reise schon 
einmal gemacht haben; ferner einige Küchengeräte, Ma 
tratzen, wollene Decken, ein wärmerer Anzug mit dem 
unvermeidlichen praktischen Poncho und Lebensmittel, 
von denen unter anderen Conserven in Büchsen als sehr 
zweckmäfsig zu empfehlen sind. Denn auf den Eng 
pässen und Hochebenen haben zwar spekulative Kauf 
leute einige Logierhäuser (Tambos) gebaut, in denen 
man, wenn man sie erreicht, einigermafsen vor Kälte 
und Sturm geschützt ist, die aber im übrigen nicht viel 
bieten; aufserdem mufs man die gewöhnlichen Nahrungs 
mittel, Kartoffeln und Lamafleisch, das nicht jedem be- 
hagt, und besonders das Futter für die Tiere mit dem 
drei- und vierfachen Preise bezahlen. 
Bis zu einer Höhe von etwa 1500 m über dem 
Meere sind die hügelförmigen Ausläufer der Cordilleren 
noch mit Ansiedelungen und hübschen Gruppen von 
Laubbäumen bedeckt; dann werden diese seltener, die 
Abhänge steiler, und es beginnt die Zone der Kakteen, 
die stellenweise ganze Waldungen dieser 
Pflanzen aufweist. Hier sind hauptsächlich 
die Gattungen: Cereus mit den Arten 
C. giganteus (Riesen- oder Säulenkaktus) 
und C. senilis (Greisenhaupt), und Opuntia 
mit den Arten 0. vulgaris (Feigenkaktus) 
und 0. coccinellifera (Cochenillenkaktus) 
vertreten, doch finden sich auch die Gat 
tungen Mammillaria und Echinokaktus vor. 
Yon diesen Gewächsen mit ihren aben 
teuerlichen Formen überraschen besonders 
die Riesenkakteen, die eine Höhe von 7 m 
und darüber erreichen und auf zwei Drittel 
ihrer Höhe 7 bis 8 Arme aussenden, so 
dafs sie die Form eines Kandelabers nach 
ahmen, an dem selbst die Flammen nicht 
fehlen, die sich die Phantasie in den 
leuchtend hellgelben Blüten unwillkürlich 
vorstellt. Ihre getrockneten Stämme be 
nutzen die Gebirgsbewohner, als Bau- und 
Brennholz. Die Greisenhäupter werden 
nur bis 3 m hoch und machen durch ihren 
weifsen seidenartigen Haarbehang einen 
ehrwürdigen Eindruck. Die Opuntien 
sind äufserst mannigfaltig gestaltet; bald 
kriechen sie auf dem Boden entlang, bald 
bilden sie unförmlich verwachsene Sträucher; 
sie liefern die wohlschmeckenden sogen, 
indischen Feigen (Tunas) und die Cochenille- 
Schildläuse, aus denen der bekannte rote 
Farbstoff gewonnen wird. Der Saft aller 
Kakteen dient dort als Arzneimittel und 
als Klebstoff für Häuseranstriche. Es ist 
fast rätselhaft, woher diese saftreichen Ge 
bilde auf dem dürren Boden und an den 
nackten Porphyrfelsen, die nie vom Regen 
benetzt werden, das Material zu ihrem 
Aufbau hernehmen ; selbst die Luft ist hier 
trocken und jedenfalls frei von Kohlensäure. 
Unsere Fig. 1 zeigt das vom Ilaupt- 
wege seitwärts gelegene Thal von Gua 
nuni mit Säulen-, Greisenhaupt- und 
Kugelkakteen und mit niederem von einem 
kleinen Bach befeuchtetem Gesträuch, in welchem sich 
Reisende ihr Mahl bereiten. 
Die Kakteenregion reicht ungefähr bis 3400 m ü. M., 
doch wird sie von einigen Gattungen auch überschritten. 
In dieser Region, etwa 3200 m ü. M., liegt der kleine 
Indianerflecken Palca, in dessen Thale noch eine Art 
von Luzerne (Alfalfa) an den Berieselungen gedeiht und 
auf dessen Anhöhen sich die ersten altindianischen 
Begräbnisse (Chulpas) zeigen. Hinter Palca wird der 
Weg immer steiler und führt an 300 bis 500 m tiefen 
Abgründen vorüber, die Luft wird immer dünner und 
kälter und es stellt sich fast ausnahmslos bei allen, die 
die Reise zum erstenmale machen, die lästige Gebirgs- 
krankheit (Sorrocho) ein, die sich, ähnlich der See 
krankheit, in Kopfschmerz, Beklemmung und Übelkeit 
äufsert, oft mit Blutungen aus Nase und Ohren ver 
bunden ist und gewöhnlich mehrere Tage anhält, bis 
sich der Organismus an die dünne Luft, die alleinige 
Urheberin der Krankheit, gewöhnt hat. 
An der Grenze der Kakteenregion wechselt die Vege 
tation abermals. Ein immergrüner, harziger, unserem 
Ginster nicht unähnlicher Strauch, die Tola, erscheint 
in Gemeinschaft mit büschelförmigem, stacheligem Ichu- 
gras (Stipa Ichu), hier Paja brava genannt, und mit 
kurzem weichem Pastogras, das in Ermangelung eines 
besseren von den Lasttieren gern aufgesucht wird.
	        
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